Zwischen Konjunkturflaute und Strukturwandel

Die Probleme der Wirtschaft in RLP - und welche Lösungen sie sieht

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Autor/in
Jutta Kaiser
Bild von Jutta Kaiser aus der SWR-Wirtschaftsredaktion.
Frederik Merx
Frederik Merx, Redaktion Landespolitik Rheinland-Pfalz
Axel John

Viele Unternehmen im Land stehen derzeit unter enormem Druck, von verschiedenen Seiten. So ist die Lage der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz.

Mangelnde Nachfrage durch die schwächelnde Konjunktur, Fachkräftemangel, Bürokratie, Standortkosten, Fragen der Energieversorgung und Investitionen in eine verbesserte Klimabilanz – die Liste der Herausforderungen, denen sich Unternehmen auch in Rheinland-Pfalz stellen müssen, ist lang.

Und alles kommt mehr oder weniger gleichzeitig zusammen. Darunter leiden viele Firmen im Land.

Großer Teil der Industrie setzt weniger Waren um

Die Industriebetriebe in Rheinland-Pfalz haben in den ersten acht Monaten des Jahres deutlich weniger Warenwerte umgesetzt als im Vorjahr - laut dem Statistischen Landesamt lag das Minus insgesamt bei 6,8 Prozent. Aber das ist nur der Durchschnittswert – in manchen Bereichen ist die Lage besser, in anderen aber noch deutlich angespannter.

Der Rückgang betrifft acht der zehn umsatzstärksten Branchen im Land. Am stärksten haben die Hersteller von Autos und Autoteilen eingebüßt: Sie erwirtschafteten 21 Prozent weniger Umsätze. Bei den Maschinenbauern lag das Minus bei elf und in der chemischen Industrie bei vier Prozent.

IHK-Umfrage: Deutsche Industrie verliert Anschluss

Die deutsche Industrie verliert den Anschluss, so lautete das Ergebnis der jüngsten Konjunktur-Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK), an der sich rund 25.000 Unternehmen beteiligt haben.

Es gibt aber auch Bereiche, in denen die Geschäfte gut gelaufen sind: Dazu zählen die Nahrungs- und Futtermittelindustrie und die Produktion von Gummi- und Kunststoffwaren. In beiden Bereichen haben Hersteller ihre Umsätze gesteigert.

Im verarbeitenden Gewerbe in Rheinland-Pfalz arbeiteten zuletzt im Durchschnitt etwa 263.000 Menschen. Die Zahl der Beschäftigten in der Industrie ist von Januar bis August aber um fast ein Prozent gesunken.

Das Stammwerk des Chemiekonzerns BASF vom Rhein aus gesehen.
Das Stammwerk des Chemiekonzerns BASF vom Rhein aus gesehen.

Zahl der Firmeninsolvenzen stark gestiegen

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben 431 Unternehmen einen Insolvenzantrag gestellt – fast ein Drittel mehr als im selben Zeitraum vor einem Jahr, sagen die Statistiker.

Auch die Forderungen der Gläubiger lagen deutlich höher. Sie lagen pro insolventem Unternehmen bei 1,6 Millionen Euro. In der kreisfreien Stadt Pirmasens war die Gefahr für ein Unternehmen, Pleite zu gehen, statistisch gesehen am größten.

Die meisten zahlungsunfähigen Unternehmen kamen landesweit aus der Baubranche. Das war auch im Vorjahreszeitraum schon so. Die Situation hat sich hier also kaum verschärft.

67 Prozent mehr Insolvenzen bei Autowerkstätten

Ganz anders sieht das bei Insolvenzen von Autowerkstätten aus: Hier waren es 67 Prozent mehr als vor einem Jahr. Und auch deutlich mehr freiberufliche Wissenschaftler mussten aufgeben: Fast doppelt so viele wie noch im ersten Halbjahr 2023.

Arbeiter decken ein Ziegeldach in der Pfalz neu ein.
Arbeiter decken ein Ziegeldach in der Pfalz neu ein.

Inventar insolventer Firmen wird versteigert – oft ins Ausland

Gerade mit kleinen und mittelgroßen Betrieben, die aufgeben mussten, kennt sich Jürgen Philippi aus: Er leitet ein Auktionshaus im Norden von Rheinland-Pfalz und versteigert die Ware insolventer Firmen. "Wir sind eine Art Seismograph der Krise bei kleinen und mittleren Betrieben", sagt er.

Aktuell versteigert er vor allem schwere Baumaschinen. Das große Angebot, so Philippi, zeige, wie es vielen Firmen derzeit gehe. Er habe in fast 30 Jahren keine vergleichbare Situation erlebt.

