Seit am Montag die Erde minutenlang im Süden der Türkei und im nahen Syrien bebte, schauen Zehra Günasdogan und ihr Mann immer wieder Nachrichtensendungen im Fernsehen. Dabei kann die zierliche 61-Jährige die Bilder kaum ertragen, die sie dort momentan sieht: "Es ist traurig, sehr sehr traurig", sagt sie mit rot geweinten Augen. "Die Lage vor Ort ist sehr schlimm. Vor allem, wenn ein Kind unter den Trümmern raus kommt, fangen wir an zu weinen."
Türkische Gemeinschaft in Koblenz: Sorge über Schicksal der Vermissten
Trotzdem schauen sich Zehra und Ayden die Nachrichten immer wieder an. Sie hoffen, so etwas über die Menschen zu erfahren, die sie im Erdbebengebiet kennen und von denen sie seit Montag nicht wissen, wie es ihnen geht. Ständig bekommen sie zudem neue Nachrichten aus der türkischen Gemeinschaft in Koblenz auf ihr Handy - meist sind das aber keine guten.
Zehra zeigt auf ein Foto von einer älteren Frau, die mit ihrem Mann auf einer Bank in der Sonne sitzt und fröhlich in die Kamera lächelt. Beide haben ihr Leben lang in Koblenz gearbeitet und sind dann als Rentner zurück in die Türkei gezogen, so wie viele andere Menschen aus der türkischen Gemeinschaft in Koblenz auch. Der Kontakt nach Koblenz riss aber nicht ab. Erst vor vier Wochen waren sie hier zu Besuch, haben ihre Kinder und ihre Freunde getroffen.
Jetzt ist Aische tot und ihr Mann liegt schwer verletzt im Krankenhaus, sagt Zehra, während ihr die Tränen über die Wangen laufen. Die Kinder des Paares sind schon ins Erdbebengebiet unterwegs, erzählt sie. Sie wollen sich um ihren Vater kümmern. Bei anderen Bekannten weiß die Koblenzerin dagegen nicht, was aus ihnen geworden ist. "Die sind unter den Trümmern und bis jetzt haben wir noch keinen erreicht und keine Nachricht."
Mehrere Sammelstellen verhängen Annahmestopp Nach Erbeben in Syrien und Türkei: viele Spenden in der Region Koblenz
Nach dem schweren Erdbeben in der Türkei in Syrien ist im Norden von Rheinland-Pfalz viel gespendet worden. Momentan können viele Sammelstellen keine neuen Spenden mehr annehmen.
"Mit Aische verliere ich ein Stück meiner Kindheit"
Zehra Günasdogan ist in den 1970er Jahren als 12-Jährige mit ihren Eltern nach Koblenz gekommen und hier aufgewachsen, so wie viele andere Menschen aus dem Süden der Türkei auch. Das habe die Familien zusammengeschweißt, sagt sie. Man sei in Koblenz wie eine große Familie gewesen. Deshalb verliere sie mit Aische auch ein Stück ihrer Kindheit.
Die 61-Jährige arbeitet für die Arbeiterwohlfahrt und für den deutsch-türkischen Freundschaftsverein Merhaba. Sie hat in Koblenz ein großes Netzwerk. Deshalb muss sie neben ihrer eigenen Trauer immer wieder Menschen trösten, die Verwandte oder Freunde beim Erdbeben verloren haben oder dringend auf Hilfe warten.
Hilfe für die Menschen im Erdbebengebiet: Sammelstellen im Norden von RLP
Diese Gespräche haben Zehra und ihren Mann Ayden auf die Idee gebracht, selbst Geld zu sammeln, um den Erdbebenopfern in der Türkei zu helfen – und dieses Geld dann gezielt an die Menschen weiterzugeben, die sie persönlich kennen.
Auch viele andere Menschen in Rheinland-Pfalz organisieren gerade Hilfe für die Menschen im Erdbebengebiet – etwa der Moscheeverein in Ransbach-Baumbach, der nach eigenen Angaben bereits die ersten Lastwagen mit Hilfsgütern losgeschickt hat.
Daneben bereiten auch katholische und evangelische Kirchengemeinden im Land Spendensammlungen vor, ebenso Fußballvereine und Hilfsorganisationen. Und diese Spenden werden dringend gebraucht, sagt Zehra und erzählt vom Anruf eines jungen Mannes. "Der junge Mann hat gesagt, er habe alles verloren. Wir haben gesagt, du hast Glück, du bist am Leben. Hilfe wird kommen."