Sein Arbeitsort ist draußen in Nässe und Kälte, sein Arbeitsgerät eher ungewöhnlich: Wenn Streetworker Jonas Klein in der Vulkaneifel unterwegs ist, zieht er einen Bollerwagen hinter sich her. Darin sind Kannen mit Tee, ein Basketball, LED-Lichter und eine Powerstation, an der man Handys aufladen kann.
"Man glaubt gar nicht, was das ausmacht. Wie ein Ort aussieht, wenn ich komme, und wie er aussieht, wenn ich ihn verlasse." An diesem Vormittag ist das ein Bushäuschen in Kelberg in der Vulkaneifel. Schmierereien an den Wänden und Müll auf dem Boden zeugen davon, dass sich hier öfter Jugendliche aufhalten. Klein beleuchtet die Hütte mit den LEDs und reicht den Jugendlichen Tee, wenn sie vorbei kommen, erzählt er.
Oft würde sich das Häuschen dann mit bis zu 20 Jugendlichen füllen. Dass die hinterher ihren Müll wegräumen, darauf achtet Klein. In Zukunft will er ihnen auch einen W-Lan-Hotspot anbieten können: "Mobile Jugendarbeit hat zum Ziel, Räume zu öffnen, wo keine sind oder die Räume, in denen sich Jugendliche eh schon bewegen, besser auszustatten, sodass sie sich dort besser aufhalten können."
Jugendlichen begegnen
Der Kreis Vulkaneifel hatte lange nach einem geeigneten Kandidaten für seine neue Stelle des Streetworkers gesucht. Seit Jonas Klein den Job Mitte Oktober angetreten hat, hat er sich ein Netzwerk mit den für die Jugendarbeit zuständigen Stellen im Kreis aufgebaut.
Vor allem aber hat er das gemacht, was der Kern seiner aufsuchenden Jugendarbeit ist - er ist den Jugendlichen dort begegnet, wo sie sich aufhalten: "Mein Zuständigkeitsbereich beginnt an dem Punkt, wo bestehende Angebote wie die Schulsozialarbeit enden. Oder wo Angebote wie die Häuser der Jugend von den Jugendlichen nicht mehr aufgesucht werden."
Ein großes Ziel seiner Arbeit hat er schon erreicht, sagt Klein: Die Jugendlichen kennen ihn jetzt und wenden sich teilweise auch aktiv mit ihren Problemen an ihn. Die Möglichkeit, ihm ans Diensthandy zu schreiben oder ihn dort anzurufen, werde mittlerweile rege genutzt.
Dass Klein deshalb keinen 9-to-5-Job hat, war ihm vorher klar, seine Arbeit beginnt meist erst mit dem Schulende: "Ich fange in der Regel zu verwaltungsmäßig unchristlichen Uhrzeiten an und mache dann aber auch zu verwaltungsmäßig unchristlichen Uhrzeiten Feierabend."
Gründe für Auffälligkeiten im Zuhause
Seine Zielgruppe ist sehr weit gefasst, von den 12- bis zu den 27-Jährigen, sagt Klein: "Ich gehe auf Gruppen zu, die in vielerlei Hinsicht auffallen. Weil sie in der Öffentlichkeit trinken, Dinge zerstören. Vandalismus ist ein großes Thema. Beschaffungskriminalität, der Missbrauch von Drogen ist ein Thema." Die Ursachen dafür seien oft bei den Kindern und Jugendlichen zu Hause zu finden.
Er habe schon mit 18-Jährigen gesprochen, die obdachlos sind. Die ihr ganzes Leben von einem Heim ins nächste gewandert sind. Im frühen Kindesalter aus ihrer Familie genommen wurden oder selbst gingen. Die schon im Gefängnis waren. Klein möchte diesen Kindern und Jugendlichen helfen, indem er ihnen Angebote macht.
Und zwar jedem einzeln. Dann könne es auch sein, dass er einen Jugendlichen mit in die Halle zum Bouldern nimmt. Denn Klein möchte ihnen eine Perspektive aufzeigen: "Oftmals haben diese Menschen die Perspektive verloren und wissen nicht mehr, wo oder wie sie weitermachen können. Ich möchte diesen Menschen zuhören, aber nicht von oben herab, sondern wirklich auf Augenhöhe."
Bekannte Probleme in der Vulkaneifel
Häufig spreche Klein die Kinder und Jugendlichen nicht bei der ersten Begegnung auf ihre Sorgen an. Zunächst sei es wichtig, Vertrauen aufzubauen. Zum Beispiel auch durch eine Runde Basketball oder Fußball. "Es bringt nichts, wenn mir ein Jugendlicher von seinen schrecklichen Traumata erzählt und im nächsten Zug nehme ich dem die Flasche Bier weg. Damit mache ich mir jegliche Vertrauensgrundlage kaputt."
Zwar hat Klein, der staatlich anerkannter Sozialarbeiter und Sozialpädagoge ist, in Baden-Württemberg dual studiert und war für ein Praktikum über zwei Monate in Namibia. Für den Job hat es ihn aber zurück in seine Heimat, die Eifel gezogen, in der er acht Jahre zur Schule gegangen ist. Einerseits, weil er die Eifel liebt. Andererseits, weil ihm die Probleme hier bekannt sind.
Wie etwa viele Beschädigungen am Thomas-Morus-Gymnasium in Daun durch Jugendliche. In Gerolstein erlebe er einen offenen Drogenkonsum. 14-Jährige stünden dort neben 35-Jährigen, die konsumieren. Prävention sei deshalb wichtig: "Den Jugendlichen vielleicht noch mal aufzuzeigen, was die Risiken sind von solchen Substanzen und im besten Fall natürlich die Jugendlichen aus diesen Gruppen rauszukriegen."
Vermittler und Brückenbauer
Deshalb fährt er regelmäßig nach Daun, Gerolstein, Hillesheim, Kelberg und Jünkerath. Dass Klein mit 22 im Alter seiner Zielgruppe ist, spiele nur im ersten Moment eine Rolle, um eine Beziehung aufzubauen. Bei der zweiten oder dritten Begegnung gehe es vielmehr darum, welche Erfahrungen und Kompetenzen er mitbringt. Die Resonanz sei bisher durchweg positiv, Ablehnung habe Klein noch nicht erfahren.
Dabei sieht er sich als Streetworker nicht nur als Interessensvertretung der Jugendlichen. Sondern auch als Vermittler und Brückenbauer zwischen ihnen und den rechtsstaatlichen Instanzen, wie er sagt: "Ich glaube, viele Jugendliche haben in der Vergangenheit nun mal erlebt, dass die Polizei ihnen auf die Finger haut." Daraus habe sich ein Feindbild ergeben. Je mehr schief läuft, desto öfter fährt auch die Polizei raus. Es sei ein Teufelskreis.
Einerseits gegen diese Feindbilder anzugehen und andererseits die Jugendlichen mit ihren Problemen zu hören und auf sie einzugehen, erfordere Durchhaltevermögen, sagt Klein: "Das ist ganz wichtig an dem Job, das habe ich die letzten Monate gemerkt. Es ist kalt, es ist nass und ja, man muss Lust darauf haben. Und solange das so ist, klappt das auch recht gut." Denn Jonas Klein hat viel Lust auf seinen Job.