Laut Kruse gibt es derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte, die Ermittlungen auszuweiten, etwa auf den Präsidenten der Landeskatastrophenschutzbehörde ADD, Thomas Linnertz (SPD), oder Beschäftigte des Lebenshilfehauses in Sinzig. Das gelte auch nach Auswertung der verspätet vorgelegten Flut-Videos einer Hubschrauber-Besatzung. "Es stehen immer noch sehr wesentliche Teile der Ermittlungen aus", sagte Kruse im U-Ausschuss.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin gegen den ehemaligen Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), und den Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) des Kreises. Es geht um den Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. Pföhler hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, die Einsatzleitung an den BKI übertragen zu haben.
Staatsanwaltschaft hält Pföhler für "grundsätzlich verantwortlich"
Nach vorläufiger Bewertung gehe die Staatsanwaltschaft davon aus, dass politische, administrative Verantwortung nicht delegierbar sei, sagte Kruse: "Wir halten ihn für grundsätzlich verantwortlich." Pföhler habe am Flutabend auch Entscheidungen getroffen.
Die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Tod von zwölf Bewohnerinnen und Bewohnern des Lebenshilfehauses in Sinzig sind ebenfalls Gegenstand der staatsanwaltlichen Ermittlungen. Hier gebe es unterschiedliche Aussagen, inwieweit die Einrichtung vor der Flut gewarnt worden sei, so Generalstaatsanwalt Kruse.
Verspätete Akten: Lagezentrumsleiter übernimmt Verantwortung
In der Ausschusssitzung hatte zuvor der Leiter des Lagezentrums im rheinland-pfälzischen Innenministerium die Verantwortung für unvollständige Aktenlieferungen übernommen. Heiko Arnd begründete die zunächst unvollständige Aktenlieferung an den Ausschuss mit Fehlern bei der Datenübertragung. "Wenn der Eindruck entstanden ist, ich hätte Dinge vertuschen oder nicht vorlegen wollen, dann tut mir das leid", sagte Arnd. Die später nachgereichten Akten gelten als ein Grund für den Rücktritt des früheren Innenministers Roger Lewentz (SPD).
Umgang mit Flut-Akten führte zu Rücktritt von Lewentz
Zu den erst mehr als ein Jahr später aufgetauchten Dokumenten gehörte auch der Einsatzbericht einer Polizeihubschrauber-Besatzung, die am Abend des 14. Juli über das Flutgebiet geflogen war und dabei Foto- und Videoaufnahmen gemacht hatte. Arnd sagte aus, die zugelieferten Fotos seien an dem Abend an das Ministerbüro und die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) weitergeleitet worden.
Die Aufnahmen hätten bei ihm allerdings nicht das Bild einer flächendeckenden Katastrophe erzeugt. Er sei lediglich von punktuell größeren Schadenslagen ausgegangen, so Arnd. Aus seiner Sicht hat das Lagezentrum in der Flutnacht alles getan, was getan werden konnte. Dazu gehöre die Anforderung von Hubschraubern aus dem ganzen Bundesgebiet.
Freiwillige Helfer: Wir waren anfangs völlig auf uns allein gestellt
Im Untersuchungsausschuss haben auch erneut freiwillige Helfer berichtet, wie sie die ersten Tage und Wochen nach der Flutkatastrophe erlebt haben. Der Unternehmer Markus Wipperfürth aus Nordrhein-Westfalen sagte, eine Koordinierung durch staatliche Stelle habe es nicht gegeben. Erst nach drei bis vier Wochen sei es besser gelaufen.
Viele Ehrenamtliche seien mit ihren Traktoren und Radladern zum Helfen ins Ahrtal gekommen, ohne dort Hilfe durch Fachleute oder Behörden zu erhalten. "Wir hatten kein Frischwasser, kein Brauchwasser, keinen Diesel mehr", sagte Wipperfürth. Auch mit traumatisierenden Erlebnissen wie dem Auffinden von Leichen oder Leichenteilen seien die Helfer zunächst alleingelassen worden.
Der Organisator des Helfershuttles berichtete, dass in Eigeninitiative zunächst 300 Helfer pro Tag ins Ahrtal gebracht worden sein, eine Woche später seien es 3.000 gewesen. Die ADD habe sich nach zehn Tagen gemeldet. Vorher habe es keine Koordination durch staatliche Stellen gegeben.
Ein Bauunternehmer sagte, er habe mit schwerem Gerät erst einmal auf eigene Faust eine Bundesstraße wieder befahrbar gemacht. Nach zwei Tagen habe er dann einen offiziellen Auftrag durch den Landesbetrieb Mobilität bekommen. Etwa 50 Zuschauer waren extra angereist, um die Aussagen der freiwilligen Helfer zu verfolgen und diese zu unterstützen.
Der Hochwasser-Blog für RLP Neue Brücke über die Kyll freigegeben
In den von der Flutkatastrophe zerstörten Regionen in Rheinland-Pfalz läuft der Wiederaufbau. Viel ist geschafft, viel ist noch zu tun. Hier die aktuelle Lage.
Ministerpräsidentin Dreyer für Ende März als Zeugin geladen
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) soll am 24. März erneut vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Dabei soll sie insgesamt 15 Fragen beantworten, unter anderem zu ihrem Kenntnisstand in der Flutnacht und wie damals die Kommunikation innerhalb der Landesregierung gelaufen ist. Das kündigte der Ausschussvorsitzende Martin Haller (SPD) vor Beginn der Sitzung an.
Der Untersuchungsausschuss soll klären, welche Versäumnisse es bei der Flutkatastrophe Mitte Juli gab und wer dafür verantwortlich ist. Die Flut hatte in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 für verheerende Zerstörungen gesorgt, 135 Menschen starben alleine in Rheinland-Pfalz. Das Land hat die Zahl im Juni 2022 korrigiert: Demnach sind insgesamt 136 Menschen gestorben.