Der Terrorangriff der Hamas auf Israel jährt sich am 7. Oktober zum ersten Mal. Seit Beginn der Gewalt im nahen Osten vor einem Jahr leben viele rheinland-pfälzische Juden und Jüdinnen in Angst vor antisemitischer Gewalt.

Ein Jahr nach dem Terrorangriff

Juden und Jüdinnen fürchten antisemitische Gewalt in RLP

Stand
Autor/in
Mathias Zahn

Vor einem Jahr sind beim Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel mehr als 1.200 Menschen ermordet worden, rund 250 wurden in den Gazastreifen verschleppt. Etwa 100 Geiseln befinden sich immer noch in den Händen der Hamas.

Seit dem Terrorangriff ist die Zahl antisemitischer Straftaten in Rheinland-Pfalz stark gestiegen. Laut dem rheinland-pfälzischen Innenministerium hat sich ihre Zahl fast vervierfacht von 46 im Jahr 2022 auf 171 im Jahr 2023. Das ist ein Höchststand.

Vom 7. Oktober 2023 bis Ende September dieses Jahres wurden insgesamt 154 antisemitische Straftaten registriert. Bei 61 dieser Straftaten sei ein Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt erkennbar, teilt das Innenministerium auf SWR-Anfrage mit. Nach Angaben des Landesverbands haben die jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz rund 3.000 Mitglieder.

Juden fürchten, in der Öffentlichkeit erkannt zu werden

Die Beauftragte des Ministerpräsidenten für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen, Monika Fuhr, spricht häufig mit Jüdinnen und Juden in Rheinland-Pfalz. Nach ihrer Wahrnehmung habe die Angst Opfer einer antisemitischen Straftat zu werden im vergangenen Jahr zugenommen.

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Viele berichten mir, dass sie nicht mehr alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer Veranstaltung oder zu einem Treffen mit Freunden fahren. Groß ist auch die Sorge der Eltern um ihre Kinder, und sie tun alles dafür, dass sie nicht als Juden erkannt werden können, also sie verbergen ihre Identität. 

Das Massaker der Hamas prägt bei vielen Jüdinnen und Juden in Rheinland-Pfalz noch immer den Alltag. Das, was Jüdinnen und Juden auch in Deutschland ertragen und erleiden mussten, sei unermesslich, sagte Monika Fuhr dem SWR: "Die Wunden sind sehr tief. In vielen Gesprächen spüre ich große Schmerzen und große Trauer. Einige antworten auf die Frage, wie es ihnen geht, mit: 'Ich fühle mich sehr belastet'. Andere sagen 'Ich fühle mich wie paralysiert.'"

Schicksal der Hamas-Geiseln beschäftigt viele Jüdinnen und Juden

In ihren Gesprächen spüre sie aber auch den Willen, nicht aufgeben, sondern kämpfen zu wollen: "Einige schließen sich noch enger zusammen, um ihre Schmerzen zu teilen. Aber ich höre auch, dass Freundschaften zerbrochen sind. Gute Freundinnen, Freunde hätten sich nicht mehr gemeldet, weil sie mit der Situation nicht umgehen könnten oder auch Angst hätten, mit einem Juden oder einer Jüdin gesehen zu werden."

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Viele Jüdinnen und Juden berichteten Fuhr auch von ihrer Angst. Sie überlegten oft, ob sie ihren Davidstern offen tragen oder ob sie mit Freunden in der Öffentlichkeit hebräisch sprechen sollen. Viele seien außerdem enttäuscht, dass in Deutschland nach wie vor zu wenig über das Schicksal der noch mehr als 100 Geiseln gesprochen werde, die sich noch immer in den Händen der terroristischen Hamas befänden: "Sie haben Angst, dass das Schicksal der Geiseln und deren Angehörigen in Vergessenheit gerät. Eine große Verbitterung gibt es auch darüber, dass die Solidarität mit den Opfern, die sexuelle Gewalt erfahren haben, sehr verhalten war. Sie vermissen klare Positionierung und den Aufschrei."

Gedenkveranstaltung in Mainz

In Rheinland-Pfalz wird heute an den Terrorangriff der Hamas auf Israel vor einem Jahr erinnert. Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz lädt zu einer Gedenkveranstaltung ins Landesmuseum Mainz ein (Beginn 17 Uhr). Dort werden auch Ministerpräsident Schweitzer, Kulturministerin Binz und CDU-Landeschef Schnieder sprechen. Die Einladung ist überschrieben mit "Frieden in Nahost. Frieden für alle." Die Jüdische Kultusgemeinde Mainz-Rheinhessen lädt zu einer Zusammenkunft im Mainzer Synagogenzentrum ein: "Ein Jahr 7. Oktober. Beten, Gedenken, Hoffen." (Beginn 18 Uhr). Im Speyerer Dom findet (17 Uhr) ein Friedensgebet mit der Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz, Dorothee Wüst, und dem Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann, statt. Am Eingang zum Hof der Staatskanzlei in Mainz wird aus Solidarität eine Israel-Flagge gehisst.

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Mathias Zahn