Wie sich Donnersberger Ortsgemeinden in Zeiten leerer Kassen selbst helfen

Donnersberger Landrat schickt Spiel "Schwarzer Peter" an Innenminister Ebling

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Sebastian Stollhof
Sebastian Stollhof

Im Donnersbergkreis fehlt vielen Ortsgemeinden das Geld. Um überhaupt etwas bewegen zu können, ist Kreativität gefragt. Drei Beispiele aus dem Donnersberger Land.

In der Mehrzweckhalle in Kerzenheim laufen die letzten Vorbereitungen. Für den Abend ist eine Einwohnerversammlung vorgesehen. Das Thema: In Kerzenheim soll eine Bürgerstiftung gegründet werden. "Wenn wir uns nicht selbst helfen, hilft uns niemand", sagt Ortsbürgermeisterin Andrea Schmitt (CDU) - und zuckt mit den Schultern. So wie Kerzenheim geht es vielen weiteren Ortsgemeinden im Donnersbergkreis.

Grundsteuer B im östlichen Donnersbergkreis auf 1.000 Prozent erhöht

Leisten kann sich Kerzenheim kaum noch etwas. Die Kassen der mit über 2.000 Einwohner zählenden Ortsgemeinde - damit eine der größten im Donnersbergkreis - sind leer. Weil im Haushalt der Ortsgemeinde ein Minus vorgesehen war, mussten die Steuern erhöht werden. "Wir fühlen uns mit dem Rücken an der Wand. Wir sind mehr oder weniger handlungsunfähig", erzählt die Ortsbürgermeisterin - und ergänzt: "Wir haben das Gefühl, dass wir gezwungen, wenn nicht sogar erpresst werden, die Steuern zu erhöhen. Andere Möglichkeiten haben wir nicht."

Um überhaupt eine Genehmigung für den Haushalt zu bekommen, musste die Ortsgemeinde die Grundsteuer B für bebaute Grundstücke von 420 auf 1.000 Prozent erhöhen. Ursprünglich hätten sogar über 1.200 Prozent im Raum gestanden, so Schmitt. Nachdem im Haushalt einiges gestrichen wurde, seien es dann schließlich 1.000 Prozent gewesen.

Bürger in Kerzenheim befürchten, dass sie ihr Haus verkaufen müssen

Eine Dauerlösung sieht die Ortsbürgermeisterin darin freilich nicht. "Gerade für viele ältere Bürgerinnen und Bürger ist das schlimm", sagt Schmitt - und ergänzt: "Wir haben hier relativ große Grundstücke, haben Häuser, in denen die Menschen geboren wurden und immer noch drin wohnen." Nun hätten ihr bereits Einwohner mit Tränen in den Augen erzählt, dass sie ihr Haus verkaufen müssen, wenn es so weitergehe.

In Kerzenheim wurde eine Aktion gestartet, die für einiges Aufsehen gesorgt hat. Innenminister Michael Ebling (SPD) wurde die Rote Karte gezeigt. "Wegen Erpressung und Nötigung der Kommunen und der daraus erfolgenden Erdrosselung der Bürger", ist darauf zu lesen. Auch andere Ortsgemeinden haben sich nach Angaben von Schmitt dem Hilferuf angeschlossen.

Die Kerzenheimer Ortsbürgermeisterin Andrea Schmitt (CDU) zeigt Innenminister Michael Ebling (SPD) die Rote Karte. "Es ist ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weitergeht", sagt sie zu der Aktion.
Die Kerzenheimer Ortsbürgermeisterin Andrea Schmitt (CDU) zeigt Innenminister Michael Ebling (SPD) die Rote Karte. "Es ist ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weitergeht", sagt sie zu der Aktion.

Für den Umzug der Bücherei fehlt in Kerzenheim das Geld

Die Ortsbürgermeisterin wünscht sich, dass der kommunale Finanzausgleich überarbeitet wird. "Eigentlich können wir nur noch unsere Pflichtaufgaben wahrnehmen", sagt sie. Und veranschaulicht das an einem Problem nur wenige Meter neben der Mehrzweckhalle. Dort befindet sich der Friedhof. Teile der Mauer mussten abgestützt werden. Die Mauer müsste dringend saniert werden. Erst nach einem langen Hin und Her sei eine Lösung gefunden worden.

In Kerzenheim muss die Friedshofsmauer saniert werden. Lange war aber unklar, wie das finanziert werden soll.
In Kerzenheim muss die Friedshofsmauer saniert werden. Lange war aber unklar, wie das finanziert werden soll.

Für andere Dinge fehle aber das Geld. Den Traum eines eigentlich dringend notwendigen Umzugs der Bücherei hat Andrea Schmitt schon fast aufgegeben. "Wir sind auch in der Dorferneuerung. Da werden wir trotz Zuschüssen aber wohl nichts umsetzen können, weil uns das Geld fehlt."

