Karola Schuler bringt ihre Schafe neuerdings jeden Abend in den Stall. Bis vor wenigen Wochen durften die Tiere noch auf der Weide übernachten. Doch seit ein Wolf die Herde angegriffen hat, will die Landwirtin ihre Schafe nicht mehr draußen schlafen lassen: "Manchmal liege ich nachts wach und habe Angst, dass er zurückkommt."
Karola Schuler betreibt in Bäsch im Hunsrück eine Art Gnadenhof und sie hängt an ihren 70 Schützlingen. Manche Schafe hat sie vor dem Schlachter gerettet, andere hat sie von Hand aufgezogen. Dann findet sie eines Morgens zwei ihrer "Flaschenkinder" tot auf der Weide, die Kehlen und Hinterläufe zerrissen, zehn weitere Tiere wurden verletzt.
Es ist noch nicht klar, ob sie alle durchkommen. "Die sind total perplex", sagt die Schafhalterin: "Sobald einer mit einem Hund vorbei geht, legen sie die Ohren an und laufen weg."
Belgischer Wolf streift seit Sommer durch den Hunsrück
Der Schock sitzt immer noch tief im Hunsrück. 1879 wurde hier der letzte Wolf im Land erschossen. "Und niemand hat gewusst, dass hier wieder einer unterwegs ist", sagt Schuler. Dabei ist der Rüde nach Angaben des Koordinationszentrums Luchs und Wolf (Kluwo) schon seit Monaten in der Gegend. Ende Mai ist er in der Nähe von Birkenfeld das erste Mal in eine Fotofalle getappt. "Wir gehen deshalb davon aus, dass das Tier sich im Hunsrück etabliert", sagt Julian Sandrini vom Kluwo.
Seit Sommer finden die Fachleute Spuren des Raubtiers. Wildkameras schießen Bilder von ihm in Neuhütten, Hermeskeil und Abentheuer. Immer wieder entdecken die Experten Kot und Haare. Nach den Vorfällen bei den Schulers bestätigt dann eine DNA-Probe, dass der Wolf "GW3609m" die Schafe gerissen hat.
Der junge Rüde stammt aus dem Naturschutzgebiet "Hohes Venn" in Belgien. Er hat sein Rudel verlassen und eine 150 Kilometer lange Wanderschaft in den Hunsrück hinter sich gebracht, um hier ein neues Rudel zu gründen.
Nationalpark ist Paradies für Wölfe
Ob ihm das gelingt, sei noch unklar, sagt Sandrini. Denn dem Wolf fehlt eine Partnerin. Zwar wandern laut Sandrini auch weibliche Wölfe in Rheinland-Pfalz umher, etwa aus dem Westerwald, aus Frankreich oder Nordrheinwestfalen. Ob bald eine potenzielle Partnerin im Hunsrück auftaucht, könne aber niemand sagen.
Klar ist: Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald ist ein Paradies für die Tiere. "Es gibt viel Wald, viele Verstecke", sagt Sandrini: "Relativ wenig Besiedlung, relativ wenige Straßen, aber viele Beutetiere wie Rehe oder Hirsche."
Bauern kritisieren Wiederansiedlung des Wolfes
Allein rund um Bäsch leben aber auch rund 400 Schafe, Kühe und Pferde auf den Weiden. Natascha Pfeiffer, die einen Hof in der Nachbarschaft der Schulers betreibt, macht sich vor allem Sorgen um ihre neugeborenen Kälber. "Den Landwirten tut man keinen Gefallen damit, den Wolf hier wieder anzusiedeln", sagt die junge Frau.
Sie schlägt stattdessen vor, den Wolf im Nationalpark zu halten. "Wenn das Land ihn haben will, dann sollen sie da doch einfach einen riesengroßen Zaun drumherum ziehen", meint Pfeiffer. Das sei allemal effektiver als alle Weiden im Hunsrück einzuzäunen.
Region um Thalfang soll Präventionsgebiet werden
Dabei will das Land die Viehhalter unterstützen. Das Umweltministerium hat deshalb, die Region rund um Thalfang als Wolfspräventionsgebiet ausgewiesen. Das Gebiet ist nach Angaben des Ministeriums rund 2.340 Quadratkilometer groß und reicht vom Westrich über Hunsrück und Hochwald bis zu Saar und Mosel. Dort können Landwirte nun zum Beispiel Fördergeld für Elektrozäune und den Unterhalt von Herdenschutzhunden beantragen - so wie derzeit schon in den drei anderen Präventionsgebieten im Land, im Westerwald, in der Westeifel und im Taunus.
Wolfsmanagementplan RLP überarbeitet Wie ein Leben mit dem Wolf gelingen kann
Der Wolf ist da und geht nicht mehr weg. Der neue rheinland-pfälzische Managementplan soll Schäfern das Leben mit dem Wolf erleichtern. Am Mittwoch wurde er vorgestellt.
Landesumweltministerin Katrin Eder (Bündnis '90 Die Grünen) stellt trotzdem klar: "Der Wolf steht unter Naturschutz. Allen Debatten zum Trotz ist das so. Und er kehrt jetzt zurück." Mensch und Tier müssten wieder lernen miteinander auszukommen.
Landwirte kritisieren Wolfsmanagementplan
Karola Schuler wäre es lieber, sie müsste nicht mit dem Wolf auskommen. Sie hält wenig vom Wolfsmanagementplan des Landes: "Früher hat man den Wolf erschossen, weil die Bauern Angst vor ihm hatten. Es fehlt nur noch, dass sie uns hier auch noch Bären anschleppen."
Studien belegen, dass hohe Elektrozäune die Wölfe meistens von den Weiden fernhalten. Die Hunsrückerin hat daran aber ihre Zweifel: "Der schafft sich in die Weide rein, egal wie. Den hält auch kein Strom und kein Zaun ab." Die Schafhalterin rechnet daher jeden Tag damit, dass das Raubtier zurückkommt.
Hinweise zu Wolfssichtungen nimmt das Kluwo unter Telefon: 06306-911-199 oder E-Mail: kluwo@wald-rlp.de entgegen.