Eine Blutabnahme in der Praxis von Dr. Mark Sajthy in Mainz. Drei Ampullen für ein kleines Blutbild, die kleinen Röhrchen bekommen ihr Etikett und das Blut geht per Kurier ins Labor. Eine Routine, die für den Nierenfacharzt im vergangenen Jahr deutlich teurer geworden ist. Praktisch alle Zulieferer und Dienstleister haben ihre Preise deutlich erhöht, sagt Sajthty.
Labor, Medikamente, Geräte-Wartung - alles wird teurer
Der Facharzt zeigt einen Ordner mit entsprechenden Schreiben seiner Partner: Das Labor erhöht die Preise um 7,5 Prozent. Ein Medikamentenhersteller berechnet für seine Produkte je nach Inhaltsstoff 20 bis 110 Prozent mehr. Eine Wartung des Ultraschall-Geräts wird 6,2 Prozent teurer - und die Praxismiete steigt um 21 Prozent. Sajthy rechnet vor: "Im Schnitt sind für uns die Kosten einer Behandlung um mindestens zehn Prozent gestiegen." Im gleichen Zeitraum sei das Einkommen nur um zwei Prozent erhöht worden.
Bundesvereinigung spricht von "Kaputtsparen"
Das Beispiel aus Mainz - kein Einzelfall, heißt es von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Beim heutigen Krisentreffen in Berlin werde es daher vor allem um die Forderung nach mehr Geld gehen, meint ein KBV-Sprecher. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und sein Ministerium hätten den Ärzten viel versprochen, diese Versprechen aber nicht eingehalten, so der Vorwurf. Gerade für jüngere Medizinerinnen und Mediziner werde die eigene Praxis immer unattraktiver. Der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen warnt deswegen vor einem Kollaps des ambulanten Systems.
Gesundheitsministerium relativiert die Zahlen
Das Gesundheitsministerium wehrt sich gegen den Vorwurf des "Kaputtsparens" und rechnet seinerseits vor: In den vergangenen zehn Jahren seien die Ausgaben für die ambulante ärztliche Versorgung enorm gestiegen. 2013 hätten die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) rund 32 Milliarden Euro gezahlt, im Jahr 2022 seien es etwa 46 Milliarden gewesen – ein Anstieg von 44 Prozent. Arztpraxen lassen sich aus Sicht des Ministeriums weiterhin auch in der Zukunft wirtschaftlich betreiben. Dies gelte vor allem auch im Hinblick auf die zuletzt deutlich gestiegenen Betriebskosten der Praxen.
Spitzenverein sieht kaum finanziellen Spielraum
Geldgeber für die niedergelassenen Ärzte ist zum überwiegenden Teil die GKV. Jedes Jahr werden die Ausgaben für die ambulante Versorgung neu verhandelt und gegebenenfalls erhöht. Im vergangenen Jahr wurde eine Erhöhung von zwei Prozent mit einem Schiedsspruch durchgesetzt, da sich GKV und KBV nicht einigen konnten. Auch in diesem Jahr bietet der GKV-Spitzenverband eine ähnliche Erhöhung an. "Dieses Jahr ist eine Steigerung von 2,1 Prozent aus unserer Sicht angemessen", erklärt ein Sprecher des Spitzenverbandes. "Daraus ergeben sich Mehrkosten von etwa einer Milliarde Euro, die aus den Beiträgen der gesetzlich Versicherten gezahlt werden müssten." Man dürfe nicht vergessen, dass auch die Beitragszahlenden unter den Belastungen der Inflation litten.
Verhandlungstaktik statt Kollaps
Wolfgang Greiner ist Gesundheitsökonom und Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bielefeld. Auch er bewertet die letzte Erhöhung von zwei Prozent als eher gering im Hinblick auf die steigenden Betriebskosten. Mit Hinblick auf Begriffen wie "Kollaps" oder "Kaputtsparen" weist er aber auf die aktuellen Verhandlungen zwischen GKV und KBV hin. Diese seien im Prinzip so etwas wie Tarifverhandlungen, bewertet Greiner. "Da wird es schon mal laut und sehr demonstrativ, das ist bei den Ärzten und den Krankenkassen im Grunde nicht anders als bei der IG Metall und den Arbeitgeberverbänden, nur die Mittel sind andere." Er rechne für das kommende Jahr mit einer deutlicheren Erhöhung als die aktuell angebotenen 2,1 Prozent.
Frust - und keine Lösung in Sicht
Nierenspezialist Sajthy aus Mainz spricht immer wieder von Frust. Weiter müsse es aber trotzdem gehen. Eine echte Lösung habe er für die Probleme nicht. "Denn wenn alles umgesetzt würde, was wir für unsere Arbeit als angemessen sehen würden, dann würde das System vermutlich zusammenbrechen." Andererseits könnten unzufriedene Ärztinnen, Ärzte und Praxispersonal nicht im Interesse der Gesellschaft sein.