Senioren kommen häufig mit rein digitalen Angeboten nicht gut zurecht.

Bahncard oder Arzttermine oft nur online möglich

Digitalisierung: Westerwälder Senioren fühlen sich oft ausgegrenzt

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Bustickets oder Kinokarten - immer öfter kann man sie nur online kaufen. So wie jetzt auch die Bahn-Card. Senioren in Montabaur fühlen sich von der Digitalisierung immer öfter abgehängt.

Die Deutsche Bahn ist ein aktuelles Beispiel für die zunehmende Digitalisierung im Alltag. Künftig bietet sie ihre Rabattkarten nicht mehr aus Plastik an. Stattdessen sollen Kundinnen und Kunden die Bahncard auf ihrem Handy speichern. Lediglich für das Bahncard-Abo 100 bleibt die Plastikkarte erhalten.

Man kommt ja fast ohne digitale Medien gar nicht mehr aus.

Westerwälder Senioren haben viele Probleme mit der Digitalisierung

Im Westerwald regen sich ältere Menschen über solche Entwicklungen auf. "Man kommt ja fast ohne digitale Medien gar nicht mehr aus." Bei einer Diskussion in Montabaur äußerten Teilnehmer den Vorwurf, dass der Zwang zur Digitalisierung viele ältere und ärmere Menschen ausschließe und diskriminierend wirke. Immer mehr Ärzte setzten mittlerweile auf digitale Anmeldungen, was einige als problematisch empfinden. Eine Teilnehmerin brachte es auf den Punkt: “Diese moderne Technik überfordert mich, und ich möchte nicht ständig nachfragen müssen.”

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Die Teilnehmer der Veranstaltung in Montabaur waren meist weit über 60 und leben auf dem Land im Westerwald. Dort gibt es gerade in kleineren Ortschaften oft kaum noch Geschäfte. Jüngere Generationen können das ganz gut mit Online-Shopping ausgleichen. Viele Ältere kommen damit aber nicht zurecht und sagten, sie fühlten sich durch die zunehmende Digitalisierung an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

Kritik an der der neuen Bahn-Card-Regelung von großen Sozialverbänden

Auch große Sozialverbände in Deutschland kritisieren die neue Regelung der Bahncard. Michael Stiefel, Leiter des Projekts “Beteiligung von Menschen mit Armutserfahrung” bei der Diakonie Deutschland, bemängelt, dass die Deutsche Bahn ökologische Ziele verfolgt, aber die sozialen Folgen nicht ausreichend berücksichtigt.

Für von Armut betroffene Menschen stellen digitale Angebote oft Hürden dar. Nicht jeder besitzt digitale Endgeräte oder ist mit digitalen Anwendungen vertraut. Die Verbraucherzentrale äußerte ähnliche Bedenken und betonte, dass die Bahn damit Kundinnen und Kunden ohne digitalen Zugang von Tarifvorteilen ausschließt.

Die Bahn weist die Kritik zurück und betont, dass die Bahncard weiterhin als Papierausdruck erhältlich ist. Allerdings benötigen alle Bahncard-Kunden ein digitales Kundenkonto.

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Computer, Laptop, Smartphone und Tablet – wer mit diesen Geräten nicht vertraut ist, ist schnell ausgeschlossen. Das gilt auch und vor allem für viele alte Menschen. 

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Ehrenamtliche helfen beim Umgang mit Handy und Laptop

Doch das Problem geht weit über die Bahn und die Bahncard hinaus, so die Verbände. Denn die Digitalisierung betrifft inzwischen immer mehr Lebensbereiche: Auch Kinokarten oder den Eintritt ins Museum könne man immer öfter nur noch online buchen, kritisieren die Senioren in Montabaur. Wer damit nicht klar käme, müsse zu Hause bleiben.

Man braucht jemanden, der einem jeden Schritt eins zu eins erklärt, und dass nicht nur einmal, sondern immer wieder.

Digitalbotschafter: Unterstützung bei technischen Fragen

Hildegart Jöris will das ändern. Sie macht den Teilnehmern der Diskussionsveranstaltung in Montabaur Mut, sich auf die neue Technik einzulassen. Als ehrenamtliche Digitalbotschafterin hilft sie Menschen im Westerwald, die sich von der Digitalisierung überfordert fühlen.

Der persönliche Kontakt sei dabei ganz wichtig, weiß Jöris: Man brauche jemanden, der einem jeden Schritt eins zu eins erkläre und dass nicht nur einmal, sondern immer wieder. Kinder und Enkel würden zwar auch gerne helfen, sie machten es aber oft zu schnell. Oft ginge es bei der Hilfe um grundlegende Themen, wie beispielsweise die Überweisung von Geld von zuhause aus, besonders wenn es keine Bankfiliale im Dorf gibt.

Forderung nach analoger Zugänglichkeit

Uli Schmidt, der sich ehrenamtlich beim Senioren- und Behindertenbeirat Westerwald engagiert, spricht sich für das Recht auf analoge Behördengänge und Dienstleistungen aus. Er betont, dass Menschen die Wahl haben sollten, sich gegen Computer oder Handys zu entscheiden und dennoch im Alltag zurechtzukommen. Die Möglichkeit, Dinge analog zu erledigen, sollte weiterhin bestehen. Viele Teilnehmer der Veranstaltung in Montabaur teilen diese Ansicht.

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