Die Liebenstein-Gesellschaft steht unter Verdacht, wissenschaftlich bedeutende archäologische Funde rechtswidrig erworben und möglicherweise damit gehandelt zu haben. Das Innenministerium erklärte dem SWR: "Der GDKE liegen Hinweise auf potenziell rechtswidrige Verkäufe vor. Die GDKE fordert diese aktuell zurück."
Diese Aussagen erweitern die laufende Diskussion um Fälschungsvorwürfe gegen einen Landesarchäologen, der diese bestreitet. Die Aussagen werfen auch Fragen zum Umgang mit archäologischen Kulturgütern sowie zu möglichen Kontrolllücken innerhalb der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) auf. Diese hat seit 2021 eine neue Leiterin, Dr. Heike Otto. Sie muss diese Vorfälle nun aufarbeiten.
Wurde "Neandertaler" falsch datiert? Archäologie-Skandal: Archäologe weist Vorwürfe zurück
Der Landesarchäologe, der etwa 40 wichtige Funde falsch datiert haben soll, weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Damit widerspricht er der Darstellung des Ministeriums.
Vertrag mit Liebenstein-Gesellschaft inzwischen gekündigt
Die Liebenstein-Gesellschaft ist ein Verein, der sich unter anderem die Förderung der Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz auf die Fahnen geschrieben hat. Er wurde 2012 in Koblenz gegründet. Laut Homepage verfolgt die Liebenstein-Gesellschaft das Ziel, kulturelle und soziale Belange zu fördern.
Von 2014 bis 2021 bestand ein vom damaligen Generaldirektor der GDKE, Thomas Metz, unterschriebener Kooperationsvertrag zwischen der GDKE und der Liebenstein-Gesellschaft. Er umfasste Forschungs- und Restaurierungsprojekte. Laut Innenministerium wurde der Vertrag 2021 ausgesetzt und 2022 gekündigt. Zu den Gründen äußert sich das Ministerium nicht und betont, dass seither keine Zusammenarbeit mehr mit der Liebenstein-Gesellschaft bestehe.
Hat Landesarchäologie wichtige Aufgaben an den Verein abgegeben?
Der Verein aus Koblenz war bis zu diesem Zeitpunkt ein enger Partner der Generaldirektion kulturelles Erbe. Im Rahmen des 2014 geschlossenen Kooperationsvertrags mit der Behörde übernahm der Verein hoheitliche Aufgaben, wie die Annahme von Fundstücken und deren Bearbeitung. Bis zu diesem Zeitpunkt war die GDKE für diese Aufgaben allein zuständig.
Laut der Liebenstein-Gesellschaft sei es dem Verein der Vereinbarung zufolge "explizit" erlaubt gewesen, "den Ankauf von Kulturgütern und archäologisch-kunsthistorisch bedeutenden Objekten zum Zweck ihrer Erhaltung, Erforschung, Publikation und um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen bzw. an öffentliche oder gemeinnützige Einrichtungen weiterzugeben, die dies gewährleisten."
Umstrittene Kooperation zwischen Landesbehörde und Verein
Der genaue Inhalt des Kooperationsvertrages ist der Öffentlichkeit nicht bekannt. Nach Informationen des SWR soll die Liebenstein-Gesellschaft für ihre Dienstleistungen neben Zugang zu archäologischen Funden und damit verbundenen wissenschaftlichen Publikationen auch eine jährliche Aufwandsentschädigung von der Generaldirektion kulturelles Erbe in Höhe von 5.000 Euro erhalten haben.
Die Liebenstein-Gesellschaft weist den Vorwurf der GDKE, mit archäologischen Funden unrechtmäßig gehandelt zu haben, entschieden zurück und erklärt: "Ein ordnungsgemäßes, transparentes und über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehendes Vorgehen sei jederzeit gewährleistet."
Widersprüchliche Aussagen von GDKE und Verein
Weiter erklärt der Verein: Man habe in wenigen Einzelfällen Objekte nach behördlicher Freigabe und im Einvernehmen mit der GDKE erworben, um diese vor Abwanderung in den Handel zu bewahren und interessierten lokalen Museen zur Verfügung zu stellen. In anderen Fällen habe man Objekte als Schenkung erhalten.
Das Innenministerium stellt gegenüber dem SWR jedoch klar, dass die Generaldirektion kulturelles Erbe grundsätzlich keine Genehmigungen für den Ankauf durch Dritte erteile. Zudem sei weder eine Vermittlung noch eine Beteiligung von GDKE-Mitarbeitern an solchen Transaktionen durch deren Arbeitsauftrag gedeckt. Dieser Widerspruch wirft Fragen nach Transparenz und Rechtmäßigkeit auf.
Missstände bei GDKE: zu wenig Transparenz und Reformbedarf
Auch der Landesrechnungshof wies in seinen Berichten wiederholt auf Missstände in der GDKE hin. Bereits 2011 monierten die Prüfer "fehlende Transparenz und mangelhafte Dokumentation". Akten seien unübersichtlich geführt, Entscheidungen unzureichend dokumentiert und das "Vier-Augen-Prinzip" nicht sichergestellt worden. 2017 wurde festgestellt, dass Fundgegenstände im Wert von 244.000 Euro ohne schriftlichen Vertrag verliehen wurden. Die Rechenschaftsberichte sind im Internet veröffentlicht.
2022 übernahm die Archäologin Dr. Heike Otto die Leitung der GDKE. Unter ihrer Führung wurden Reformen angestoßen, darunter die Einführung einer bundesweit einheitlichen Software zur Dokumentation von Funden, die 2025 in Betrieb gehen soll. Auch der Umgang mit archäologischen Funden, die unter das "Schatzregal" fallen und automatisch in Landesbesitz übergehen, wurde überarbeitet. Heike Otto fällt nun auch die Aufgabe zu, neben den Fälschungsvorwürfen gegen den Landesarchäologen immer neue Fragen aufzuklären.