Die Diagnose ist eindeutig: Um die Kliniken in Deutschland ist es schlecht bestellt. Die Schuldenberge wachsen. Viele machen dicht oder stehen kurz vor der Insolvenz. Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, schreiben mindestens 90 Prozent der deutschen Kliniken rote Zahlen. Auch in Rheinland-Pfalz gebe es nur noch ganz vereinzelt Krankenhäuser, die ein positives Betriebsergebnis schafften.
Wermter: Gefahr von Insolvenzen in RLP steigt
Nach Einschätzung der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz steigt die Gefahr von Insolvenzen bei Kliniken. "Es gibt Personalengpässe und es gibt auch immer noch hohe Ausfallzeiten, insbesondere im Bereich der Pflegekräfte", sagte der Geschäftsführer der Gesellschaft, Andreas Wermter, im SWR-Interview.
Westpfalz-Klinikum braucht dringend Geld
Aktuelles Beispiel für die prekäre Situation der Krankenhäuser: Das Westpfalz-Klinikum mit seinen Standorten in Kaiserslautern, Kirchheimbolanden, Rockenhausen und Kusel. Ende vergangenen Jahres hatte der Geschäftsführer des Westpfalzklinikums ein künftiges jährliches Defizit von 25 Millionen Euro vorausgesagt. Jetzt hat die Stadt Kaiserslautern mitgeteilt, dass das Krankenhaus kurzfristig einen zweistelligen Millionenbetrag braucht.
Versorgung von Patienten droht sich zu verschlechtern
Patienten und Mitarbeiter, so heißt es aus Kaiserslautern, seien von den aktuellen Finanzproblemen nicht betroffen. Wirklich beruhigen kann diese Mitteilung allerdings nicht. In einer Befragung, die die Deutsche Krankenhausgesellschaft im Februar durchführen ließ, gingen mehr als die Hälfte der deutschen Allgemeinkrankenhäuser davon aus, dass sich die Versorgung der Patienten verschlechtern wird. So müssten sie im nächsten halben Jahr ihr Leistungsspektrum reduzieren, indem sie etwa Betten sperrten oder Stationen schließen würden. Gerade ist das im Krankenhaus Gerolstein geschehen, wo Anfang April die Innere Medizin geschlossen hat.
Sechs Klinik-Schließungen seit 2020
Seit 2020 haben in Rheinland-Pfalz sechs Krankenhäuser ganz zugemacht. Jüngstes Beispiel: Ende März schloss das St. Josefs-Krankenhaus in Adenau im Kreis Ahrweiler. Ende Juni soll nach dem Willen des Betreibers eine weitere Klinik folgen: die Paracelsus-Klinik in Bad Ems. Für die Menschen in den betroffenen Regionen bedeutet dies, dass sie künftig deutlich längere Wege in Kauf nehmen müssen, um in die nächste Klinik zu gelangen.
Es gibt mehrere Gründe dafür, dass so viele Krankenhäuser in Schieflage geraten sind: Zum einen macht ihnen die Inflation zu schaffen, zum anderen der akute Fachkräftemangel.
DKG rechnet mit Defizit von zehn Milliarden
Der DKG-Vorsitzende Gaß sagte dem SWR, ein Grund für die Finanzmisere sei das massive Auseinanderklaffen zwischen den Preisen, die die Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen abrechnen dürften, und der gestiegenen Inflation. Einerseits habe die Inflationsrate im vergangenen Jahr bei knapp zehn Prozent gelegen, andererseits hätten die Preise nur um 2,3 Prozent steigen dürfen.
Bis Ende des Jahres rechne die Deutsche Krankenhausgesellschaft mit einem aufgetürmten Defizit von zehn Milliarden Euro in deutschen Krankenhäusern, so Gaß. Er fordert von der Politik, es den Krankenhäusern zu ermöglichen, die Preise an die Inflationsentwicklung anzupassen. Das müsse schnell entschieden werden, damit sich die finanzielle Situation der Krankenhäuser nicht weiter rasant verschlechtere.
Fachkräftemangel großes Problem für die Kliniken
Auch an anderer Front haben die Kliniken mit Engpässen zu kämpfen: Es fehlt an Fachkräften, vor allem in der Pflege. An der Mainzer Universitätsmedizin bekommen das Patientinnen und Patienten deutlich zu spüren: Bei planbaren Operationen und stationären Aufnahmen kommt es aktuell zu verlängerten Wartezeiten.
Fachkräftemangel Zu wenig Pflegekräfte: Mainzer Unimedizin verschiebt planbare Eingriffe
Patientinnen und Patienten der Mainzer Universitätsmedizin müssen derzeit länger auf Termine bei planbaren Operationen warten. Die Klinik begründet dies damit, dass es zu wenig Pflegekräfte gebe.
Auch am Westpfalz-Klinikum gibt es Fachkräftemangel. Er hat nach Angaben eines Klinik-Sprechers dazu geführt, dass über längere Zeit Betten nicht belegt werden konnten und die Operationskapazitäten eingeschränkt werden mussten. Dies sei die Hauptursache für die finanziellen Schwierigkeiten des Klinikums, so der Sprecher. Weniger Behandlungen sind für die Krankenhäuser gleichbedeutend mit weniger Erlösen.
Ist die geplante Krankenhausreform die Lösung?
Die Probleme der Krankenhäuser sind nicht neu - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant deshalb eine große Krankenhausreform, die die Misstände möglichst beseitigen soll. In diesem Zuge wird darüber debattiert, ob sich der Fachkräftemangel mit Umstrukturierungen abmildern ließe. Der Vorstandsvorsitzende der Mainzer Universitätsmedizin, Norbert Pfeiffer, findet, dass wegen des Fachkräftemangels an einer Reform kein Weg vorbei führt. Man brauche weniger Krankenhäuser, aber diese müssten vor allem personell besser ausgestattet sein, so Pfeiffer.
Der DKG-Vorsitzende Gaß gab zu bedenken, dass die Krankenhäuser es sich nicht leisten könnten, zwei oder drei Jahre auf eine große Reform zu warten. Die Politik müsse kurzfristig handeln, denn die Kliniken hätten witschaftlich den Kopf nur noch knapp über Wasser.
Finanzielle Notsituation Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern braucht dringend Geld
Es sind mehrere Millionen Euro, die das Westpfalz-Klinikum benötigt. Wie aus Unterlagen der Stadt Kaiserslautern hervorgeht, bittet die Klinik um einen sofortigen Zuschuss.
Kommunen entscheiden über Zuschüsse für Westpfalz-Klinikum
Zurück zum Westpfalz-Klinikum: Hier wollen die Kommunen schnell über Finanzhilfen entscheiden. Der Stadtrat in Kaiserslautern tagt bereits am kommenden Montag - dann soll er den offiziell einsehbaren Sitzungsunterlagen zufolge ein Darlehen von neun Millionen Euro absegnen. Auch die anderen am Klinikum beteiligten Kommunen sind um Zuschüsse gebeten worden.
Dass kurzfristige Zuschüsse die Probleme der Krankenhäuser aber nicht dauerhaft lösen, weiß auch der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). Er sieht aber die Pflicht beim Bund: "Langfristig erwarten wir vom Bund eine auskömmlichere Finanzierung unserer Kliniken", so Hoch.