0, 1q, ZL– es sind kryptische Zeichen, die auf Biancas langer Liste stehen. "Man fühlt sich erschlagen davon", so die junge Mutter, die kurz vor dem Schulstart mit ihrer Tochter durch den Schreibwarenladen irrt und versucht, aus der "Schulbedarfsliste" schlau zu werden. Doch Sylke Harings kann ihr helfen. Schließlich ist die Inhaberin von Officestar Enders – wie das Traditionsgeschäft in Kirchheimbolanden heute heißt – zwischen Regalen voller Stifte und Hefte groß geworden.
Schreibwarengeschäft eröffnete 1891 in Kirchheimbolanden
Genau an dieser Stelle in der Innenstadt von Kirchheimbolanden im Donnersbergkreis werden Schulkinder bereits seit 1891 mit Schulmaterialien versorgt.
"Mein Opa Carl Jeckel hat in Leipzig Buchbinder gelernt und danach hier das erste Geschäft eröffnet", berichtet Uta Enders, die 1964 den Laden von ihrer Tante Anna Jeckel übernahm. 1990 ging die Leitung dann an die vierte Generation über, an Enders' Tochter Sylke Harings (geb. Enders).
Für Harings sind die Wochen vor dem Schulstart die wichtigsten im ganzen Jahr. Viele Eltern irren durch den Laden mit langen Listen ganz bestimmter Hefte und Bücher, die die Lehrkräfte zusammengestellt haben.
Eltern suchen vor dem Schulstart viele Hefte und Schulbücher
Weil deren Wünsche immer ausgefallener werden, musste sich das Schreibwarengeschäft über die Jahre auch immer breiter aufstellen. In den 132 Jahren seiner Geschichte änderte der Laden immer wieder sein Gesicht und sein Sortiment, bot neben Schreibwaren zwischenzeitlich auch Porzellan, Zigarren, Dekoartikel, Kinderspielzeuge und Bücher an.
Schreibwaren-Einzelhandel stirbt aus
Harings' Mutter, die mittlerweile 80-jährige Uta Enders, legt einen dicken Ordner mit Fotos auf den Tisch. Sie bebildern, wie sie und ihre Vorfahren das heute so geräumige Geschäft durch die wechselhaften Zeiten manövriert haben.
Als Sylke Harings Anfang der Neunziger Jahre den Laden übernahm, lief es für den Einzelhandel noch wesentlich besser.
Doch seither sei die Konkurrenz – besonders durch den Onlinehandel – größer geworden. Die Lage habe sich seit der Corona-Pandemie weiter zugespitzt.
Zwar versucht Haring die Stärken des Einzelhandels auszuspielen, bietet individuelle Beratungen für Familien an, die den richten Füller oder den richtigen Schulranzen für ihr Kind suchen.
Enders veranstalteten vor Corona noch Schulranzen-Messe
Und vor Corona lohnte es sich auch noch, eine große Schulranzen-Messe vor dem Schulstart zu veranstalten. Doch die Zeiten seien schwer – trotz der Tatsache, dass die Enders in ihr Geschäft eine Theke der Deutschen Post integriert haben.
Was mit dem Geschäft passiert, wenn Inhaberin Harings in ein paar Jahren in Rente geht – das steht noch in den Sternen. Die nächste Generation will den Schreibwarenladen nicht übernehmen. Doch vielleicht findet sich ja bis dahin noch ein Fan von Füller und Papier – der die Tradition bei Enders in Kirchheimbolanden fortsetzen will.