In Speyer musste sich am Mittwoch ein 39-Jähriger vor dem Amtsgericht verantworten, weil er seine eigene Frau vergewaltigt haben soll. Der 39-Jährige unterlag einem Kontaktverbot. Das heißt, er durfte sich seiner Frau eigentlich nicht mehr nähern, da er schon in der Vergangenheit wegen Gewalt an seiner Ehefrau aufgefallen war. Doch laut Anklage verstieß er mehrfach gegen das Gewaltschutzgesetz, verschaffte sich zuletzt Zugang zur Wohnung der Ehefrau und vergewaltigte sie. Am Ende des Verhandlungstages gab es beim Urteil eine relativ milde Strafe: eineinhalb Jahre Gefängnis, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Laut Gericht gab es zwei Gründe für die eher geringe Strafe: der 39-jährige hatte die Vergewaltigung gestanden und außerdem floßen die Verstöße gegen das gerichtlich verhängte Annäherungsverbot wegen Geringfügigkeit nicht ins Urteil mit ein.
So oder so: Es bleibt ein Fall von vielen.
Gewalt und Vergewaltigung: Beraterinnen in Landau kennen viele solcher Geschichten
Sophia Berlin berät in Landau Frauen, die wie diese Ehefrau zuhause massiver Gewalt ausgesetzt sind. "Die Frauen werden von ihren Partnern gewürgt bis zur Bewusstlosigkeit. Liegen sie blutend am Boden treten ihre gewalttätigen Partner noch mit Füßen nach", erzählt sie. Frauen würden mit Metall-Gegenständen geschlagen oder mit Messern angegriffen. "Viele erleben ein jahrelanges Martyrium, bis sie zu uns in die Beratungsstelle kommen", fasst die Beraterin das Schicksal der Betroffenen zusammen.
Zahl an Fällen von häuslicher Gewalt steigt jährlich
Im Juni hatten Bundesinnenministerin Faeser (SPD) und Bundesfamilienministerin Paus (Grüne) die Zahlen für das Jahr 2023 bei häuslicher Gewalt in Deutschland veröffentlicht: Bei den Taten gibt es einen Anstieg von 6,5 Prozent. Genau 256.276 Menschen in Deutschland wurden im vergangenen Jahr Opfer häuslicher Gewalt, davon sind 70 Prozent Frauen.
Weitere 78.341 Menschen wurden 2023 Opfer sogenannter innerfamiliärer Gewalt zwischen nahen Angehörigen. Dies sind 6,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Dunkelziffer liegt wohl weit höher.
Meist sind Frauen Opfer von häuslicher Gewalt
Dass die Fallzahlen von häuslicher Gewalt 2023 wieder angestiegen sind, wundert Sophia Berlin nicht. Die meisten Opfer von häuslicher Gewalt seien auch bei ihnen in der Beratungsstelle Frauen. "Sollte eine Frau zuschlagen, wehrt sie sich meistens gegen jahrelang ertragene Misshandlung", stellt Berlin klar.
Einzige Stelle in Rheinland-Pfalz die Täter, Opfer und Kinder betreut
Als einzige Stelle in Rheinland-Pfalz berät das Interventionszentrum gegen häusliche Gewalt in Landau auch betroffene Kinder und sogar die Täter. Oft werden auch ganze Familie betreut. Allerdings wird das mit jedem Familienmitglied einzeln gesprochen: mit der Mutter, dem Vater und mit den Kindern. Alle erhalten ein eigenes Angebot. Manchmal geht die Beraterin direkt zu den Familien nach Hause.
Frauen wird innerhalb von 24 Stunden geholfen
"Wir können innerhalb von 24 Stunden betroffenen Frauen einen Termin geben", erklärt Sophia Berlin. Der Anteil der Frauen mit Migrationshintergrund, die 2023 betreut wurden, lag bei 41 Prozent. Aber: "Gewalt im häuslichen Umfeld zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten und ist weniger eine Frage des kulturellen Backgrounds", sagt Berlin. Auch etwa 100 Kinder werden im Jahr betreut.
Diese Arbeit wird vom rheinland-pfälzischen Familienministerium finanziert, die Arbeit mit den Tätern vom Innenministerium. Für die Arbeit mit den Kindern gibt es von der Landesregierung kein Geld. Nur der Landkreis Germersheim gibt dafür Geld und so kann die Beratungsstelle auch nur betroffene Kinder aus dem Kreis betreuen.
Einmalig in Rheinland-Pfalz: die ganze Familie wird betreut - auch die Kinder
Dabei sei die Kinderarbeit auch eine wichtige Präventionsarbeit. "Meist haben Täter selbst Gewalt in ihrer Kindheit erfahren. Wir müssen den Kindern vermitteln, dass dies kein akzeptables Verhalten ist." In Schulen und Frauentreffs leisten die Beraterinnen Aufklärungsarbeit.