Der Zustand der Wirtschaft ist nicht nur bedenklich, sondern extrem erkrankt. Die wollen alle nicht mehr in Deutschland. Ein großes Elektrounternehmen hier aus der Region mit 150 Mitarbeitern verlagert den Hauptsitz jetzt nach Polen, weil sie dort mit offenen Armen empfangen werden.

Seine Kaufinteressenten kommen aus ganz Deutschland und dem nahen Ausland – jeder setzt auf ein Schnäppchen in schwierigen Zeiten.

Aber auch die Kundschaft hat sich verändert: Früher kamen Unternehmer, um für ihre Betriebe einzukaufen. Heute kommen laut Philippi wesentlich mehr Händler, die die Ware aufkaufen und danach ins Ausland verkaufen. Dort gebe es mehr Arbeit und Aufträge als in Deutschland. Die Zukunft des Mittelstandes sieht seiner Meinung nach hierzulande nicht gut aus.

Die Wirtschaft sieht sich in vielen Punkten belastet

Viele Unternehmen kämpfen im Alltag an ganz unterschiedlichen Fronten. Was alle gleichermaßen beklagen, ist das Thema Bürokratie. Martina Szautner vom Pumpen- und Armaturenhersteller KSB aus Frankenthal hält viele bestehende Regelungen für überholt. Aber statt sie abzuschaffen, kämen immer neue Vorgaben dazu. Sie schlägt vor, für jede neue Regelung zwei alte zu streichen.

Standortkosten sind ebenfalls ein Problem. Dazu zählen unter anderem hohe Sozialversicherungsbeiträge, die neben Beschäftigten auch die Unternehmen zahlen müssen – oft zur Hälfte.

Die Sozialversicherungsbeiträge sind ein wichtiger Faktor: Die steigen prognostiziert bis ins Jahr 2035 auf über 50 Prozent, sodass die Arbeitsfaktoren in Deutschland sich auch nochmal deutlich verteuern werden.

Hohe Kosten für Energie - und der Mangel an Fachkräften

Auch Energiekosten zählen zu den Standortkosten und hier sieht sich die Firma Holly-Holz aus Arzbach im Rhein-Lahn-Kreis benachteiligt. Die Energiewende sei notwendig, treffe in ihren Auswirkungen aber Deutschland extrem. Firmen verlören Marktanteile und Chancen auf dem Weltmarkt. Dafür müsse es irgendeine Kompensation geben.

Und nicht zuletzt das Thema Fachkräftemangel: Marc-Aurel Bischoff von General Dynamis European Land Systems in Kaiserslautern betont, wie wichtig es für sein Unternehmen sei, weiter Mitarbeitende zu finden und sie vor allen Dingen auch in den Orten ansiedeln zu können, wo General Dynamics Produktions- und Wartungsstandorte habe. Er beschreibt das als große Herausforderung.

Oft brauchen Unternehmen Fachkräfte in neuen Geschäftsbereichen oder bei Zukunftsthemen – in anderen Bereichen werden dagegen Stellen abgebaut. Auch der Chemiekonzern BASF ist hier ein Beispiel.

Das Unternehmen leidet unter der schwachen Konjunktur, will bis 2026 insgesamt 2,1 Milliarden Euro einsparen - den Großteil am Stammsitz Ludwigshafen. Produktionsanlagen wurden bereits geschlossen oder sind auf dem Prüfstand, neue Anlagen kommen dazu. Nicht immer passt aber die Qualifikation der bestehenden Mitarbeitenden zu den Bereichen, die neu aufgebaut werden.

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Probleme der Wirtschaft zeigen sich auch in Arbeitslosenzahlen

Dass Unternehmen sich umbauen müssen und teilweise aufgeben müssen, zeigt sich auch in den Arbeitsmarktdaten in Rheinland-Pfalz: Im Oktober waren 120.000 Menschen arbeitslos gemeldet – etwa ein Prozent weniger als im September. Die Arbeitslosenquote liegt unverändert bei 5,3 Prozent.

Die Zahl der Arbeitslosen ist zwar den zweiten Monat in Folge zurückgegangen – allerdings waren trotzdem mehr Frauen und Männer in Rheinland-Pfalz arbeitslos gemeldet als in einem Oktober der vergangenen Jahre. Es gab auch weniger gemeldete Stellen als um diese Zeit im Vorjahr

Gleichzeitig sind im Oktober aber auch weniger Anzeigen für Kurzarbeit eingegangen: Die Möglichkeit wurde für 1.500 Beschäftigte beantragt – im September hatte es noch Anzeigen für mehr als 9.000 Beschäftigte gegeben. Die tatsächlich umgesetzte Kurzarbeit steht allerdings erst drei Monate später fest.

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