Eine Bürgerstiftung als Hoffnung

Hoffnung schöpft die Ortsbürgermeisterin aus einer Bürgerstiftung. Dass sich die Einwohnerinnen und Einwohner, die sich bereits ehrenamtlich engagieren und verstärkt zur Kasse gebeten werden nun auch noch mit ihrem Geld für die Gemeinde einbringen sollen, fühle sich einerseits nicht gut an. Andererseits sei das eben eine Chance, weiterhin etwas in Kerzenheim bewegen zu können.

Probleme auch im höchsten Dorf der Pfalz

Probleme, die der Donnersberger Landrat Rainer Guth (parteilos) nur zu gut kennt. Er ist an diesem Abend zu Besuch in Ruppertsecken. Noch bevor ein geplanter Rundgang mit dem Ortsgemeinderat und engagierten Vereinsvertretern beginnt, haut Ortsbürgermeister Siegmar Portz (SPD) in die gleiche Kerbe. "Überall wird das Ehrenamt gelobt. Irgendwann sagen die Ehrenamtlichen aber auch einmal, dass Schluss ist", sagt der Ortschef.

In Ruppertsecken tauscht sich Landrat Rainer Guth (Zweiter von links im Gespräch mit Ortsbürgermeister Siegmar Portz) bei einem Ortsrundgang mit Bürgerinnen und Bürgern aus. Auch hier fehlt das Geld, um so manches Projekt umsetzen zu können.
In Ruppertsecken tauscht sich Landrat Rainer Guth (Zweiter von links im Gespräch mit Ortsbürgermeister Siegmar Portz) bei einem Ortsrundgang mit Bürgerinnen und Bürgern aus. Auch hier fehlt das Geld, um so manches Projekt umsetzen zu können.

Ideen, was sich in dem höchstgelegenen Dorf der Pfalz umsetzen lässt, gibt es in Ruppertsecken einige. Das begrüßt auch der Landrat, der gerade aus touristischer Sicht so einige Chancen sieht - schließlich ist die Aussicht hier beeindruckend. "Aber selbst wenn wir Zuschüsse erhalten, kommt die Kommunalaufsicht und streicht uns das, weil uns die Mittel fehlen", sagt Portz.

Mehr als die Hälfte der Donnersberger Ortsgemeinden haben Minus im Haushalt

Die Kommunalaufsicht ist bei der Kreisverwaltung angesiedelt. Und sie hat die Vorgaben umzusetzen, die es von der Landesregierung gibt. Allen voran, dass kommunale Haushalte ausgeglichen sein müssen. Und das ist für viele eine große Herausforderung. 56 von 81 Ortsgemeinden im Donnersbergkreis haben nach Angaben des Landrates ein Minus im Haushalt, 14 Ortsgemeinden seien bilanziell überschuldet.

Spiel "Schwarzer Peter" für Innenminister Ebling

"Wir haben den schwarzen Peter. Die Kommunalaufsichten sollen darauf hinwirken, dass die Kommunen die Steuern bis an die Erdrosselungsgrenze anheben", ärgert sich Guth. Es müsse mehr Geld ins System. Der Landrat hat kürzlich Innenminister Michael Ebling das Spiel "Schwarzer Peter" zugeschickt. Anlass dafür waren Aussagen Eblings: Gemeinden, die es trotz eigener Kraftanstrengung nicht schaffen, finanziell wieder handlungsfähig zu werden, sollen demnach die Chance bekommen, sich über einen längeren Zeitraum positiv zu entwickeln.

"Wer aber entscheidet über solche Fälle, auf Basis welcher Parameter?", fragt sich Guth. Eine Sprecherin des Innenministeriums teilt hierzu auf eine Anfrage des SWR mit, dass es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankomme. Sie verweist auf eine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2015. Demnach müsse eine Kommune alles unternehmen, um ihr Defizit zu verringern.

Donnersberger Landrat kritisiert: "Es ist kein Geld im System"

Wie genau das gehen soll, das müsse vor Ort besprochen werden. Es erfordere eine verstärkte Beratung durch die Kommunalaufsichten. "Nur diese haben einen Überblick über die örtlichen Gegebenheiten und können die konkrete Situation vor Ort beurteilen. Die Umsetzung dieser Beratungsfunktion muss stärker zur gelebten Praxis werden", so die Sprecherin.

Innenministerium gibt Kommunalaufsichten ergänzende Hinweise

Wie das Innenministerium zudem am Mittwoch mitteilte, seien den Aufsichtsbehörden ergänzende Hinweise zum Schreiben vom Mai zur Verfügung gestellt worden. Diese Hinweise sollen zur Klärung von Fragen beitragen, die sich in der Zwischenzeit bei den Kommunalaufsichten ergeben hätten. „Die ergänzenden Hinweise umfassen beispielsweise die explizite Möglichkeit einer Mehrjahresbetrachtung, um auch möglichen Schwankungen gerecht zu werden, Hinweise zur Investitionstätigkeit und auch die Möglichkeit, in Einzelfällen einen klar definierten Abbaupfad zu beschreiten“, so Innenminister Ebling. Neben einer Kommunalaufsicht mit Augenmaß sei eine intensivere Inanspruchnahme der Beratung von Seiten der Aufsichtsbehörden für die Kommunen ein unterstützendes Angebot.

