Nach Hakenkreuz-Schmierereien

Wie Stadt und Polizei die Trierer Sinti vor Rassisten schützen wollen

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Autor/in
Christian Altmayer
Foto von Christian Altmayer, Redakteur bei SWR Aktuell im Studio Trier

Die Trierer Sinti-Familie Reinhardt fühlt sich zwei Wochen nach den Schmierereien wieder etwas sicherer. Gleichzeitig warnen Experten vor wachsendem Hass gegen die Minderheit.

Die Hakenkreuze sind weggewischt, die Haustür der Reinhardts ist wieder sauber. Doch bei der Trierer Sinti-Familie ist etwas zurückgeblieben von dem Vorfall vor zwei Wochen, als Unbekannte rassistische Parolen an ihr Haus geschmiert haben. "Klar hab ich noch Angst", sagt Barbara Reinhardt. Denn die Täter sind noch nicht gefasst. Und die Ermittlungen gestalten sich schwierig, wie der Trierer Polizeichef Matthias Emmerich einräumt.

Matthias Emmerich, Leiter der Polizeiinspektion Trier, sorgt mit seinen Beamten für die Sicherheit der Familie Reinhardt.
Matthias Emmerich, Leiter der Polizeiinspektion Trier, sorgt mit seinen Beamten für die Sicherheit der Familie Reinhardt.

Weil die Reinhardts abgelegen wohnen, gebe es keine weiteren Zeugen. Barbara Reinhardt hatte nach der Tat nur gesehen, wie jemand nachts mit einem Roller wegfuhr. "Die Kollegen fahren täglich mit Streifenwagen und Motorrädern durch die Straße", sagt Emmerich: "Wir sind aber auch verdeckt unterwegs und schauen uns an, wer hier unterwegs ist." Die Polizisten hoffen, dass sie jemanden auf frischer Tat ertappen. Sie wollen der Familie aber auch Sicherheit geben, sagt Emmerich.

Sinti-Familie fühlt sich wegen Polizei wieder sicherer

In den ersten Tagen danach hat Barbara Reinhardt noch jede Nacht Wache gehalten, erzählt sie: "Ich hab mich mit meiner Schwester abgewechselt - vier Stunden hat sie geschlafen, vier Stunden hab ich geschlafen. Und eine von uns ist dann immer um den Block gegangen und hat geguckt, ob alles in Ordnung ist." Seit die Polizei regelmäßig vor Ort ist, schläft sie immerhin wieder durch.

Die Familie von Wilhelm Reinhardt wurde im Holocaust ermordet, als er noch ein Kind war. Diese Erinnerungen kommen wieder hoch, wenn er Hakenkreuze an seiner Hauswand sieht.
Die Familie von Wilhelm Reinhardt wurde im Holocaust ermordet, als er noch ein Kind war. Diese Erinnerungen kommen wieder hoch, wenn er Hakenkreuze an seiner Hauswand sieht.

Sorgen macht sich Reinhardt trotzdem, vor allem um ihren Sohn und ihren Vater Wilhelm Reinhardt. Der 85-Jährige hat als Kind den Holocaust überlebt, fast seine ganze Familie wurde in Auschwitz ermordet. "Und für ihn ist das natürlich noch viel schlimmer, wenn er dann wieder Hakenkreuze an seinem Haus sieht", sagt seine Tochter. Die Familie denkt deshalb über Sicherheitskameras nach.

Hass gegen Minderheiten wächst

Doch besonderen Schutz haben nicht nur die Reinhardts nötig, sagt Romeo Franz, der die Trierer Familie besucht hat. Der Politiker aus Ludwigshafen sitzt für die Grünen im Europa-Parlament und wird selbst dort als Sinto angefeindet: "Gerade die Rechtsextremen äußern sich sogar im Plenum massiv antiziganistisch." Und er befürchtet, dass der Hass nach dem Rechtsruck bei den Europa-Wahlen noch wachsen wird: "Je weiter die Politik nach rechts rückt, desto stärker wird der Antiziganismus auch in der Gesellschaft."

Seit mehr als 600 Jahren sei diese Form des Rassismus weit verbreitet, bis heute. Nur gesprochen werde darüber kaum, ärgert sich Franz: "Der Antiziganismus wird, zum Beispiel im Gegensatz zum Antisemitismus, in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen." Kinder würden in der Schule nicht über die Ermordung der Sinti und Roma im Holocaust aufgeklärt, Beamte nicht entsprechend geschult: "Und deswegen passieren immer wieder solche Vorfälle wie hier in Trier."

