Die Berliner Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist nach drei Jahren zerbrochen. Bundeskanzler Scholz (SPD) hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Mittwoch entlassen. Der Kanzler will nun am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen und damit vorgezogene Neuwahlen herbeiführen. Noch am Mittwochabend hat die FDP angekündigt, dass sich alle FDP-Minister aus der Bundesregierung zurückziehen.
Natus: Neuwahlen sollen schnellstmöglich kommen
Der Vorstandsvorsitzende der Vereinigung Trierer Unternehmen (VTU), Frank Natus, sagte dem SWR, Deutschland könne sich in der aktuellen Lage weder politisch noch wirtschaftlich eine lange Hängepartie leisten. "Deshalb ist es völlig abstrus, dass Herr Scholz die Vertrauensfrage erst am 15. Januar stellen möchte", so Natus. Vielmehr müsse das schnellstmöglich geschehen, sodass Neuwahlen vielleicht schon im Januar möglich werden. Stattdessen wolle der Kanzler offenbar auf Zeit spielen und möglichst lange im Amt bleiben. "Das ist unverantwortlich für dieses Land."
Wirtschaftlich müsse in Zukunft sehr viel anders werden, sagte VTU-Chef Natus dem SWR. Es gelte deutliche wirtschaftliche Impulse zu setzen und gleichzeitig die wichtigen sozialen Themen zu berücksichtigen und die Energiewende hinzubekommen. Nur wenn das im Einklang sei, könne Deutschland wieder nach vorne kommen.
"Die wirtschaftlichen Impulse sind in den letzten Jahren völlig ausgeblieben und da muss sich einiges tun", stellte Natus klar. Dabei gehe es darum, dass Deutschland mit die höchsten Steuern weltweit habe. Außerdem die höchsten Energiekosten sowie eine ausufernde Bürokratie und einen Fach- und Arbeitskräftemangel. "Wir sind in Deutschland zu faul und träge und satt geworden, und das muss sich dringend ändern."
Schnieder (CDU): Vertrauensfrage so schnell wie möglich
Auch der Eifeler Bundestagsabgeordnete Patrick Schnieder fordert Bundeskanzler Olaf Scholz auf, früher die Vertrauensfrage zu stellen. Scholz hatte gestern angekündigt, das im Januar tun zu wollen.
Schnieder sagte dem SWR, Deutschland stehe vor riesigen Herausforderungen. Daher brauche Deutschland möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung, um zu stabilen Verhältnissen zu kommen: "Das ist politische Insolvenzverschleppung, die Herr Scholz da vorhat", wirft Schnieder dem Kanzler vor. Es müsse möglichst schnell Neuwahlen geben. Nur dann sei die Union auch bereit wichtige Gesetze im Bundestag zu unterstützen.
Rüffer (Grüne/Bündnis 90): Kanzler-Zeitplan macht Sinn
Die Trierer Grünen-Bundestagsabgeordnete Corinna Rüffer befürchtet, dass nach dem Ende der Ampelkoalition schon jetzt der Wahlkampf beginnt. Daher unterstütze sie den Zeitplan von Kanzler Scholz, erst im Januar die Vertrauensfrage zu stellen. Bis Weihnachten müssten noch dringend Entscheidungen getroffen werden, um die deutsche Wirtschaft wieder nach vorne zu bringen.
Wenn Olaf Scholz bereits jetzt die Vertrauensfrage stelle, werde es schwerer Gesetze auf den Weg zu bringen, weil die meisten Parteien dann schon im Wahlkampfmodus wären, so Rüffer gegenüber dem SWR. Dass Scholz Finanzminister Christian Lindner entlassen habe, sei folgerichtig, so Rüffer. Lindner habe keinen Haushalt vorgelegt uns stattdessen Einsparungen bei Rentnern und Entlastungen für Reiche eingefordert. Ihm müsse klar gewesen sein, dass der Zeitpunkt für solche Forderungen falsch war und mit den Partnern kaum zu verhandeln. Insofern sei er seinen Pflichten als Finanzminister nicht nachgekommen.
