"Wasser ist eine der wichtigsten Ressourcen der Erde. Wie eine Löwenmama ihr Baby beschützen wir im Nationalpark die Quelle, aus der wir unser reines Wasser entnehmen." Mit diesem Slogan wirbt das Unternehmen "Untouched National Park Water" am 16. Juni 2021 auf seiner Facebook-Seite.
Untouched inszeniert sich als Lifestyle-Marke
Die Firma hat ihren Sitz in Hamburg und inszeniert sich im Internet als nachhaltige Lifestyle-Marke. Auf der Webseite heißt es: "Wir wollen die Welt ein Stückchen besser machen, indem wir dir und unserem Planeten etwas Gutes tun. Mit unserem Handeln inspirieren wir Menschen die Schönheit der Natur wieder zu entdecken und kostbare Ressourcen unserer Erde zu schützen."
Doch Experten und Verbraucherorganisationen kritisieren das Geschäftsmodell der Hamburger Firma. Entnommen wird das beworbene Wasser nämlich aus einem der wichtigsten Naturschutzgebiete in Rheinland-Pfalz: dem Nationalpark Hunsrück-Hochwald.
Die Stiftung Warentest hat in einem Testbericht im vergangenen Jahr kritisiert: "In Zeiten von Klimawandel und Niederschlagsmangel kann es nicht nachhaltig sein, Tiefenwasser aus einem Nationalpark kommerziell zu vermarkten."
Doch warum kann ausgerechnet ein Unternehmen aus Hamburg das Wasser aus dem rheinland-pfälzischen Nationalpark nutzen, um damit ein vermeintlich nachhaltiges Produkt zu vertreiben?
Untouched in über 700 Märkten vertreten
Untouched verkauft laut eigener Webseite das erste Bio-Mineralwasser aus dem "Nationalpark im Hunsrück". Zu den Produkten gehören Mineralwasser, Sprudel und mittlerweile auch Bio-Saft-Schorlen und vegane Snack Balls.
Vertreten ist das Unternehmen mit seinem Sortiment laut dem Online-Magazin "About Drinks" in über 700 Märkten. Die Getränke werden demnach auch bei Flügen der Lufthansa angeboten.
Hochwald Sprudel ist Lohnabfüller für Untouched
Gegründet worden ist Untouched im Frühjahr 2021 nach Angaben des Hamburger Abendblatts von Alexander Schupp, einem der Geschäftsführer der Firma Hochwald Sprudel Schupp, die ihren Sitz in Schwollen (Kreis Birkenfeld) am Rande des Nationalparks hat.
In der Betriebsstätte von der Hochwald Sprudel wird das "Untouched" Nationalpark-Wasser auch abgefüllt. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben der Lohnabfüller von Untouched.
Warum Untouched Wasser aus dem Nationalpark nutzen kann
Untouched kann das Nationalparkwasser also nur deshalb vermarkten, weil die Hochwald Sprudel Schupp GmbH dort legal Wasser abpumpen darf. Eigentlich sind solche Wasserentnahmen in einem Nationalpark laut Staatsvertrag nicht vorgesehen.
Möglich sind sie hier dennoch, weil die Bohrungen von Hochwald Sprudel und einem weiteren Sprudelunternehmen kurz vor der Gründung des Nationalparks beantragt und genehmigt worden sind.
In der Folge wurden nach erfolgreichen Versuchsbohrungen sechs Brunnen gebaut. Weitere Probebohrungen waren im vergangenen Jahr geplant, nach starken Protesten vor Ort hatten die Sprudelbetriebe aber darauf verzichtet.
Aus den aktuell betriebenen Brunnen werden nach Angaben der Struktur und Genehmigungsbehörde (SGD Nord) jährlich Millionen Liter Wasser aus dem Nationalpark abgepumpt. Im kommenden März laufen die Genehmigungen jedoch aus. Die Sprudelbetriebe wollen die Genehmigungen verlängern. Laut SGD Nord werden die Anträge derzeit aufgestellt. Die Behörde ist für die Vergabe von Grundwasserrechten zuständig. Eine Verlängerung und damit weitere Entnahmen werden von der SGD Nord geprüft.
Für Untouched dürfte das nicht unwichtig sein. Da das Unternehmen Wasser aus dem Nationalpark vermarktet, könnte sein Geschäftsmodell auch davon abhängen, ob Hochwald Sprudel Schupp weiter Wasser aus dem Schutzgebiet fördern kann, um es dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen.
Experten kritisieren Wasserentnahme im Nationalpark
Dr. Julian Zemke, Hydrologe von der Universität Koblenz-Landau hatte bereits im letzten Jahr die Wasserentnahmen im Nationalpark Hunsrück-Hochwald kritisiert. "Es ist eine Trinkwasserentnahme, die konkurrierend zum Klimawandel hinzu kommt, der also die Grundwasserspeicher definitiv schrumpfen lassen wird", sagte Zemke.
Der Wissenschaftler sieht auch das Geschäftsmodell von Untouched kritisch: "Man wirbt auf der einem Seite mit einem Schutzgebiet, tut diesem Schutzgebiet auf der anderen Seite mit der Wasserentnahme aber eigentlich nichts Gutes", sagt Zemke.
Eva-Verena Müller, Waldökologin bei den Landesforsten Rheinland-Pfalz, sagt: "Bei der Entnahme geht es um Tiefbrunnen, die langfristig die Versorgungssicherheit gefährden könnten." Die Grundwasserspiegel würden nämlich auch in der Nationalpark-Region in den nächsten Jahrzehnten deutlich absinken.
Stiftung Warentest: "Entnahme widerspricht Grundgedanken eines Nationalparks"
Die Verbraucherorganisation "Stiftung Warentest" bemängelte die Vermarktung von Untouched in einem Testbericht im vergangenen Jahr: Auf dem Etikett sei das Wasser als "nachhaltig" beworben worden. Dabei könne die Vermarktung von Tiefenwasser nicht nachhaltig sein. Stiftung-Warentest-Redakteurin Sara Waldau schreibt dazu auf SWR-Anfrage: "Formal ist die Gewinnung legal, widerspricht aber dem Grundgedanken eines Nationalparks."
Außerdem stellt sich die Frage, wie das Wasser in die rund 700 Märkte transportiert wird. Beim Kauf von Wasser empfiehlt Stiftung Warentest: "Flaschenwasser aus nahen Quellen spart Emissionen durch kurze Transportwege. Wer Mineralwasser umweltbewusst kaufen möchte, sollte auf naheliegende Quellen achten."
Untouched lässt SWR-Anfrage unbeantwortet
Der SWR hat Untouched um eine Stellungnahme gebeten. Es ging dabei unter anderem um eine Reaktion auf die Kritik am Unternehmen, aber auch um die Frage, wie die vermeintlich nachhaltigen Produkte transportiert und in welchen Regionen in Deutschland sie vertrieben werden.
Außerdem wollte der SWR wissen, ob das Geschäftsmodell von Untouched davon abhängig ist, dass die Genehmigungen für die Wasserentnahmen aus dem Nationalpark verlängert werden. Untouched teilte dem SWR mit, dass das Unternehmen grundsätzlich keine Presseanfragen beantwortet. Falls sich Untouched oder die Hochwald Sprudel GmbH zu einer Antwort entschließen sollten, werden die Informationen in diesem Beitrag ergänzt.