Andreas Wehlen steht am frühen Morgen im Eingangsbereich der Grundschule Niederdürenbach und begrüßt die eintreffenden Kinder. Ein Großteil kommt mit den Schulbussen - aber nicht alle. Die Zwillinge Bálint und Balázs schieben ihre Fahrräder das letzte Stück des Berges hoch und grüßen den Lehrer.
Bis vor Kurzem wurden die beiden Zehnjährigen noch von ihrer Mutter zur Schule gefahren. Sie wohnen etwa drei Kilometer weit weg, mit dem Rad brauchen sie zehn Minuten bis zur Schule, erzählen sie im Gespräch mit dem SWR. Sie genießen die Fahrt: "Es ist schön, an der frischen Luft zu sein. Man sieht mehr von der Natur", sagen die beiden.
Bewegungsmangel und Elterntaxis als Probleme
Aufs Fahrrad umgestiegen sind die Brüder wegen des SpoSpiTo-Bewegungspasses. Die "Grundschule am Maar" macht zum ersten Mal mit - animiert durch Wehlen, der im Kreis Ahrweiler Fachberater für den Bereich Verkehrserziehung ist. "Ich schaue immer, was es Neues gibt", sagt er. Das Gute an der Aktion sei, dass gleich zwei Probleme angepackt werden: Bewegungsmangel bei Kindern und Elterntaxis.
Sechs Wochen lang zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Tretroller zur Schule kommen, statt sich von Mama oder Papa fahren zu lassen - dazu animiert der Bewegungspass. Die Teilnahme ist für die rund 100 Kinder der Schule freiwillig. Die Belohnungen sind jedoch so reizvoll, dass die Kinder selbst darauf pochen, meint Wehlen.
Bewegungspass: Unterschriften für Belohnungen
Der achtjährige Luca Durben zeigt stolz seinen Pass, in dem schon 13 Unterschriften seiner Eltern stehen - der Beweis dafür, dass er 13 Mal den Hin- und Rückweg zur Schule allein gemeistert hat. Für zehn Unterschriften hat er bereits einen Gutschein für einen Tag "Hausaufgabenfrei" erhalten. Eingelöst hat er ihn noch nicht. Schafft er die 20, dann kann er an einer bundesweiten Verlosung mitmachen.
Früher brachte ihn die Mutter auf dem Weg zur Arbeit vorbei, jetzt geht er zu Fuß - zusammen mit seinem Patenkind aus der ersten Klasse. "Das macht Spaß", sagt er. Er möchte auch nach Ende des Aktionszeitraums weiter zu Fuß gehen. Wehlen würde sich freuen - denn jedes Auto weniger vor der Schultür wäre ein Erfolg. Nicht nur für die Umwelt.
Zahl der Elterntaxis in Niederdürenbach halbiert
Laut Wehlen hat sich die Anzahl der Elterntaxis vor der Schule seit Start der Aktion fast halbiert. Er hofft, dass es dabei bleibt. "Wenn die Autos da herum rangieren, kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen", sagt Wehlen. Leider haben die bisherigen Versuche, dem Problem entgegenzuwirken, nicht vollständig gefruchtet. "Einige Eltern sind beratungsresistent", so der Lehrer.
Unfälle, Elterntaxis, Belästigung Gefahren auf dem Schulweg - Eltern haben Angst um ihre Kinder
Laut einer Umfrage sorgen sich viele Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder auf dem Schulweg. Zum Schulstart in Rheinland-Pfalz geben ADAC und Polizei Tipps.
Die Gründe, dass Eltern ihre Kinder mit dem Auto bringen, obwohl sie auch anderweitig zur Schulen kommen könnten, sind vielfältig. Im Gespräch mit dem SWR kritisiert eine Mutter, die ihr Kind gebracht hat, die Unzuverlässigkeit des Busses. "Einige sagen, dass es auf dem Weg zur Arbeit liegt, andere fahren vorher noch beim Bäcker vorbei - die meisten haben aber einfach Angst, dass ihrem Kind etwas passieren könnte", schildert Wehlen seine Erfahrungen.
Acht Schulen beteiligen sich am Bewegungspass
Mit dem Problem der Elterntaxis ist die Schule in Niederdürenbach nicht allein. Im Norden des Landes machen deshalb in diesem Jahr laut Veranstalter acht Grundschulen beim SpoSpiTo-Bewegungspass mit. Eine Umfrage unter den beteiligten Schulen zeigt, dass die Aktion gut ankommt. "Die Kinder sind durch den Bewegungspass motivierter, zu Fuß, mit dem Roller oder mit dem Fahrrad in die Schule zu kommen," sagt etwa die Rektorin der Pestalozzischule in Diez.
Angesichts der angespannten Lage vor der Grundschule in Koblenz-Horchheim bezeichnet die dortige Schulleitung die Aktion als "gute Sache" und hofft darauf, dass einige Eltern umgestimmt werden können. Dabei sei die Motivation der Schüler entscheidend. Der Schulleiter der Grundschule Haiderbach in Wittgert hat beispielsweise beobachtet, dass sich die Kinder gegenseitig anspornen. "Es werden Laufgemeinschaften gebildet, dies fördert die Handlungssicherheit im Verkehr sowie die Gemeinschaft untereinander", so Christian Jäckels.