49 Fälle sexualisierter Gewalt in der Pfalz

Evangelische Kirche: Pfälzer Kirchenpräsidentin fordert Konsequenzen

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Autor/in
Pascal Lasserre
SWR-Autor Pascal Lasserre

Die Pfälzer Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hat sich zur Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche geäußert. In der Studie geht es um 49 Fälle von sexualisierter Gewalt in der Pfalz.

"Wir können nicht mehr sagen, es geht um Einzelfälle. Wir können auch nicht mehr sagen: Das ist ein Problem, dass andere haben und wir können auch nicht mehr sagen, dass es ein Problem ist, das Geschichte ist", sagte die Präsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz Dorothee Wüst dem SWR.

Nach der Veröffentlichung der bundesweiten Zahlen zu Missbrauch in der Evangelischen Kirche am Donnerstag fordert Wüst konsequentes Handeln. Das Ergebnis der am Donnerstagmittag vorgestellten Studie: Die Zahl der Missbrauchsopfer in der evangelischen Kirche und Diakonie ist viel höher als bisher angenommen.

Laut der Studie sind seit 1946 in Deutschland nach einer Hochrechnung 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Die Zahl der Beschuldigten liegt danach bei 3.497. Rund ein Drittel der mutmaßlichen Täter seien Pfarrerinnen, Pfarrer oder Vikare. Bislang ging die evangelische Kirche von rund 900 Missbrauchsopfern aus.

Für Wüst ist auch klar, dass das Thema jetzt nicht abgeschlossen ist: "Das heißt, wir müssen uns nochmal ganz neu bewusst machen, dass wir an diesem zentralen Themas arbeiten müssen. Und dann natürlich auch Hilfestellung geben, wie man damit umgeht."

Wie steht es um die Missbrauchsfälle in der Evangelischen Kirche in der Pfalz?

Die Evangelische Kirche der Pfalz konnte insgesamt 49 Fälle sexualisierter Gewalt zusammentragen. Es gelten davon aber nur 22 als bestätigt. Das bedeutet, dort hat die Kirche entweder selbst Disziplinarmaßnahmen eingeleitet oder die Täter wurden vor Gericht verurteilt.

In der Pfalz waren Pfarrer, Kirchenmusiker und Erzieher die Täter

Zu den bestätigten Fällen in der Pfalz macht die Kirche weitere Angaben: Bei zwei Dritteln der Fälle handelte es sich demnach um Missbrauchsfälle: Vom erzwungenen Kuss über unsittliche Berührungen bis zu intimen Fotos von Opfern sei alles dabei. Unter den 22 bestätigten Fällen sei auch eine Vergewaltigung.

Auch zu den Tätern gibt es Informationen: Neun arbeiteten als pädagogische Kräfte für die Kirche, zum Beispiel als Erzieher. Sieben weitere waren nach Angaben Pfarrer. Einzelne Täter engagierten sich auch ehrenamtlich oder waren im Bereich der Kirchenmusik und als Kirchendiener tätig. Bis auf eine Ausnahme, eine Erzieherin, waren die Täter immer Männer.

Speyer

Appell von Pfälzer Kirchenpräsidentin Evangelische Kirche der Pfalz: Missbrauchsopfer sollen sich melden

Die Evangelische Kirche der Pfalz appelliert an Missbrauchsopfer, sich zu melden. "Die Menschen finden offene Ohren in der Kirche", betonte die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst.

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Missbrauch häufigster Fall in Studie

Unter den 22 bestätigten Fällen sexualisierter Gewalt sind fast alle auch strafrechtlich relevant, in drei Fällen laufen derzeit sogar noch die Ermittlungen. Es gibt aber auch Fälle, die gar keine Straftat sind.

Einmal habe zum Beispiel ein Pfarrer im Urlaub einen minderjährigen Jungen angesprochen, sagte ein Sprecher der Evangelischen Kirche der Pfalz. Der Pfarrer fragte den Jungen, ob er im nahegelegenen Wald ein Urlaubsfoto von ihm machen könnte.

Der Junge wollte dem Pfarrer nicht in den Wald folgen, die Eltern alarmierten anschließend die Polizei. Doch die Ermittlungen wurden eingestellt, so der Kirchensprecher. Nach einem Urlaubsfoto zu fragen sei kein Verstoß gegen Gesetze. Dennoch wertete die Studie diesen Vorgang als sexualisierte Gewalt.

Kritik an der Datenlage Studie: Tausende Opfer sexuellen Missbrauchs in evangelischer Kirche

Missbrauch in der evangelischen Kirche wurde bislang kaum beleuchtet. Eine am Donnerstag vorgestellte Studie ändert das. An dieser gibt es auch Kritik.

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Studie untersuchte nur 27 von 49 Fällen in der Pfalz

Hinter der am Donnerstag veröffentlichten Studie steht der Forschungsverband ForuM, an dem sich Wissenschaftler aus ganz Deutschland beteiligt haben. Darunter auch aus der Universität Heidelberg und dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim.

Die Wissenschaftler trugen Fälle von sexualisierter Gewalt bei evangelischen Kirchen und Diakonien in ganz Deutschland zusammen. Voraussetzung war, dass sich die Taten in der Zeit von 1947 bis Ende 2022 ereignet haben. Außerdem mussten die Opfer zur Tatzeit minderjährig sein. Bei der Evangelischen Kirche der Pfalz war die Hälfte der Opfer sogar unter 14 Jahre alt.

Nicht alle 49 Fälle, die der Evangelischen Kirche der Pfalz bekannt sind, fallen unter dieses Kriterium. Bei einigen Fällen waren die Opfer volljährig. Deshalb hat die Kirche nach eigenen Angaben nur 27 Fälle zur Untersuchung an den Forschungsverband weitergegeben.

Evangelische Kirche mit Kommission gegen sexualisierte Gewalt

2019 hatte die Evangelische Kirche der Pfalz eine "unabhängie Kommission" ins Leben gerufen, bei der sich Betroffene melden können. Unter den drei Mitgliedern ist ein Psychologe, eine Therapeutin und eine Juristin. Keiner ist bei der Evangelischen Kirche angestellt.

Die Kommission soll den Opfern einen geschützten Raum geben, über Erlebtes zu sprechen. Und sie soll auch eine finanzielle Entschädigung veranlassen, wenn ein Gerichtsprozess nicht mehr möglich ist. Das passiert, wenn die Straftaten etwa verjährt sind oder die Täter nicht mehr leben.

Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst.
Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst.

Kommission zahlte Entschädigungen an neun Opfer

Bisher hat die Kommission Entschädigungen von insgesamt 87.000 Euro an neun Opfer veranlasst.

Für die Evangelische Kirche der Pfalz ist die Kommission allerdings nur eine Zwischenlösung, sagte ein Sprecher. Künftig müssten staatliche Stellen die Aufklärungsarbeit übernehmen. Es wird erwartet, dass Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst noch am Donnerstag zu den Ergebnissen Stellung nimmt.

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