Im Gespräch mit SWR Aktuell zeigte sich Patricia Seelig auch am Montag noch sichtlich angeekelt von dem Vorfall am Samstag in Essen. Sie sei dort hingefahren, um mit anderen zusammen friedlich gegen den AfD-Bundesparteitag zu demonstrieren. Doch was sich dort dann ereignet habe, sei "in keiner Weise absehbar gewesen", so die stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos) aus dem rheinhessischen Osthofen:
In unmittelbarer Folge habe sie Anzeige erstattet, so Seelig. Sie hoffe nun, dass der Übergriff auch eine strafrechtliche Konsquenz habe. Der Beschuldigte ist Stefan Hrdy, AfD-Delegierter aus Nordrhein-Westfalen. Für Seelig steht eigenen Angaben zufolge fest, dass die Aktion mit Absicht erfolgt ist.
In Folge des Übergriffs und der Berichterstattung über den Vorfall, bekomme sie per Mail oder über Social Media viele beleidigende Nachrichten, mit teils auch sexistisch übergriffigen Inhalten, so Seelig.
AfD-Politiker Hrdy bestätigt, einen Demonstranten gebissen zu haben
Der AfD-Delegierte Hrdy soll auch noch eine zweite Frau bespuckt haben. Einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge, handelte es sich dabei um die Landesvorsitzende der Jusos in Nordrhein-Westfalen, Nina Gaedike. Und bei einem weiteren Zwischenfall mit Demonstranten biss Hrdy einem der Protestierenden ins Bein, wie er der Deutschen Presse Agentur und der "Bild"-Zeitung berichtete. Er habe aus Notwehr gehandelt, so der AfD-Politiker.
Die SPD in Rheinland-Pfalz reagierte am Montag mit Unverständnis und scharfer Kritik sowohl auf Hrdys Verhalten, als auch auf die teils gewalttätigen Auseinandersetzungen rund um den AfD-Bundesparteitag in Essen. Landes-Generalsekretär Marc Ruland teilte dem SWR auf Anfrage mit: "Für die SPD Rheinland-Pfalz ist vollkommen klar, dass Gewalt, egal in welcher Form, nicht zum politischen Diskurs gehört. Solche Taten verurteilen wir aufs Schärfste. Unsere Demokratie lebt von einer gewaltfreien, friedlichen und auf Sachargumente bezogenen Debatte."
SPD in RLP: Verhalten von Hrdy "ist Ausdruck einer verabscheuenswürdigen, verrohten antidemokratischen Haltung"
Zum AfD-Delegierten Hrdy hieß es von Ruland: "Sollten sich die Vorfälle rund um den AfD-Abgeordneten Hrdy vom Wochenende in Essen so darstellen, wie aktuell in der Breite berichtet, dann ist das Verhalten des AfD-Politikers Hrdy zu brandmarken, denn es ist Ausdruck einer verabscheuenswürdigen, verrohten antidemokratischen Haltung. Das alles zeigt, um was es der AfD in Wahrheit geht: Die Verächtlichmachung von Demokraten und der ganzen Demokratie."
Die AfD in Rheinland-Pfalz äußerte sich am Dienstag nach dem Vorfall durch ihren Fraktionsvorsitzenden Jan Bollinger. Auf SWR-Anfrage ließ Bollinger mitteilen: "Die genauen Umstände des konkreten Zwischenfalls sind hier nicht bekannt und werden sicher behördlich ermittelt werden, da Herr Hrdy sich in der geschilderten Gesamtsituation nach eigenem Bekunden bedroht fühlte, Selbstverteidigung für sich in Anspruch nimmt und selbst Anzeige erstatten möchte."
Kritik am politischen Nachwuchs der Grünen und der SPD durch RLP-AfD
Mit Blick auf die Blockaden rund um den Parteitag kritisiert Bollinger den politischen Nachwuchs der Grünen und der SPD: "Wie die Grüne Jugend wollten auch die Jusos nach eigenem Bekunden den Bundesparteitag der AfD in Essen durch Blockaden verhindern, was undemokratisch und nach Auffassung von Rechtsexperten verfassungsfeindlich ist. Sie haben Schulter an Schulter mit Extremisten gestanden, die AfD-Delegierte, Polizisten und Journalisten unter anderem als "Mörder und Faschisten“ beleidigt, bedroht und körperlich angegriffen haben, wenn sie nicht gar selbst mit dabei waren." Viele Polizeibeamte seien verletzt worden, so der Fraktionsvorsitzende der AfD im rheinland-pfälzischen Landtag weiter. Linksextreme hätten auch den AfD-Landtagsabgeordneten Ralf Schönborn körperlich angegriffen.
Es zeige "die moralische Verkommenheit und Schamlosigkeit der rheinland-pfälzischen SPD, dass sie sich in keiner Weise von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen ihrer Jusos distanziert", so Bollinger.
In Essen hatten am vergangenen Wochenende mehrere zehntausend Menschen gegen die AfD und ihren Bundesparteitag in der Stadt demonstriert - laut Polizei zumeist friedlich, teils aber auch gewalttätig. Schon am Freitag und Samstag berichteten Einsatzkräfte, Gruppen von teilweise mehreren hundert Menschen versuchten immer wieder, Delegierte an der Teilnahme am Parteitag zu hindern oder Sperrstellen zu durchbrechen. Beamte müssten Schlagstöcke und Reizgas einsetzen.
Die Protest-Organisatoren ihrerseits sprachen davon, dass Demonstrierende an den Haaren gezogen geworden seien. Einige hätten auch Pfefferspray ins Gesicht gesprüht bekommen. Eine Zahl der Verletzten auf Seiten der Demonstranten liegt nicht vor. Die Polizei spricht von 28 verletzten Beamten, unter anderem durch Schläge und Tritte von Demonstranten. Ein Polizist soll beim Einsatz in Essen schwer verletzt worden sein.