Dieses Mahnmal erinnert in Trier an die Sinti und Roma aus Trier, die Opfer des Holocaust der Nationalsozialisten wurden.
Auf dem Platz der Menschenwürde in Trier gibt es ein Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma. In der öffentlichen Wahrnehmung spielt der Antiziganismus allerdings kaum eine Rolle.

18 Straftaten gegen Sinti und Roma im vergangenen Jahr

Nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) gab es vergangenes Jahr 18 Straftaten mit antiziganistischem Hintergrund in Rheinland-Pfalz. Mehr als in den fünf Jahren davor. Oft würden die Beamten demnach wegen Beleidigungen ermitteln. Doch es wurden auch zwei Angehörige der Minderheiten körperlich angegriffen. Die Täter kamen meistens aus der rechten Szene. "Jede Straftat ist eine zu viel und kann mit schweren Folgen für das oder die Opfer verbunden sein", sagt Bastian Kipping, Pressesprecher des LKA. Daher werde jedem Fall nachgegangen und die Tathintergründe miteinbezogen. Der Abgeordnete Romeo Franz glaubt aber, dass die Dunkelziffer der Straftaten, die nicht angezeigt werden, viel höher ist.

Antiziganistisch beschmiertes Wahlplakat von Marlon Reinhardt (Freie Wähler). Der SWR hat den Spruch verpixelt, um ihn nicht weiter zu verbreiten.
Immer mehr antiziganistische Straftaten: In Koblenz haben Unbekannte das Wahlplakat des Sinto Marlon Reinhardt (Freie Wähler) mit Parolen beschmiert.

Meldestelle: Bekannte Vorfälle sind nur Spitze des Eisbergs

Auch bei der 2022 eingerichteten Melde- und Informationsstelle Antiziganismus Rheinland-Pfalz heißt es, dies sei nur "die Spitze des Eisberges", da viele Taten nicht angezeigt würden und das Problem allgemein nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehe. Die Meldestelle verzeichnet für 2023 allerdings 45 Fälle, die zum großen Teil der Polizei gar nicht bekannt sind. Darunter auch: Diskriminierungserfahrungen, die Sinti und Roma im Alltag machen. So hätten einige Kinder und ihre Eltern berichtet, dass sie in der Schule von Lehrern und Mitschülern gemobbt wurden.

Im Fall der Nazi-Schmierereien in Trier ermittelt die Polizei wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und der Verwendung von verfassungsfeindlichen Kennzeichen. Den Vorwurf der Volksverhetzung hatten die Ermittler geprüft, aber dann nicht weiterverfolgt. Die Trierer Bürgermeisterin Elvira Garbes (die Grünen) betont dennoch: "Das hier ist kein Kavaliersdelikt." Sie hofft darauf, dass die Täter gefasst und von einem Gericht bestraft werden.

Stadt Trier will neue Unterkunft für Sinti-Familie

Gleichzeitig plant Garbes sich dafür einzusetzen, dass sich die Situation der Reinhardts verbessert. "Es gibt keinen anderen Weg", meint die Kommunalpolitikerin: "Die Familie braucht eine anständige, neue und sichere Unterkunft." Diese Erkenntnis ist nicht neu. Der Vorfall bringt das Thema aber wieder auf die politische Agenda der Stadt. Denn die Täter konnten auch deshalb ungestört agieren, weil die ehemalige Riveris-Siedlung abgeschieden liegt und es dort nachts auf den Straßen dunkel ist.

Elvira Garbes (Grüne) ist Bürgermeisterin der Stadt Trier und leitet das Dezernat Soziales, Bildung, Jugend und Integration.
Elvira Garbes (Grüne) ist Bürgermeisterin der Stadt Trier und leitet das Dezernat Soziales, Bildung, Jugend und Integration.

Nur wollen die Reinhardts hier nicht weg. Es ist ihre Heimat und es gibt hier genügend Platz für die Wohnwagen der Verwandten und die Feiern mit der Familie. Allerdings kämpfen sie seit sechs Jahren für ein neues Haus. Das Gebäude, das sie aktuell mieten, hat die Stadt vor etwa 60 Jahren für die Sinti und Roma gebaut und es dann jahrzehntelang vernachlässigt.

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Aus Kostengründen wurde aber nie etwas aus den Plänen für einen Neubau. Elvira Garbes möchte deshalb einen neuen Anlauf starten: "Herr Reinhardt ist ein Holocaust-Überlebender. Es ist wichtig, dass wir ihn schützen. Dass er ein sicheres und auch ein barrierefreies Zuhause bekommt." Den Plänen müsste aber auch der neu gewählte Stadtrat zustimmen. Barbara Reinhardt gibt die Hoffnung nicht auf: "Und dann wünsche ich mir, dass man uns hier endlich in Ruhe lässt und wir hier in Frieden leben können, wie jeder andere auch."

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