Eine intensive Beratung gebe es am Donnersberg schon seit einiger Zeit, betont der Landrat. "Wir beraten schon lange und intensiv. Mehr als unsere Kommunalaufsicht mit den Ortsgemeinden im Austausch ist, geht nicht. Die beste Beratung nützt nichts, wenn kein Geld im System ist", sagt Guth.

Rentner halten das höchste Dorf der Pfalz sauber

In Ruppertsecken ist Ortsbürgermeister Siegmar Portz dankbar, dass es eine Gruppe Rentner gibt, die sich vor neun Jahren zusammengefunden hat. Die neun Mitglieder treffen sich einmal pro Woche und halten unter anderem Plätze wie den Schlossberg, das Areal um das Bürgerhaus oder den Friedhof sauber. "Einen Gemeindearbeiter könnten wir uns nicht leisten", sagt Siegmar Portz. Heribert Leber ist der Kopf der Gruppe. Er packt gerne für sein rund 360 Einwohner zählendes Dorf an. "Es macht Spaß, man kann richtig was bewirken", sagt er. Gleichwohl wünscht auch er sich mehr Geld für seinen Heimatort.

Im Westen des Donnersbergkreises wehrt sich ein Ortsgemeinderat

Ortswechsel: Auch die Ortsgemeinde Kalkofen im westlichen Donnersbergkreis hat mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Die Kredite sind auf 66.000 Euro angewachsen. Schweren Herzens musste der Ortsgemeinderat auch hier die Grundsteuer B anheben - von 500 auf 630 Prozent. In einer ersten Rechnung hätten es mehr als 1.000 Prozent sein sollen, wie Ortsbürgermeister Christoph Küsters (parteilos) sagt. "Dagegen hatten wir uns aber vehement gewehrt. Das können wir von unseren Bürgern nicht verlangen."

Auch die Ortsgemeinde Kalkofen im westlichen Donnersbergkreis hat mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Die Kredite sind auf 66.000 Euro angewachsen.
Auch die Ortsgemeinde Kalkofen im westlichen Donnersbergkreis hat mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Die Kredite sind auf 66.000 Euro angewachsen.

So wurde auch hier gerechnet, manches gestrichen und es letztlich mit einer Grundsteuer B in Höhe von 630 Prozent geschafft, einen Haushaltsplan ohne Minus aufzustellen. Die Folge: Einiges kann nicht umgesetzt werden, was aber eigentlich dringend gemacht werden müsste. Küsters zählt so das in die Jahre gekommene Dach der Friedhofshalle auf, das in Eigenleistung geflickt wurde - eine Dauerlösung sei das aber nicht.

Für einen Zaun um den Spielplatz fehlt in Kalkofen das Geld

Ein anderes Problem zeigt Küsters auf dem herrlich in der Natur gelegenen Spiel- und Grillplatz auf. Da musste der Zaun entfernt werden, weil er nicht mehr sicher war. "Die Bürger wünschen sich aber eine Umzäunung", erzählt er. Doch diese müsse an einem Spielplatz gewisse Auflagen erfüllen, was Geld koste. "Wir würden das gerne machen, können es aber nicht finanzieren", sagt der Ortsbürgermeister.

Das Dach der Friedhofshalle in Kalkofen wurde in Eigenleistung geflickt. Eigentlich müsste es saniert werden. Dafür fehlt aber das Geld.
Das Dach der Friedhofshalle in Kalkofen wurde in Eigenleistung geflickt. Eigentlich müsste es saniert werden. Dafür fehlt aber das Geld.

Und dann kam kürzlich noch ein weiteres Problem hinzu: Das Dach der Toilettenanlage am Bürgerhaus ist undicht. In Eigenleistung wurde bereits Putz entfernt und es wurde wieder neu verputzt. Eine Dauerlösung sei auch das nicht. Vermutlich müsse das Dach neu abgedichtet werden. Auch das sei nicht gerade billig.

Ein Förderverein sammelt Geld für Projekte im Dorf

Froh ist Christoph Küsters, dass es unter den 170 Einwohnern in Kalkofen so einige engagierte Menschen gibt und nicht wenige im Dorfförderverein "pro Kalkofen" aktiv sind. Dieser wird beispielsweise die Kosten für die dringend notwendige Sanierung eines Brunnens übernehmen und hat durch Einnahmen bei Festen in seinen über 20 Jahren schon so einiges für die Ortsgemeinde investieren können. Ein Segen für den Ort, betont Küsters.

Seinen Frust über die finanzielle Situation hat er auch schon in einem Brief an den Landrat deutlich gemacht. Wohlwissend, dass die Kommunalaufsicht entsprechende Vorgaben umsetzen müsse. "Wir wollen alle einfach nur leben. Im System läuft grundsätzlich was schief. So bleibt die Individualität der Ortsgemeinden auf der Strecke", klagt Küsters. Sein Wunsch ist der gleiche wie der seiner Ortsbürgermeisterkollegen: "Wir wollen keine goldenen Wasserhähne, aber eine finanzielle Ausstattung, mit der wir auch etwas gestalten können."

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