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Weber (FDP): Lindner hat nicht die alleinige Schuld
Der Eifeler Landtagsabgeordnete der FDP Marco Weber sagte dem SWR, dass er über die Art und Weise der Beendigung der Koalition ein wenig schockiert gewesen sei.
Bundeskanzler Scholz hatte in seinem Statement zum Ende der Koalition FDP-Finanzminister Christian Lindner mehrfach schwere Vorwürfe gemacht. "Gerade das Statement des Bundeskanzlers hat mich ein wenig verwundert," sagte FDP-Politiker Marco Weber dem SWR. Die Schuldfrage sei nicht einfach zu beantworten. Er glaube, jeder der drei Akteure – Fraktionen, Parteien, aber auch Scholz, Habeck und Lindner – hätten dazu beigetragen, dass die Situation eingetreten ist.
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Der Mainzer Jörg Kukies (SPD) hat seinen Amtseid als Bundesfinanzminister abgelegt. Er ist Nachfolger von Christian Lindner (FDP), der entlassen wurde.
Seine Partei stehe dafür, die Schuldenbremse einzuhalten, sagt Weber. Mit dem Geld der Bürger müsse verantwortungsvoll umgegangen werden. Der Bundeskanzler habe bei seinem Statement die Situation in Deutschland nicht richtig eingeschätzt. Deutschland habe kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem, so Weber.
"Ich hatte diesen Bruch gestern ehrlich gesagt nicht erwartet", sagt die Landtagsabgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler (Bündnis 90/Die Grünen) aus Bernkastel-Kues. "Eine Dreierkoalition ist natürlich eine andere Herausforderung als eine Zweierkoalition, aber wenn man Verantwortung übernimmt, dann muss man alles versuchen, dieser Verantwortung gerecht zu werden."
Dass die Ampel in Berlin ausgerechnet zum Zeitpunkt der Wiederwahl von Donald Trump in den USA zerfällt, hält Blatzheim-Roegler für "unglücklich": "In diesen Monaten, in denen wir abwarten müssen, wie sich die US-Politik ausrichtet, wäre es sehr wünschenswert, wenn wir in Deutschland nicht vor Neuwahlen stünden."
Hubertz (SPD): Richtige Konsequenzen im richtigen Moment
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Verena Hubertz aus dem Kreis Trier-Saarburg teilte per Facebook mit, dass zur Verantwortung auch gehöre, im richtigen Moment die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Die Menschen erwarteten zu Recht eine handlungsfähige Regierung.
"Schluss mit der Verantwortungslosigkeit von Finanzminister Christian Lindner", so Hubertz. Kanzler Olaf Scholz habe ein Angebot für einen Haushalt gemacht, der die Wirtschaft in einer schwierigen Zeit stützen und die Sicherheit bewahren sollte. Diese Richtung habe Christian Lindner nicht mitgehen wollen.
Der Kanzler werde Anfang 2025 die Vertrauensfrage stellen und den Weg für Neuwahlen freimachen. "Das ist für mich verantwortungsvolles Handeln", schreibt Hubertz.
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Teuber (SPD): Spaltung Deutschlands darf nicht zunehmen
Der SPD-Landtagsabgeordnete Sven Teuber aus Trier schreibt, dass eine Spaltung Deutschlands politisch wie wirtschaftlich nicht weiter zunehmen dürfe.
Der Kanzler habe die Hand an Demokratinnen und Demokraten gereicht, das Miteinander für einen geordneten Übergang zur Wahl zu stärken: "Diese ausgestreckte Hand nimmt Merz' Forderung nach Verantwortung aus vergangenen Debatten der letzten Monate ernst. Was seine Worte in Krisenzeiten wert sind, wird sich zeigen", so Teuber.
SPD und Grüne künftig ohne Mehrheit im Bundestag
Hintergrund ist nicht zuletzt, dass SPD und Grüne zusammen keine Mehrheit im Parlament haben und damit auf Stimmen der Opposition angewiesen sind. Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass sie diese Unterstützung bekommen. Dennoch will Kanzler Scholz mit CDU-Chef Friedrich Merz darüber sprechen.