Forschung im Nationalpark

Warum Ranger im Hunsrück tote Tiere auslegen

Stand
Autor/in
Christian Altmayer
Foto von Christian Altmayer, Redakteur bei SWR Aktuell im Studio Trier

Wenn ein Reh überfahren wird, wird der Kadaver meist verbrannt. Dabei sind die Körper wertvoll für das Ökosystem, wie Forscher im Nationalpark Hunsrück-Hochwald zeigen wollen.

David Moore kniet sich neben das tote Reh und schaut sich den Körper genau an. Auf dem Kopf des Tieres wimmelt es vor weißen Maden, ein süßlicher Geruch liegt in der Luft. "Am Anfang fand ich das auch eklig", gesteht der Ranger. Doch inzwischen hat Moore die Scheu vor den Kadavern verloren.

Es ist immerhin schon das sechste tote Reh, das der 31-Jährige in der Nähe von Malborn im Nationalpark Hunsrück-Hochwald, ausgelegt hat. Der erste Körper wurde von Füchsen zerfressen, der zweite von Wildschweinen und am dritten hat sich sogar das Wappentier des Parks bedient: die Wildkatze.

David Moore begleitet das Forschungsprojekt im Nationalpark Hunsrück-Hochwald.
David Moore begleitet das Forschungsprojekt im Nationalpark Hunsrück-Hochwald.

All diese Tiere haben die Ranger mithilfe von Kameras, Insektenfallen und Bodenproben dokumentiert. "Bei diesem Forschungsprojekt zeigt sich, was für eine wertvolle Ressource so ein Kadaver für unsere Tierwelt ist", sagt Moore, für die Biodiversität, die ja zum Beispiel durch den Klimawandel in Gefahr ist.

David Moore begleitet das Forschungsprojekt im Nationalpark Hunsrück-Hochwald.
Mit Wildkameras wird erfasst, wer sich dem Kadaver nähert.

Viele Tiere brauchen Aas zum Überleben

Es sind die ersten Erkenntnisse einer Studie, die derzeit in allen 16 Nationalparks in Deutschland läuft. Die Idee stammt von Christian von Hoermann von der Universität Würzburg. Seit Jahren erforscht der Ökologe die Bedeutung von Kadavern, unter anderem im bayrischen Wald. Und er kommt dabei zu dem Schluss, "dass die toten Tiere viel lebendiger sind, als wir es eigentlich wissen."

David Moore begleitet das Forschungsprojekt im Nationalpark Hunsrück-Hochwald.
Tausende Tiere leben in und von Kadavern wie diesem, der in der Nähe von Malborn liegt.

Tausende Bakterien und Insekten leben in und von den Körpern. Und auch große Säugetiere und Greifvögel ernähren sich von Aas. Manche Arten brauchen die Kadaver sogar zum Überleben, zum Beispiel der Gänsegeier.

Gänsegeier landen in der Eifel

Die majestätischen Vögel gelten seit 100 Jahren in Deutschland als ausgestorben. Die Aufregung war entsprechend groß, als im Sommer 2021 Geier im nordrhein-westfälischen Nationalpark Eifel landeten. Sie hatten einen Rehkadaver ausgemacht, den die Ranger dort im Rahmen der Studie ausgelegt hatten.

Ein Gänsegeier wird von der Fotofalle des Nationalparks in der Eifel aufgenommen.
Dieser Gänsegeier ist im Nationalpark Eifel in die Fotofalle gegangen.

"Ein Erfolg", findet Christian von Hoermann, auch wenn die Geier, die in Frankreich und Spanien brüten, nach dem Festmahl wieder weiterzogen. Denn wenn die Kadaver künftig liegen blieben, könnten solche Arten dauerhaft nach Deutschland zurückkehren, glaubt der Wissenschaftler.

Wissenschaftler kritisiert "Aufräummentalität" im Wald

Derzeit ist der Umgang mit Tierkörpern ein anderer. Wenn ein Reh oder ein Wildschwein überfahren wird, bringen Fachleute die Kadaver in eine Tierkörperverbrennungsanlage - zum Beispiel nach Rivenich in der Eifel. Die wertvolle Ressource raucht dann dort durch den Schornstein.

David Moore begleitet das Forschungsprojekt im Nationalpark Hunsrück-Hochwald.
Überfahrene Rehe landen oft in der Tierkörperverbrennungsanlage in Rivenich in der Eifel.

"Das ist so eine Aufräummentalität, alles muss immer ordentlich aussehen", sagt Christian von Hoermann, doch die sei eben schädlich für das Ökosystem: "Es ist ganz wichtig, den Menschen wieder zu zeigen, dass der Tod zum Leben dazugehört."

Auch David Moore hat durch die Studie seine Berührungsängste verloren, sagt er. "Das Projekt hilft, die Ängste und den Ekel abzubauen. Letztlich ist jeder Kadaver genau wie auch Totholz ein Lebensraum." Die Körper in der Natur zu belassen, passe in die Philosophie eines Nationalparks, aus Kulturlandschaft wieder Wildnis zu machen.

Forscher will langfristig anderen Umgang mit Kadavern

Bis 2025 läuft die Studie noch in den deutschen Nationalparks. David Moore hofft, dass er durch die Studie etwas mehr über die Artenvielfalt im Hunsrück erfährt.

Christian von Hoermann plant schon, das Projekt auszuweiten und nach den Nationalparks zum Beispiel in die Biosphären-Reservate zu tragen: "Es wäre ja schade, wenn wir 2025 dann wieder weitermachen wie bisher."

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