Porträt der ehemaligen Deutschen Weinkönigin

Gemobbt und ausgegrenzt: Angelina aus Weinsheim über ihr Leben als Sinti

Stand
Autor/in
Vanessa Siemers

Sie wurde gemobbt, diskriminiert und ausgegrenzt: Die ehemalige Deutsche Weinkönigin Angelina Kappler aus Weinsheim (Kreis Bad Kreuznach) ist Sintiza und hat die Vorurteile gegenüber Sinti hautnah mitbekommen. Auch heute noch kämpft sie dagegen an.

Wer Angelina Kappler das erste Mal trifft, würde nicht vermuten, dass hinter der heute so starken und herzlichen Frau eine Geschichte wie diese steckt. Eine Geschichte, in der die mittlerweile 28-Jährige als Kind gemobbt und ausgrenzt wurde. Der Grund dafür: Sie gehört zu den Sinti, einer Bevölkerungsgruppe, die viele Jahre verfolgt und ermordet wurde.

"Es war in der Schulzeit auf jeden Fall ein großes Thema, weil es eben dazu geführt hat, dass ich doch viele ausgrenzende Erfahrungen gemacht habe, Mobbing, Diskriminierung - und das hat mich natürlich in meinem Leben sehr geprägt."

Angelina hat ihre Herkunft lange verschwiegen

Von ihrer Mutter hat Angelina gelernt, dass es besser ist, wenn sie ihre Herkunft verschweigt. "Sie hat mir immer gesagt: Angelina, das ist ein Thema, worauf die Leute nicht immer gut reagieren, deswegen behalte es für dich, wenn es geht", berichtet die ehemalige Deutsche Weinkönigin. Dadurch hat sie sich als Kind oft ausgegrenzt gefühlt, erzählt sie.

"Für mich war das immer ein Gefühl von: Ich gehöre nicht dazu."

Vorurteile sind auch heute noch vorhanden

Als sie dann später in die Realschule wechselte, wurde es noch schlimmer. Von einigen Mitschülerinnen und Mitschülern wurde sie als Zigeuner beschimpft. Und auch Sprüche wie "Geh doch zurück in deinen Wohnwagen" musste sie sich anhören.

Auch heute, viele Jahre später, trifft die ehemalige Deutsche Weinkönigin immer noch auf Menschen, die plötzlich sehr irritiert wirken, wenn sie erzählt, dass sie Sintiza ist. "Viele haben dann so eine ganz instinktive Abneigung irgendwie, ich muss dann immer versuchen, mich zu erklären, zu rechtfertigen oder auch aufzuklären", so die 28-Jährige.

Angelina Kappler aus Weinsheim (Kreis Bad Kreuznach) erinnert sich an ihre Zeit, in der sie noch stärker mit Vorurteilen gegen Sinti und Roma konfrontiert wurde.
Angelina Kappler aus Weinsheim (Kreis Bad Kreuznach) erinnert sich an ihre Zeit, in der sie noch stärker mit Vorurteilen gegen Sinti und Roma konfrontiert wurde.

"Noch ein langer Weg zur Anerkennung"

Bis Sinti und auch Roma in Deutschland voll und ganz anerkannt sind, ist es noch ein weiter Weg, sagt Angelina. Die Vorurteile seien in den Köpfen von einigen Menschen nach wie vor fest verhaftet. Um das zu ändern, engagiert sie sich in ihrer Freizeit für das Thema. Denn viele, so ist sie sich sicher, wissen einfach zu wenig über die Geschichte der Sinti und Roma.

So hat sie zum Beispiel während der Corona-Pandemie zusammen mit anderen Ehrenamtlichen einen Studierendenverband für Sinti und Roma gegründet. Damit möchte sie zum Einen aufzeigen, dass auch Angehörige dieser Bevölkerungsgruppen akademische Laufbahnen einschlagen können. Zum Anderen, und das ist ihr noch viel wichtiger, will sie zeigen: "Wir sind auch Teil der Gesellschaft."

Auch viele positive Reaktionen

Heute, so Angelina, sei sie froh, dass sie als Teil der Sinti dabei helfen könne, über deren Geschichte aufzuklären. Auch in ihrer Amtszeit als Deutsche Weinkönigin hat sie viele Menschen getroffen und mit ihnen offen über das Thema gesprochen. "Ich war sehr glücklich, dass ich dadurch die Gelegenheit bekommen habe, auch öffentlich über das Thema zu reden. Dabei habe ich auch sehr viel positives Feedback bekommen", freut sich Angelina.

Durch ihr Engagement erhält sie auch immer wieder Einladungen. So ist sie beispielsweise zur Ausstellungseröffnung im Mainzer Landtag eingeladen, die sich mit der Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma beschäftigt: "Rassendiagnose: Zigeuner. Der Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um Anerkennung". Die Ausstellung ist der Auftakt von mehreren Themenwochen gegen Antiziganismus und zeigt die Geschichte von der Ausgrenzung und Entrechtung dieser Minderheit im Deutschen Reich bis zu ihrer systematischen Vernichtung durch die Nationalsozialisten im besetzten Europa.

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Jedes Jahr, am 2. August gedenken Sinti und Roma in Auschwitz ihrer ermordeten Angehörigen. Der Film zeichnet die wichtigsten Stationen einiger Leidenswege nach, fünf Überlebende berichten über ihr Schicksal: Hildegard Franz, deren Mann und drei Kinder in Auschwitz ermordet wurden; Mano und Hugo Höllenreiner, die gerade mal zehn Jahre alt waren, als sie deportiert wurden und die in Auschwitz erfahren mussten, welche Folgen die Experimente des Lagerarztes Josef Mengele hatten; Lily van Angeren, die als Lagerschreiberin die Namen aller Toten registrieren musste. Und Josef „Muscha“ Müller, der in einer Pflegefamilie aufwuchs und nicht ahnte, dass seine leiblichen Eltern Sinti waren. Er hat überlebt, weil seine Pflegeeltern ihn monatelang in einer Gartenlaube versteckt hielten und so dem Zugriff der Behörden entzogen.
Heute gedenken Sinti und Roma aus ganz Europa am 2. August aller ihrer ermordeten Angehörigen. Jedes Jahr kommen sie nach Auschwitz-Birkenau zu einer Totenfeier, und für viele der Überlebenden ist es bis heute schwer, an den Ort ihres Leidens zurückzukehren. Im Sommer 1944 wurde das „Zigeunerlager“ aufgelöst, die noch arbeitsfähigen Sinti und Roma in andere Lager weiterverschleppt. Alle verbliebenen Sinti und Roma wurden danach, in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944, ermordet. Es waren 2897 Männer, Frauen und Kinder.

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Vanessa Siemers