Bei den Grünen war die Katerstimmung am Sonntagabend deutlich zu spüren. Mit 36,4 Prozent war der Kandidat der stärksten Stadtratsfraktion Christian Viering bei der Mainzer OB-Wahl abgeschlagen auf Platz zwei gelandet. Doch Viering zeigte sich als guter Verlierer und eilte noch am Abend zur Wahlparty des designierten neuen Mainzer Oberbürgermeisters Nino Haase und gratulierte.
Grüne wollen Haase Zeit geben
Am Montag zog die Mainzer Parteispitze von Bündnis90/Die Grünen nach und sprach ebenfalls ihre Glückwünsche aus. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sylvia Köbler-Gross sagte, man wolle Haase Zeit geben, die Verwaltung kennenzulernen und auch die Verwaltungsabläufe: "Da steckt viel Detailarbeit und vor allem auch Verwaltungsrecht dahinter. Und das dauert seine Zeit."
Die Mainzer Umweltdezernentin Janina Steinkrüger sagte, in der Zukunft werde sich dann zeigen, wie ernst es Haase mit den Versprechungen sei, die er im Wahlkampf gegeben habe. Schließlich müsse er im Stadtrat Mehrheiten für seine Ideen finden.
Aber: Anders als mit konstruktiver Zusammenarbeit gehe es in der Politik gar nicht. Immer nach einem Konsens suchen zu müssen sei keine Schwäche, sondern die große Stärke von Politik, so Steinkrüger.
Parteiloser gewinnt Stichwahl in Mainz Nino Haase wird neuer OB von Mainz
Die Stimmen zur OB-Wahl in Mainz sind ausgezählt. Laut vorläufigem Endergebnis hat der Parteilose Nino Haase klar gewonnen und wird neuer Mainzer Oberbürgermeister.
Glückwünsche auch von SPD an Haase
Die Mainzer SPD gibt sich ebenfalls sehr geschmeidig. Auch sie bietet "konstruktive Zusammenarbeit" an. Die Fraktionsvorsitzende Jana Schmöller sagte dem SWR, diese Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger werde natürlich anerkannt. Ihre Fraktion sei immer offen für neue Ideen: "Hauptsache ist, dass wir hier etwas bewegen wollen."
Neuer Mainzer OB sorgt für gemischte Gefühle
Es mache der SPD-Fraktion natürlich schon Sorgen, dass sie manche Themen nun nicht mehr zur Chefsache machen könnte, wie zuletzt den Wohnungsbau unter dem langjährigen SPD-Oberbürgermeister Michael Ebling. Fakt sei aber auch: Wichtige Weichen würden immer noch im Stadtrat getroffen.
Man sei nach wie vor mit Grünen und FDP in der Ampel-Koalition und diese Handschrift werde sich nicht verlieren. "Aber", sagt Schmöller: "Wir werden uns der konstruktiven Zusammenarbeit mit dem neuen OB nicht verschließen. Ich gehe ganz erwartungsfroh in die kommenden Wochen."
CDU: Mainzer Bürger wollten Veränderung
Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Mainzer Stadtrat, Ludwig Holle, sagte, die Wahl von Haase sei ein klares Signal, dass die Bürger Veränderung wollten. Darüber freue man sich natürlich als Oppositionspartei. Die CDU habe thematisch ähnliche Positionen wie Nino Haase. Deshalb freue sie sich darauf, ihn und seine Initiativen zu unterstützen, wenn sie zu den CDU-Positionen passten.
Holle sagte, er sei als CDU-Fraktionsvorsitzender mit dem Ziel angetreten, enger mit der Ampel zu kooperieren: "Jetzt kommt auch noch ein neuer OB dazu. Man muss abwarten, ob er mit der Ampel-Mehrheit arbeiten will oder auch die CDU mitnehmen will. Das würde dann eine größere Mehrheit bedeuten, was gut für die Stadt wäre."
FDP gespannt darauf, wie es politisch weitergeht
Auch die FDP in Mainz gratuliert Haase zu seinem Sieg. "Wer einen so hervorragenden Wahlkampf macht, hat auch verdient gewonnen", äußerte sich Fraktionsvorsitzender David Dietz auf SWR-Nachfrage. Schließlich brauche Haase als Oberbürgermeister für seine Anliegen auch eine politische Mehrheit.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende bezeichnet allerdings einige Punkte in Haases Wahlkampf als "krude und wolkig", die noch nicht ausgereift seien. Da das im Wahlkampf jedoch durchaus normal sei, wolle die FDP den "Spieß umdrehen" und dem neuen Oberbürgermeister Forderungen und Inhalte der Partei zusenden. Der neue OB sei dann dazu eingeladen, diese umzusetzen.
Auch Mainzer ÖDP gratuliert zum Wahlsieg
Der Fraktionsvorsitzende der ÖDP in Mainz, Claudius Moseler, gratuliert dem neuen Oberbürgermeister ebenfalls: "Wir freuen uns natürlich über die Wahl von Nino Haase. Wir haben ihn ja auch von Anfang an unterstützt und, dass er die OB-Wahl jetzt mit Bravour gewonnen hat, bestätigt uns, dass wir mit der Wahlempfehlung richtig gelegen haben."
Wie Moseler betont, ginge die eigentliche Arbeit jetzt aber erst los. Es gehe darum, dass Haase im Stadtrat mit seinem Charakter der Überparteilichkeit die Themen dort parteiübergreifend angehe und sie ergebnisoffen diskutiert würden.
Freie Wähler sehen in Haase eine Chance für die Stadt
Auch die Freien Wähler in Mainz haben zugesagt, Nino Haase unterstützen zu wollen. "Wir freuen uns und unterstützen ihn natürlich. Auch wenn er nicht in unserer Partei ist, freuen wir uns natürlich, wenn er uns etwas fragt", sagte Erwin Stufler, Stadtratsmitglied von den Freien Wählern. Allerdings geht er davon aus, dass die Stadtverwaltung ein "dickes Brett" ist.
Das Stadtratsmitglied sieht mit Haase aber auch die Chance auf einen Neuanfang. "In diesem Zeitenwechsel liegt auch etwas Gutes und wir glauben, dass die Stadt auch mit Nino Haase einen Weg finden wird", so Stufler auf SWR-Anfrage. Außerdem gehe seine Partei davon aus, dass die anderen Parteien Haase bei guten Argumenten auch unterstützten werden.
IHK: Wirtschaftsstandort Mainz muss Schwerpunkt bleiben
Auch aus der Wirtschaft gab es erste Reaktionen. Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der IHK für Rheinhessen, sagte: "Wir haben eine klare Erwartungshaltung, dass der Wirtschaftsstandort Mainz im Zentrum von Haases Arbeit bleiben wird. Vor allem die Förderung und der Ausbau des Biotechnologie-Standorts." Im Rathaus dürfe nicht nur darüber gesprochen werden, wie das Geld ausgegeben werden kann, sondern auch, wie das Unternehmen BioNTech hier am Standort gehalten werden kann.
"Es ist ein Neustart und wir müssen gucken, wie Haase als unabhängiger Kandidat seine Mehrheiten findet und bindet", so Jertz. Das sei das größte Problem. Haase müsse mit allen Gesprächen führen, vor allem mit der Ampel, wie er seine Projekte aufs Gleis bringen könne: "Das ist eine neue Situation, die aber auch ihren Reiz hat." Haase werde letztlich daran gemessen, was er im Wahlkampf thematisiert hat. Aber: Er müsse auch einen Stab von mehreren tausend Mitarbeitern hinter sich bringen. Man müsse ihm deshalb Zeit geben.