Das SOS-Kinderdorf in Eisenberg liegt am Ende eines Wohngebietes. Hier, umgeben von vielen Bäumen, können Kinder ungestört mit dem Ball spielen oder mit der Kreide auf der Straße malen. Entlang des Weges reihen sich Spielplätze und Häuser voll mit Spielzimmern. Es ist bunt in dem kleinen Dorf, in dem aktuell 46 Kinder zwischen vier und 21 Jahren in Wohngruppen und Kinderdorf-Familien leben. Leiterin Irene Jennes befürchtet jedoch, dass das Dorf bald schon kleiner wird.
Fachkräftemangel nagt an Jugendhilfe-Angebot
"Weil wir einen so eklatanten Fachkräftemangel haben, dass wir die Gruppen nicht aufrechterhalten können", sagt sie. Ihr sei schon lange bewusst, dass auf Dauer nicht mehr so viele Kinder in Eisenberg betreut werden können. Ganze vier Stellen für Erzieherinnen und Erzieher habe das Dorf derzeit gleichzeitig ausgeschrieben.
Im restlichen Land und bundesweit sehe die Situation ähnlich aus. Täglich würden die Jugendämter inzwischen aus ganz Deutschland bei Jennes nach Plätzen fragen. "An der Ansprache der Anfrage merke ich, dass es eine sehr allgemeine Anfrage ist, die an sehr viele Jugendeinrichtungen geht", sagt sie. "Und auch ich kann in der Regel keine Plätze anbieten. Deswegen müssen die Jugendämter so wahnsinnig viele Versuche unternehmen, bis sie einen Platz für ein Kind finden."
Und das habe schwerwiegende Auswirkungen für die Kinder. Die Kinder, für die eine stationäre Unterbringung angefragt werde, seien häufig sehr lange auf der Suche, hätten schon viele Stationen durchlaufen. Jennes erzählt von Kindern, die dann einen Platz gefunden haben, der aber nicht der richtige war, wo keine langfristige Hilfe angesetzt werden konnte. So würden die Kinder immer häufiger ihre Unterbringungen wechseln. "Und diese häufigen Wechsel, das kann nicht das Ziel sein für einen jungen Menschen", sagt Jennes. "Jede Veränderung, jeder Wechsel ist nicht förderlich für die Sicherheit eines jungen Menschen.“
Auch im Jugendamt fehlt das Personal
Auch die Jugendämter belaste das. Hinzu kommt, das auch dort das Fachpersonal fehlt, wie Jennes mitbekommt. Auf der Ebene der Sachbearbeitenden sei es dünn geworden. Ein Eindruck, den auch die Ämter bestätigen. Oftmals bleiben Stellen über Monate unbesetzt, bestätigt der Kreis Kaiserslautern. Weitere Jugendämter in der Westpfalz, die mit dem Fachkräftemangel kämpfen, sind in Kusel, dem Donnersbergkreis und in Pirmasens. Auch im gesamten Land sind viele der 37 Jugendämter seit Jahren am Limit.
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Viele Jugendämter der 36 Städte und Landkreise in Rheinland-Pfalz arbeiten schon seit Jahren am Limit. Hier erfahren Sie, wie es aktuell um die Jugendhilfe im Land steht.
Für die Kinder im SOS-Kinderdorf in Eisenberg hat das beispielsweise zur Folge, dass die Kinder nicht mehr die Gespräche und die Kontakte zu den Jugendämtern bekommen, wie sie für Hilfe- und Erziehungsplanung benötigt werden. "Wir unterstützen die Kinder und fördern sie natürlich, trotzdem brauchen wir die Unterstützung der Ämter", so Jennes.
Der Fachkräftemangel ist für die Leiterin deshalb nicht nur eine wirtschaftliche Einschränkung. "Der Fachkräftemangel ist eine ganz klare Gefahr für den Kinderschutz und das Wohl der Kinder", sagt sie. Wenn eine Planstelle nicht besetzt werde, müssten andere mehr arbeiten. Die, die dann mehr Arbeit übernehmen würden, seien in einer permanenten Überlastung und könnten dadurch nicht immer fachlich reagieren. "Und hier sehe ich den Kinderschutz in Gefahr!“
Wenn sich die Situation nicht ändert, hätte das weitere Auswirkungen, auch für das SOS-Kinderdorf in Eisenberg. Dann würden immer weniger Kinder dort auf der Straße Ball spielen oder mit Kreide bunte Bilder auf die Straße malen - weil es keine Menschen gibt, die sich um sie kümmern.