Die Fließbänder des Gerolsteiner Brunnens stehen niemals still. 250 Millionen Plastikflaschen verlassen jedes Jahr das Werk in der Vulkaneifel. Von hier aus wird der Sprudel in die ganze Welt verkauft. Tausende Tonnen Plastik lässt der Mineralwasserkonzern dafür produzieren.
Dabei könnten es deutlich weniger sein, sagt Thomas Hens, Verpackungsexperte bei Gerolsteiner, wenn die Firma an mehr recycelten Kunststoff käme. Vergangenes Jahr hat der Sprudelhersteller das noch geschafft. Die Flaschen bestanden zu 75 Prozent aus Rezyklat. Das ist ein Granulat, das aus benutzten oder alten Verpackungen gewonnen wird. "Seit Anfang des Jahres sind es aber nur noch 30 Prozent", sagt Hens: "Wir mussten so entscheiden, weil wir nicht genügend Material am Markt einkaufen konnten."
Wie aus PET ein gefragter Kunststoff wurde
Denn Einwegflaschen sind längst kein Abfallprodukt mehr. Das Material aus den Pfandautomaten wird heute zerkleinert und von Recyclingfirmen aufbereitet und zu Ballen gepresst. Und dieses saubere und sortenreine Polyethylenterephthalat - kurz PET, ist ein umkämpfter Rohstoff geworden, sagt Benedikt Kauertz vom Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg.
Firmen stellen daraus nicht nur Flaschen her, sondern auch Taschen, Schuhe oder Hosen. PET kommt in Armaturen von Autos ebenso zum Einsatz wie in Verpackungen von Duschgel oder Seife. Die Unternehmen werben mit dem Versprechen der Nachhaltigkeit. Und das kommt an bei vielen Kunden. So wächst die Nachfrage nach dem Kunststoff schneller als das Angebot. Und wer das meiste Geld auf den Tisch legt, bekommt das Material.
Nicht mal die Hälfte der PET-Flaschen wird wieder zu Flaschen
Für Sprudelhersteller wie den Gerolsteiner Brunnen bleibe da zu wenig Plastik übrig, sagt Thomas Hens: Aktuell würden nur aus 44 Prozent der Flaschen wieder neue Flaschen: "Der Rest landet leider in anderen Industrien und ist dann für den hochwertigen Lebensmittelprozess verloren. Das ist uns natürlich ein Dorn im Auge." Der Gerolsteiner Brunnen müsse das Recyklat jetzt teuer einkaufen oder neues produzieren lassen und verliere dadurch übers Jahr gerechnet mehrere Millionen Euro.
Mode aus recyceltem Material nicht immer nachhaltig
Doch auch Wissenschaftler wie Benedikt Kauertz sehen die Entwicklung kritisch. Denn es sei wesentlich nachhaltiger, das PET für Flaschen einzusetzen als etwa für Kleidung, sagt der Fachmann: "Die Hose bleibt für immer eine Hose bis sie eines Tages so kaputt ist, dass man sie nur noch verbrennen kann. Aus einer Flasche kann ich immer wieder eine Flasche machen." Eine echte Kreislaufwirtschaft.
Grundsätzlich sei es zwar ein Fortschritt, dass auch die Modebranche inzwischen recyceltes Material einsetze. Kauertz wünscht sich aber, dass die Branche eigene Kreisläufe aufbaut - so wie die Getränkehersteller. Dass die Firmen also aus getragener Kleidung wieder neue Kleidung herstellen, statt auf die PET-Flaschen zurückzugreifen: "Fast Fashion wird keine Green Fashion, nur weil ich ein Kunststoff-Rezyklat als Faser einsetzte. Sondern die Hosen müssen eine lange Lebensdauer haben, die Schulranzen sollten zumindest die Grundschulzeit durchstehen."
PET-Flaschen nur für Sprudelhersteller
Auch Thomas Hens würde das begrüßen. Der Gerolsteiner Verpackungsexperte glaubt aber nicht, dass die Unternehmen freiwillig Kreisläufe aufbauen, solange das PET für sie auf dem Markt frei verfügbar ist, auch wenn es teuer ist. Die Getränkehersteller fordern daher einen Erstzugriff auf ihre PET-Flaschen: "Und dafür kämpfen wir auch politisch."
Zum Beispiel mit der Unterstützung von Patrick Schnieder, dem CDU-Generalsekretär, der aus der Eifel stammt. Schnieder will sich für den Gerolsteiner Brunnen und andere Sprudelhersteller in Berlin einsetzen und sagt: "Ich halte es für den richtigen Ansatz, dass die Einwegflaschen im Kreislauf verbleiben und wieder verwendet werden können. Das wäre weitaus nachhaltiger als die aktuelle Praxis."
Umweltministerium lehnt Vorschlag der Hersteller ab
Durchgesetzt hat sich Schnieder mit dieser Position aber offenbar nicht. Das von den Grünen geführte Umweltministerium winkt auf Anfrage des SWR ab und verweist an die Kollegen in Brüssel: "Die Diskussion über Marktbeschränkungen und ein gesetzlich geschütztes Erstzugriffsrecht für einzelne Marktteilnehmer müsste bei Bedarf auf europäischer Ebene geführt werden."
Dort erarbeitet die EU-Kommission gerade Regeln für ein europäisches Pfandsystem und beschäftigt sich daher auch mit dem Recycling von Flaschen. Auch die Idee eines Erstzugriffs für Getränkehersteller sei diskutiert worden, heißt es von der Kommission. Doch die Fachleute hätten den Vorschlag verworfen, weil dies einen zu großen Eingriff in den freien Markt bedeutet hätte. Für den Gerolsteiner Brunnen sind das schlechte Nachrichten. Erstmal wird der Mineralwasserkonzern also weiterhin tausende Tonnen Plastik einkaufen müssen, um seine Flaschen herzustellen.