Tausende Tote und Verletze, verzweifelte Menschen, die alles verloren haben und in bitterer Kälte ausharren müssen. Retter, die bis zum Rande der Erschöpfung in den Trümmern graben - es sind schreckliche Bilder, die uns aus dem Erdbebengebiet in der Türkei und Syrien erreichen.
In Rheinland-Pfalz leben viele Menschen mit türkischer oder syrischer Einwanderungsgeschichte. Viele von ihnen haben bange Stunden des Wartens auf ein Lebenszeichen ihrer Familie oder ihrer Freunde hinter sich. Einige hofften umsonst.
SWR-Reporterinnen und -Reporter haben türkischstämmige Menschen im Land getroffen und sie nach ihren Gedanken und Gefühlen befragt.
Murat Boztepe aus Klein-Winternheim
Für den Besitzer des Foodtrucks "Klein-Kebabheim" in Rheinhessen war sofort klar: Er möchte den Menschen in der Katastrophenregion helfen. Er hat beschlossen, die Einnahmen einer Kebab-Verkaufsaktion an die Opfer zu spenden. Murat Boztepe hat Freunde, deren Verwandte von der Katastrophe direkt betroffen sind. Er erhielt auch Todesnachrichten. "Da ist man wie gelähmt und möchte helfen", so Murat Boztepe. Erdbeben sind auch mit seiner Familiengeschichte verwoben. So war sein Vater 1939 beim großen Erdbeben in Erzincan als Säugling aus den Trümmern geholt worden. An ein weiteres Beben erinnert er sich persönlich.
Mustafa Sahin aus Kaiserslautern
Der Vorsitzende des Fußballvereins Fatihspor Kaiserslautern macht sich große Sorgen um Familienangehörige in der Katastrophenregion. Viele von ihnen seien nicht erreichbar - zum Beispiel der Verlobte seiner Cousine. Die beiden hätten nächste Woche heiraten wollen.
Seinen Cousin hat Sahin inzwischen erreicht. Doch der musste irgendwann auflegen, da er keinen Akku mehr hatte. Wie Mustafa Sahin warten viele andere Spieler in seinem Fußballverein verzweifelt auf Nachrichten ihrer Angehörigen in der Türkei oder Syrien. Der Verein hat einen Spendenaufruf der Fatih-Moschee in Kaiserslautern unterstützt. Die Aktion musste aber bald gestoppt werden, da in kurzer Zeit eine ganze Lkw-Ladung mit Sachspenden zusammenkam.
Hasan und Nihat Kunduru aus Trier
Hasan und sein Neffe Nihat Kunduru haben Verwandte in der Erdbebenregion und wären am liebsten direkt zu ihnen geflogen. Doch die Flughäfen sind wegen des Bebens geschlossen. Wenigstens konnten sie telefonisch Kontakt mit ihren Verwandten aufnehmen. Diese berichten, dass sie aus Angst vor weiteren Beben nicht in ihre Häuser könnten. Sie schliefen trotz der Kälte im Auto. Es gebe nicht genug zu essen und nicht genug Benzin für alle. Insgesamt gehe es ihnen jedoch einigermaßen gut. Hasan und Nihat Kunduru haben jedoch Mühe, dieser Versicherung Glauben zu schenken.
Und so haben Hasan und Nihat Kunduru mit Aushängen in ihrem Dönerladen und in sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, Wintersachen und Decken zu spenden. Sie sammeln die Hilfsgüter in ihrem Laden und wollen einen Container in die Türkei schicken.
Barisch Buluter aus Ludwigshafen
Der 45-Jährige ist den Tränen nahe, als er nach seiner Familie in der besonders betroffenen türkischen Stadt Gaziantep gefragt wird. Barisch Buluter hat Tage zermürbender Ungewissheit hinter sich. Inzwischen weiß er, dass er bei dem Beben einen Bruder, einen Onkel und eine Tante verloren hat. Das Schicksal anderer Angehöriger und Freunde ist noch unklar.
Das Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion hat nach Angaben vom Mittwoch mehr als 15.000 Tote gefordert. Noch immer werden hunderte Familien unter den Trümmern vermutet. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass bis zu 23 Millionen Menschen in der Türkei und Syrien von den Folgen der Katastrophe betroffen sein werden.