Nach außen hin galten sie als glückliches Paar. Doch in Wahrheit demütigte der Mann von Heike H. aus Speyer sie, wann immer er konnte. "Er wollte herrschen über mich", sagt sie heute.
Die Liebe zur Bretagne hat sie zusammengebracht
Sie lernen sich auf einem Dating-Portal im Internet kennen. "Es war in der Hexennacht", sagt Heike. Er schreibt unter anderem, dass er die Bretagne liebt, "genau wie ich". Sie treffen sich und sind schnell auf einer Wellenlänge. Beide wollen Kinder, eine Familie gründen. "Ich war zu dem Zeitpunkt 34 und dachte ja, also viel Zeit kann ich mir nicht mehr lassen, die biologische Uhr tickt."
Es gab erste Warnsignale
Als der Hochzeitstermin feststeht, ist Heike H. bereits im sechsten Monat schwanger. Sie plant das Hochzeitsessen mit einem Caterer. Was eigentlich nur eine Kleinigkeit ist, wird zum großen Drama: "Er war der Meinung, ich hätte vergessen, eine bestimmte Soße für seine Mutter zu bestellen. Da hat er mich rund gemacht und gedroht, die Hochzeit abzusagen."
Für die schwangere Frau war es schrecklich, sich vorzustellen, mit dem Kind alleine bleiben zu müssen. "Ich habe damals den Fehler gemacht, dass ich quasi den Kopf in den Sand gesteckt habe und gewartet habe, bis der Sturm vorüberzieht. Das war, glaube ich, der Anfang von meinem Martyrium."
Liebe, die nicht guttut Zehn Merkmale für eine toxische Beziehung
Manchmal geraten wir an Menschen, die uns definitiv nicht guttun. Woran Sie erkennen, ob Sie in einer solchen toxischen Beziehung leben, weiß Paartherapeut Christian Hemschemeier.
Noch auf dem Weg zum Traualtar droht er ihr, vielleicht doch nicht ja zu sagen. Als der Pfarrer ihn fragt, ob er sie heiraten will, "da hat er mich von oben bis unten kurz abgescannt und dann leicht verzögert "Ja" gesagt. Das hat keiner mitgekriegt, aber das war eine Message an mich."
Es gab am Anfang schöne Phasen und dann kam aber immer wieder der Absturz, sagt Heike H. Irgendwas habe ihrem Mann nicht gepasst, "dann hat er mich zusammengestaucht." Am Tag der Geburt ihrer Tochter sitzt ihr Mann bei ihr am Bett als das Telefon klingelt. Eine Freundin ruft an, um Heike zu gratulieren. Sie sprechen kurz miteinander. Sie legt auf. Er steht auf und sagt, wenn sie keine Zeit für ihn hätte, könne er ja genauso gut gehen. "Und er ist gegangen." Und kommt auch die ganze Woche nicht mehr wieder. Bringt ihr weder frische Wäsche ins Krankenhaus noch ist er bereit, sie mit dem Kind dort abzuholen.
"Ich hab im Bett gesessen und hab geheult. Und jeder hat mich bedauert, weil er gedacht hat, die Frau hat Schwangerschaftsdepressionen. Dabei habe ich geheult, weil ich so im Stich gelassen worden bin."
Erst als sich ihre Schwester einmischt, taucht ihr Mann wieder auf und tut so als wäre nichts gewesen. "Dann bin ich wieder "verwöhnt" worden, bis es mir dann, seiner Meinung nach, wieder zu wohl gegangen ist. Und dann hab ich wieder Saures gekriegt."
So geht es jahrelang. Mittlerweile haben die beiden zwei Kinder. Aber Heikes Mann lässt keine Gelegenheit aus, sie zu demütigen und ihr Selbsbewusstsein zu zerstören. Nie kann sie es ihm recht machen. Mal ist es im Haus zu unordentlich, mal ist der Garten verwahrlost und immer ist sie schuld, egal wie viel sie arbeitet. Mittlerweile hat er es auch geschafft, alle ihre Freunde zu vergraulen. Und auch zu ihren Schwestern hat sie keinen Kontakt mehr. "Er hat mich isoliert, ich war gefangen in der Beziehung, nur mit ihm, den Kindern und der Schwiegermutter. Mehr gab es für mich nicht mehr."
Depressionen bestimmen den Alltag
"Ich bin eigentlich ein hoffnungsfroher Mensch", sagt Heike H., "und ich habe lange gehofft, dass er sich ändert." Was er nicht tut. Stattdessen verändert sich Heike H. Sie zieht sich immer mehr in sich zurück, um nicht mehr so stark zu spüren, wenn er sie wieder seelisch verletzt. "Ich hatte gefühlstechnisch vollkommen abgeschaltet. Ich konnte nicht mehr fühlen. Ich konnte nicht mehr lachen. Ich konnte keinen Schmerz mehr empfinden. Ich habe richtig vegetiert."
Und dann kam die Wende
Heike ist seit zwölf Jahren mit dem Mann verheiratet, der systematisch versucht, sie zu zerstören. Da trifft sie eine schicksalhafte Entscheidung. Als für ein Pfadfinder-Zeltlager, an dem ihre Tochter und ihr Sohn teilnehmen, noch Helfer beim Kochen gesucht werden, meldet sich Heike. Ihr Mann lässt sie mitfahren. Dort im Pfadfinderlager verändert sich plötzlich etwas in Heike. "Ich habe zum ersten Mal wieder Leute um mich herum gehabt, die gesagt haben 'Du bist was, Du kannst was, Du bist ein toller Mensch.' Ich hab zum ersten Mal wieder Selbsbewusstsein getankt." Sie findet wieder Spaß am Leben.
Vor ihr lag noch ein langer Leidensweg
Es dauert dann aber noch drei Jahre, bis Heike H. von ihrem Mann geschieden wird. Dazwischen liegen Eifersuchtsszenen, ein langer Streit um Geld - und immer wieder der Versuch, sie zu demütigen. Zweimal droht er ihr sogar, sie umbringen zu lassen. Schließlich wird Heike H. schwer krank. Sie bekommt eine Hirnhaut- und Rückenmarksentzündung und ist kurz davor, zu sterben. Aber sie kämpft. Erst ums Überleben und dann darum, für sich und ihre Kinder eine Zukunft ohne ihren Peiniger aufzubauen. Acht Jahre sind seit der Scheidung vergangen. Heike H. hat inzwischen ihr Leben wieder fest im eigenen Griff.
Vortrag und Diskussion im Heinrich-Pesch-Haus
Die Katholische Akademie Rhein-Neckar lädt am 5. November, 18 Uhr, zu Vortrag und Diskussion zum Thema "Toxische Beziehungen. Erkennen - Vermeiden - Helfen" ins Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen ein. Aus organisatorischen Gründen bitten die Veranstalter um Anmeldung unter Tel. 0621 5999/175 oder E-Mail: anmeldung@hph.kirche.org oder über www.heinrich-pesch-haus.de.