Good News Häusliche Gewalt: so sollen Frauen besser geschützt werden
Letztes Jahr gab es mehr Fälle von häuslicher Gewalt als noch 2022. Ein neues Programm soll Frauen helfen.
Täterarbeit ist die beste Präventionsarbeit
Am besten sei es, wenn Täter und Opfer gemeinsam in die Beratung kämen. "Wenn der gewalttätige Partner sich auch beraten lässt, sind Frauen eher bereit, Hilfe anzunehmen", sagt Berlin. "Täterarbeit ist die beste Präventionsarbeit." Doch nur wenige Täter kommen freiwillig in die Beratungsstelle.
Meist haben sie ein Anti-Gewalttraining als Auflage von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht bekommen, erklärt die Beraterin. Aber es seien viel zu wenige Stunden, die die Beratungsstelle dafür finanziert bekomme. Nur eine halbe Stelle hat das Interventionszentrum gegen häusliche Gewalt für die Gruppen- und Einzelstunden mit den Männern zur Verfügung.
Weniger körperliche Gewalt, dafür mehr psychischer Druck
Trotz der Beratung zeigen die Täter selten Einsicht oder Reue. "Wir wollen, dass sie aufhören, zuzuschlagen - das ist unser Hauptziel. Wie uns aber eine Studie der TU in Darmstadt gezeigt hat, nimmt dann die psychische Gewalt zu. Die Männer schlagen ihre Partnerinnen dann zwar nicht mehr, setzen sie dafür aber psychisch mehr unter Druck."
Täter, die kommen, weil das Jugendamt ihnen sonst den Umgang mit den eigenen Kindern verwehrt, ziehen das Anti-Aggressionstraining selten durch, stellt die Beraterin fest.
Alkohol und Drogen verstärken die Gewaltbereitschaft
Drogen und Alkohol gehören laut Sophia Berlin nicht zu den Auslösern für häusliche Gewalt. Sie sind vielmehr ein Verstärker: "Wenn jemand eh schon eine kurze Zündschnur hat, wird die unter Drogen- oder Alkoholeinfluss noch kürzer", so die Beraterin. Frauen hingegen flüchten mit Hilfe von Alkohol und Drogen aus ihrem grausamen Alltag. Die Beratungsstelle arbeitet daher auch mit der Drogenberatung zusammen.
Jedes Jahr muss das Interventionszentrum um Fördergelder kämpfen
Die Geschäftsführerin des Interventionszentrums Silke Thomas betont, diese wichtige Arbeit koste viel Geld. Die Weiterbildung eines Mitarbeiters für die Arbeit mit Tätern koste rund 10.000 Euro, außerdem sei ein Dienstwagen nötig, um zu den Familien nach Hause zu fahren. Generell bräuchte es für die Täterarbeit viel mehr Betreuungs- und Arbeitsstunden.
"Mit 20 Stunden die Woche, können sie wenig anfangen", betont Silke Thomas. "Und meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können auch nicht 20 Jahre lang das gleiche Geld verdienen. Die müssen ja auch mal eine Gehaltserhöhung kriegen, wie andere Menschen auch. Das verstehen die fördernden Stellen aber irgendwie nicht", bedauert die Geschäftsführerin. Jedes Jahr müsse sie erneut um die finanzielle Förderung kämpfen.
Das dringendste Problem: Es fehlen Frauenhausplätze
"Nehmen Sie die Arbeit gegen Stalking, was ein wichtiges Thema ist. Da gab es einmal eine Förderung von 5.000 Euro vom Bund und das war's." Von der Politik fordert sie, deutlich mehr Frauenhausplätze zu schaffen.
Was nützt die beste Beratung, wenn die Betroffenen am Ende des Tages nicht wüssten, wohin sie bei Gewalt in nahen Beziehungen gehen sollen, macht die Geschäftsführerin auf das dringendste Problem aufmerksam. "Und wir müssten viel mehr Power in die Aufklärungsarbeit stecken. Da gibt es so viel zu tun. Aber dafür fehlen uns einfach die Mittel", so Silke Thomas.
Viele Frauen mussten abgelehnt werden Häusliche Gewalt: Zu wenige Plätze im Frauenhaus Mainz
Im Jahr 2022 musste das Mainzer Frauenhaus 87 Frauen ablehnen. Denn es gibt nicht genug Plätze, um alle Frauen zu versorgen.
Forderung: mehr Geld und nach mehr Personal im Kampf gegen häusliche Gewalt
Daher werden wohl Politiker und Politikerinnen auch im kommenden Jahr wieder erschreckende Zahlen im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt verkünden. Denn offenbar ist weder bei der Landes- noch bei der Bundesregierung der feste Wille da, mit genügend finanziellen Mitteln und genügend Personal, das dringende Problem häusliche Gewalt wirksam anzugehen.