Equal Pay Day

Deutlich weniger Bezahlung in RLP

Equal Pay Day: Wie Frauen mehr Geld verdienen könnten

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Autor/in
Nils Salecker
Bild von SWR-Redakteur Nils Salecker

Am Mittwoch ist Equal Pay Day - ein Tag, der an einen immer noch vorhandenen Missstand erinnert: Frauen in Rheinland-Pfalz verdienten auch 2023 deutlich weniger Geld als Männer. Woran das liegt und wie sich Frauen dagegen wehren können.

"Es gibt Frauen, die fangen bei mir an zu weinen", erzählt Elisabeth Kolz. "Weil sie keinen Platz für ihr Kind in der Kita finden." Für die Mainzer Beratungsstelle "Frau und Beruf" berät Kolz zum Wiedereinstieg in den Job. "Viele wollen mehr arbeiten, können aber nicht." Der Kita-Mangel ist eine von vielen Hürden, die den Karriereweg von Frauen blockieren und sie daran hindern, mehr eigenes Geld zu verdienen.  

2023 verdienten Frauen in Rheinland-Pfalz 15 Prozent weniger als Männer, bundesweit waren es 18 Prozent. In den Jahren zuvor hatte sich die Lücke leicht verkleinert. Im Vergleich zum Jahr 2022 gibt es dieses Mal aber keine Veränderung beim Gender Pay Gap.

Die Gründe sind vielschichtig und teils eng miteinander verwoben. Frauen-Beraterin Kolz kennt sie alle. Akut lösen lassen sich viele nicht. Dennoch: Ein paar Ratschläge hat Kolz für ihre Klientinnen parat.

Keine Kinder kriegen?

Die Frage klingt hart, die Frauen-Beraterin antwortet zynisch: "Ja, wenn es ums Geld geht, müsste man streng genommen davon abraten" - wohlwissend, dass keine Kinder zu kriegen, für viele Frauen keine Option ist. Fakt ist: Viele Gründe der Lohnungleichheit haben Kinder als gemeinsamen Nenner. Der Koblenzer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Professor Stefan Sell spricht vom "Fallbeil Geburt". Worauf er abzielt, ist ein Phänomen, das auch als "Motherhood Penalty" (frei übersetzt: Mutterschaftsnachteil) bezeichnet wird und unter anderen von der Wirtschaftsnobelpreisträgerin 2023, Claudia Goldin, geprägt wurde.

Die Geburt des ersten Kindes markiert für viele Frauen einen massiven Karriere-Einschnitt (siehe Grafik unten). Verdienen sie bis dahin annähernd gleich viel wie Männer, öffnet sich danach die Lohnschere.

Nach der Geburt des ersten Kindes öffnet sich für viele Frauen in Deutschland die Lohnschere.
Nach der Geburt des ersten Kindes öffnet sich für viele Frauen in Deutschland die Lohnschere.

Wirtschaftsprofessor Sell erklärt: Während Frauen während Elternzeiten hauptsächlich mit der Betreuung ihrer Kinder gebunden sind, entwickeln sich Männer (die in Deutschland wesentlich häufiger in Vollzeit arbeiten) meist beruflich weiter.

Das trifft einerseits auf Väter zu, die in der Zwischenzeit - bei mehreren Kindern oft mehrere Jahre lang - finanziell aufsteigen und in der Hinsicht auch ihren Partnerinnen häufig enteilen. Stellt sich die Frage, wer nach der Elternzeit mehr arbeitet, gibt nicht selten der Geldbeutel die Antwort.

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Andererseits können Frauen auch im Job ins Hintertreffen geraten, wenn sich männliche Kollegen in der Zwischenzeit weiterentwickeln.

Dadurch, dass Männer in der Zeit Humankapital anhäufen können und Frauen nicht, werden Männer oft bei der Besetzung von Führungspositionen bevorzugt.

Je länger Frauen nach der Geburt zu Hause bleiben, desto größer seien die Nachteile für sie danach im Beruf, legt Sell dar. Dass Frauen mit Kindern seltener in Vollzeit zurückkehren, wird ihnen außerdem von einigen Arbeitgebern immer noch als Nachteil ausgelegt. Das erschwert beruflichen sowie finanziellen Aufstieg zusätzlich - der "berühmte Teilzeit-Effekt", sagt Sell.

Schnellerer Wiedereinstieg nach der Geburt?

"Diese Probleme lassen sich nur lösen, wenn man versucht, die mit der Geburt verbundenen Einschränkungen gleich zu verteilen", führt der Wirtschaftsprofessor aus. Eine Möglichkeit: "Je schneller Frauen nach der Geburt wieder anfangen zu arbeiten, desto geringer sind die finanziellen Nachteile."

Für viele Frauen ist zeitnah wieder einzusteigen zwar keine Option. Wer sie erwägt, steht aber vor weiteren Hürden. Der Knackpunkt: die Betreuung. Der Ausbau von Krippenplätzen in Rheinland-Pfalz habe zwar schon zu Verbesserungen in den vergangenen Jahren geführt, berichtet Sell: Mehr Mütter von Unter-Dreijährigen gingen wieder früher arbeiten – zumindest in Teilzeit. Generell sei der Kitaplatz-Mangel aber weiterhin "ein großes Problem", sagt der Professor.

