Lithium wird für Batterien gebraucht, in E-Autos, Smartphones und Laptops. Bislang ist Deutschland komplett auf Importe aus dem Ausland angewiesen. Aber seit einigen Jahren werden am Oberrheingraben in 4.000 Metern Tiefe im heißen Thermalwasser große Lithium-Vorkommen vermutet. In Landau in der Pfalz hat die deutsch-australische Firma Vulcan Energy, mit Sitz in Karlsruhe, die Genehmigung für eine sogenannte Demonstrationsanlage bekommen. Sie soll bis Sommer betriebsbereit sein. Das Unternehmen will Lithium fördern, gleichzeitig Strom erzeugen und Wärme gewinnen.
Lithium für Batterien und Heiz-Wärme ohne Öl oder Gas
Vulcan hat mehrere Standorte am Oberrhein im Blick, unter anderem auch in Geinsheim bei Neustadt an der Weinstraße, und plant derzeit den Start seiner kommerziellen Produktion von Lithium Ende 2025. "Wir gehen davon aus, dass wir zum Ende der Phase 2 jährlich mindestens 1,2 Millionen Autobatterien mit heimischen CO2-freiem Lithium versorgen können", teilte das Unternehmen auf SWR-Anfrage schriftlich mit. Und obendrein sollen Anwohner noch mit Wärme versorgt werden.
Die Idee: Der Strom, um das Lithium aus dem Tiefenwasser herauszufiltern, wird durch heißes Tiefenwasser erzeugt. Und da nicht die gesamte Wärme gebraucht wird, bleibt genug übrig, um Kommunen, wie Landau oder Neustadt an der Weinstraße mit Fernwärme zu versorgen. So die Pläne von Vulcan.
Zweifel an Lithium-Projekt am Oberrhein
Zweifel an den Plänen gibt es von verschiedenen Seiten. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hält es seiner Studie zufolge nicht für möglich, dass Vulcan am Oberrhein Lithium in diesen Mengen zutage fördern kann. Vulcan erwidert, die KIT-Studie fuße auf weniger effizienten Geothermieanlagen und veralteten Forschungsdaten.
Was die Fernwärme-Versorgung betrifft halten Bürgerinitiativen die Vulcan-Angaben für riskant und nicht wirtschaftlich. Ihrer Meinung nach will Vulcan damit nur den Kommunen die Lithiumförderung schmackhaft machen. Auch die Stadtspitze von Neustadt ist auf der Hut.
Vulcan macht keine Angaben zu Fernwärme
Neustadts Bürgermeister Stefan Ulrich (CDU), der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke ist, sagte dem SWR-Magazin "Zur Sache Rheinland-Pfalz", für ihn stehe ganz klar die Tiefengeothermie mit ihrer Chance für die Fernwärmeversorgung im Vordergrund und nicht die Lithiumgewinnung. Die Stadtspitze habe deshalb auch noch etliche Fragen an Vulcan geschickt. "Insbesondere die Frage, was Neustadt an Fernwärme bekommen könnte", sagt Ulrich. Denn ein Teil der Wärme braucht das Unternehmen zur Verstromung, um damit CO2-frei Lithium zu fördern.
Wie viel Restwärme für Neustadt übrig bliebe, dazu lägen der Stadt noch keine offiziellen Zahlen vor, sagt Ulrich. "Eine Zahl, die ich gehört habe, war, dass 40 Prozent der Wärme für die Verstromung zur Lithium-Gewinnung eingesetzt werden müsste. Somit stünden 60 Prozent noch für die Fernwärme zur Verfügung." Von einer Bürgerinitiative seien ihm aber auch ungünstigere Zahlen genannt worden, sagt Ulrich. Das müsse jetzt geklärt werden.
Das Unternehmen ist verärgert über die Ressentiments, die ihm in der Pfalz entgegenschlagen. Die Klimadaten, die Gletscherschmelze, die Fakten seien doch eindeutig, "dass der Weg hin zu einer CO2-freien Versorgung mit kritischen Rohstoffen und Energien elementar für uns als Gesellschaft und Wirtschaft ist", heißt es aus dem Konzern. Vulcan investiert nach eigenen Angaben insgesamt zwei Milliarden Euro in die Lithium-Gewinnung mittels Geothermie.
Ein Gespräch mit dem SWR lehnt Vulcan ab und schreibt: "Die meisten Stakeholder (Anmerk. der Red.: Interessengruppen, die direkt oder indirekt betroffen sind) in der Region sehen das genauso und sind auch sehr konstruktiv unterwegs. Es wäre schön, wenn Sie auch diese Stakeholder zu dem Thema befragen würden und nicht nur eine kleine Gruppe an Menschen, die prinzipiell gegen Geothermie ist."
Geothermie kann Erdbeben auslösen
Aber nicht nur in der Pfalz, sondern im gesamten Oberrheingebiet haben sich Initiativen besorgter Bürger gebildet. Sie halten Tiefengeothermie grundsätzlich für zu riskant und nicht zuverlässig. Und ihre Bedenken sind nicht unbegründet. Die Tiefenbohrungen des Geothermiekraftwerks Landau hatten Erdbeben ausgelöst und Risse in Häusern verursacht. Auch an anderen Tiefengeothermiestandorten, wie etwa Vendenheim nördlich von Straßburg, kam es 2019 zu Erdbeben. Betroffene berichten, dass bisher noch niemand für den Schaden aufgekommen sei.
Trinkwasser könnte vergiftet werden
Ein weitere Gefahr sehen die Gegner der Geothermie darin, dass Giftstoffe ins Trinkwasser gelangen könnten. Werner Müller, Vorsitzender des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen gegen Geothermie und der Bürgerinitiative Landau, sagte dem SWR: "Es ist nicht ausgeschlossen, dass Tiefenwasser in die Trinkwasserebenen gelangt. Dieses Tiefenwasser enthält viele Giftstoffe, wie etwa Blei, Quecksilber oder Arsen und ist extrem salzig. Bei Kontakt mit Tiefenwasser wäre unser Trinkwasser für immer verseucht.“
Die Stoffe könnten durch undichte Rohrleitungen oder durch eine Beben ins Trinkwasser gelangen, fürchten die Bürgerinitiativen. Ganz abwegig ist das anscheinend nicht: Zum Beispiel wurde in Landau nach Tiefbohrungen Arsen im Grundwasser gefunden. Und nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz liegt der Salzgehalt des Tiefenwassers in der Region bei bis zu 300 Gramm pro Liter Wasser.
Lithiumgewinnung braucht viel Frischwasser
Außerdem braucht die Geothermieanlage viel Frischwasser. "Für die Lithium-Extraktion wird laut KIT extrem viel Frischwasser gebraucht und das in einer Region, die sowieso im Sommer unter extremer Trockenheit leidet. Unseren Landwirten wird verboten, übermäßig Grundwasser zu entnehmen, aber für die Lithiumgewinnung soll es aber erlaubt sein. Das soll mir mal einer erklären", schimpft Müller.
Vulcan habe versichert, es werde einen Wasserkreislauf installieren, so dass Frischwasser im Prozess immer wieder verwendet werden könne, sagt Müller. Aber die Bürgerinitiativen haben ihr Vertrauen in Vulcan verloren.
"Was Vulcan sagt, das glauben wir nicht", sagt Müller. "Das Unternehmen hat schon so viel behauptet und dann wieder zurückgenommen. Die reagieren auf von uns aufgedeckte Widersprüche und weichen aus mit neuen Behauptungen. So versuchen sie die Bevölkerung zu beruhigen. Für ihre Behauptungen fehlen aber die Belege."