Seltenes Bild vor Kurzem in Koblenz bei einem Bürgerdialog mit Bundesminister Hubertus Heil (SPD): Neben der Bühne steht eine Frau und übersetzt das Gesprochene live in Gebärdensprache. Gekleidet ist sie ganz in schwarz. Aus gutem Grund, wie Flavia Bianco erzählt: "Unsere Arbeitskleidung muss zwingend schwarz sein - damit die Hände besser sichtbar sind."
Nur 23 Gebärdensprachdolmetscher in ganz RLP
Dass Gebärdensprachdolmetscher bei politischen Veranstaltungen dabei sind, kommt auf regionaler Ebene nur selten vor. Ein Grund: es gibt kaum welche. In Rheinland-Pfalz gibt es laut der Landesdolmetscherzentrale in Frankenthal nur 23 qualifizierte Gebärdensprachdolmetscher - und rund 2.300 gehörlose Menschen. An diesen Zahlen hat sich in den letzten Jahren kaum etwas geändert.
Dabei wäre das so wichtig für die politische Teilhabe der Gehörlosen. Eva-Maria Huffer, die bei den Fachdiensten für Hörgeschädigte in Neuwied arbeitet, erklärt: "Wenn kein Dolmetscher vor Ort ist, gehen gehörlose Menschen einfach nicht hin." So blieben ihnen politische Informationen verschlossen, die ihnen eigentlich zustehen. Denn die barrierefreie Teilhabe ist im Bundesteilhabegesetz gesetzlich verankert - trotzdem scheitert es laut Huffer oft an der Umsetzung.
Keine Dolmetscher für Hörgeschädigte bei Ratssitzungen in Koblenz
Die Stadt Koblenz lässt auf SWR-Anfrage wissen, dass bei Ratssitzungen oder ähnlichen Veranstaltungen bisher keine Gebärdensprachdolmetscher zum Einsatz kamen. Es habe aber auch noch keine Anfragen dazu gegeben. Aus Neuwied heißt es, dass man das Thema auf dem Schirm habe. Demnach werde eine Zusammenarbeit mit der Landesschule für Gehörlose und Schwerhörige geprüft.
Politisches Dolmetschen ist eine Herausforderung
Flavia Bianco ist nach eigenen Angaben eine der wenigen Gebärdensprachdolmetscherinnen in der Region Koblenz, die bei politischen Veranstaltungen zum Einsatz kommen. Die Verantwortung beim Dolmetschen sei enorm, insbesondere bei komplexen politischen Themen. Sie erklärt, welche Herausforderungen ihr dabei begegnen: "Manchmal kann das Problem sein, zu verstehen, was derjenige eigentlich gerade sagen will."
Das könne im politischen Kontext schonmal vorkommen. "Die Sprache an sich ist sehr kompliziert. Ich brauche zum Dolmetschen aber am allerbesten eine konkrete Aussage". Sie braucht also prägnante Sätze, denn beim Dolmetschen wird in Sinnabschnitten übersetzt. Politische Reden seien aber oft verschachtelt.
Zu wenig Nachwuchs bei Gebärdendolmetschern
Das ist aber nicht das einzige Problem: Es gibt viel zu wenige Dolmetschende. Sarah Nester studiert in Heidelberg Gebärdensprachdolmetschen und arbeitet zurzeit als Dolmetscherin in Koblenz. Sie will daran etwas ändern. Sie hofft, dass in Zukunft mehr Nachwuchs die Dolmetscher-Ränge befüllen wird. Dolmetschende seien dafür da, Zugänge zu ermöglichen für gehörlose Menschen und Informationen an sie weiterzutragen. Deshalb müssten eigentlich alle Bereiche des Alltags mit Dolmetschenden abgedeckt sein, glaubt sie.
Nester will ein Teil der Lösung dieses Problems sein und Gebärdensprache sichtbarer machen: "Ich finde dadurch, dass ich als Dolmetscherin ja in der Hörenden-Welt unterwegs bin, kann ich zumindest meinen Teil dazu beitragen, um die Welten füreinander zu öffnen". Das sei wichtig, denn viele Gehörlose brauchen Dolmetscher nicht nur bei Veranstaltungen, sondern auch im Alltag.