Mehr mit den Vätern verhandeln

"Wo sind eigentlich die Väter in diesem Spiel?", stellt Wirtschaftsprofessor Sell die Frage, die Frauen-Beraterin Kolz in ihren Gesprächen ebenfalls immer wieder aufwirft. Sie sagt: "Frauen müssen lernen, besser mit ihren Männern zu verhandeln."

Die Karrierecoachin sieht "traditionelle Rollenbilder" als "größtes Problem" bei der Lohnungleichverteilung - und als wichtigsten Ansatzpunkt.

Schließt Verträge mit eurem Partner, solange ihr euch noch liebt.

Die Mainzer Karrierecoachin rät Frauen, ihre Partner mehr in die Pflicht zu nehmen, Rollen- und Arbeitsverteilung zuhause anzusprechen und auszuhandeln. "Vielen Frauen ist das aber unangenehm, sie scheuen solche Gespräche." Häufige Folge laut Kolz: Frauen beugten sich - oft ungewollt - und blieben eher daheim als Männer. Ihre Empfehlung für Paare formuliert sie so: "Schließt Verträge mit eurem Partner, solange ihr euch noch liebt." Ansonsten drohe Streit.

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Dabei sieht die Frauen-Beraterin in "einer neuen Vätergeneration mit Männern, die in andere Rollen wollen" durchaus eine Chance. Nur, ob das auf den Großteil der Männer zutreffe, stellt sie infrage.

Gehaltsverhandlung: "Verkauft euch nicht unter Wert"

Doch selbst wenn der Wiedereinstieg in den Beruf gut klappt, ist da für einige Frauen immer noch ein anderes Problem: die Ungleichbehandlung vonseiten mancher Arbeitgeber. In RLP bekommen Frauen für gleiche Tätigkeiten im Schnitt sechs Prozent weniger Geld. Ein Faktor hierfür: "Männer holen in Gehaltsverhandlungen schlichtweg mehr raus", sagt Professor Sell - nach Studien-Erkenntnissen häufig unberechtigt.

Selbstüberschätzung lohnt sich für Männer

In Bewertungen ihrer Arbeit schnitten Frauen teils deutlich besser ab als Männer, schildert der Experte. "Trotzdem schätzten sich die Männer selbst um 25 Prozent besser ein." Professor Sell sieht "sich häufig selbst überschätzende" Männer klar im Vorteil: Mehr Selbstvertrauen in Lohnverhandlungen schlage sich oft in besserer Bezahlung nieder.

Karriereberaterin Kolz führt das auch auf anerzogene Selbstzweifel zurück: "Frauen in Deutschland werden mit der Frage sozialisiert: Bin ich gut genug?" Ihr Rat: "Seid mutig, traut euch, selbstbewusst zu verhandeln", sagt Kolz. "Verkauft euch nicht unter Wert", appelliert Professor Sell an Frauen.

Weitere Option: Auf gleiche Bezahlung klagen

Wer nicht verhandeln will oder damit nicht weiterkommt, kann gegen Lohnungleichheit klagen. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts Anfang 2023 hat die Position von Frauen deutlich gestärkt und klargestellt: Gleicher Lohn darf nicht auf Verhandlungsgeschick basieren.

Herauszufinden, ob und wie viel mehr männliche Kollegen in gleichen Positionen verdienen, ist allerdings nicht immer einfach. Das sogenannte Ertragstransparenzgesetz soll zwar Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einfachere Einsicht in Lohnstrukturen in Unternehmen ermöglichen. So müssen Firmen beispielsweise schon bei Bewerbungen Auskunft darüber geben, wie viel Kolleginnen und Kollegen in vergleichbaren Stellen verdienen.

Unter anderem ver.di sieht die Vorgaben für Firmen aber als zu vage an. Die Gewerkschaft kritisiert auch, dass Verbände nicht gegen Lohnmissstände klagen können. Ein weiterer Kritikpunkt: Das Transparenzgesetz gilt nicht für Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten - noch nicht. Denn eine neue - wenn auch umstrittene - EU-Richtlinie zwingt Deutschland, das Gesetz unter anderem in dem Punkt nachzuschärfen.

Strukturelle Probleme nicht akut zu lösen

An vielen Stellen lässt sich ansetzen - das vermittelt Frauen-Beraterin Kolz ihren Klientinnen. Beim Blick auf andere Ursachen von Lohnungleichheit gehen allerdings auch ihr die Ratschläge aus. Sie weiß: Gegen schlechte Bezahlung in typischen Frauen-Berufen, vor allem im Gesundheits- und Betreuungswesen, hilft auch selbstbewussteres Gehaltsverhandeln nicht. "Die einzelne Frau kann bei einigen Faktoren relativ wenig ausrichten", unterstreicht der Koblenzer Professor Sell. Wenn auch mit Abstrichen, weil einklagbar, gilt das auch für den Kitaplatz-Mangel.

Frauen müssten auf die Straße gehen, protestieren und streiken, ihre Arbeit niederlegen: zuhause, in Kitas, im Pflegebereich.

"Frauen müssten auf die Straße gehen, protestieren und streiken", sagt Kolz, "ihre Arbeit niederlegen: zuhause, in Kitas, im Pflegebereich." Die meisten trauten sich aber auch das nicht. "Oder sie haben dafür keine Zeit – weil sie zu Hause gebraucht werden."

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