Der Joghurtbecher aus Plastik, Aluminium und Papier, er ist in Deutschland nicht nur eine Verpackung. Er ist ein Symbol. Ein Symbol für das gut gemeinte deutsche Mülltrennungswesen, das oft wie ein Schildbürgerstreich wirkt. Einen leeren Joghurtbecher korrekt wegzuwerfen ist eine Wissenschaft für sich.
Doch die Mülltrennungsmoral sinkt. Verpackungen, Restmüll und Küchenabfälle geraten durcheinander. Von der viel beschworenen Kreislaufwirtschaft ist Deutschland weit entfernt. Etwa die Hälfte der Haushaltsabfälle landet in der Verbrennung. Fast eine Million Tonnen Altplastik wurden bis vor kurzem nach China exportiert.
Der Fehler liegt im System
Das Grundproblem des deutschen Abfallsystems ist die politisch verordnete Aufspaltung des Mülls. Für Verpackungen wie den Joghurtbecher oder Konservendosen ist seit 1992 die Privatwirtschaft zuständig. Das sind derzeit acht Unternehmen, die sogenannten dualen Systeme, darunter der einstige Monopolist "Der grüne Punkt".
Für den Restmüll dagegen sind die Gemeinden und Städte zuständig, er wird in der Regel verbrannt. Der Plastikblumentopf ist keine Verpackung und gehört offiziell in den Restmüll, obwohl er doch aus demselben Kunststoff besteht wie der Joghurtbecher.
Manche Regionen haben Abhilfe geschaffen, indem sie eine “Wertstofftonne” für alle möglichen Kunststoffe und Metalle eingeführt haben, egal ob Blumentopf, Zahnbürste, Aludeckel oder Kneifzange. Doch der Versuch der letzten Bundesregierung, die Wertstofftonne in ganz Deutschland einzuführen, ist gescheitert.
Null Müll, Zero Waste
Diesen Slogan der kalifornischen Abfallindustrie gibt es neuerdings auch in Deutschland: Der Berliner Senat hat das Leitbild “Zero Waste” in seinen Koalitionsvertrag geschrieben. Deponien sind in Deutschland weitgehend abgeschafft, hier hieße Zero Waste: Kein Müll mehr in die Verbrennung. Alles soll recycelt, kompostiert oder repariert werden. Man wolle die Restmüllmenge in der grauen Tonne drastisch reduzieren, heißt es im Berliner Koalitionsvertrag. Nicht jeder ist von diesem Ziel begeistert.
In einer Studie für das Umweltbundesamt hat Peter Quicker, Professor für Energierohstoffe an der Universität Aachen, berechnet, in welchen Anlagen hierzulande Abfälle verbrannt werden, um daraus Strom oder Wärme oder beides zu gewinnen. Ergebnis: knapp vier Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland werden mit Abfall gedeckt. Und wenn dadurch Öl und Gas eingespart werden, sei dies auch für sinnvoll.
Doch mit einer Ausnahme: Organischer Abfall enthält wertvolles Phosphor – ein Element, das Pflanzen zum Wachstum brauchen und das in Düngemitteln steckt, aber zunehmend knapp wird. Wird organischer Abfall verbrannt, geht das Phosphor verloren. Mehr Biotonnen braucht das Land also, da sind sich Forscher, Umweltverbände und Abfallindustrie einig.
San Francisco hat vor sechs Jahren versprochen, bis 2020 den Müll auf Null zu reduzieren. Über 80 Prozent des unsortierten Mülls, der in Deutschland größtenteils verbrannt wird, werden beispielsweise in San Jose herausgeholt und getrennt.
Deutschland ist von einer echten Kreislaufwirtschaft noch weit entfernt
Zweiter Pluspunkt für Kalifornien: der Ausbau der automatischen Mülltrennung, auch mit Robotern und Künstlicher Intelligenz. Würde man alle organischen Abfälle in die Biotonne werfen, könnte man im Prinzip den trockenen Rest in eine zweite Tonne schmeißen, sortiert werden diese Wertstoffe dann in der Recycling-Fabrik. Das probieren einige kalifornische Städte schon aus.
Verglichen mit anderen Ländern, machen Deutschland und Kalifornien vieles richtig, aber von einer echten Kreislaufwirtschaft sind beide noch weit entfernt.
Das Ziel von "Zero Waste" wird auch in den nächsten Jahren nur dann funktionieren, wenn man sich die Zahlen schön rechnet. Solange wir Müll produzieren, wird ein Rest bleiben, der weder wiederverwertbar noch kompostierbar ist. Aber das muss uns ja nicht davon abhalten zu versuchen, diesem Ideal möglichst nahe zu kommen.
SWR 2019