US-Wahlkampf-Endspurt: Wie machen sich Harris und Trump?

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Autor/in
Pascal Fournier

Am 6. November entscheiden die Wählerinnen und Wähler, ob Donald Trump wieder Präsident wird- oder ob Kamala Harris erste Präsidentin der USA. Wie die beiden sich im Wahlkampf-Endspurt verhalten, schätzt die Historikerin und USA-Expertin Britta Waldschmidt-Nelson im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Pascal Fournier ein.

SWR Aktuell. Was geben Sie eigentlich auf die aktuellen Umfragen-  wie bedeutsam sind die?

Britta Waldschmidt-Nelson: Sie zeigen einfach nur deutlich, dass das Rennen unglaublich eng werden wird. Und das gerade, wenn man auf diese sieben Swing States schaut, also die Staaten, von denen das Wahlergebnis dann hinterher abhängen wird, um die Mehrheit im Electoral College zu bekommen. Da dort die beiden Kontrahenten wirklich gleichauf liegen, lässt sich momentan noch gar keine Vorhersage machen, wer dieses Rennen gewinnen wird am Ende des Tages

SWR Aktuell: Sind denn die knappen Umfragen möglicherweise eine Gelegenheit, zusätzliche Wähler zu motivieren?

Waldschmidt-Nelson: Zumindest sind der Kandidat und die Kandidatin natürlich intensiv darum bemüht, jetzt noch alles zu motivieren. Das zeigen die Resultate des sogenannten Early Voting. Viele der Wahlbüros haben ja schon geöffnet - in Georgia haben zum Beispiel schon 25 Prozent der Wahlberechtigten jetzt schon, zwei Wochen vor der Wahl, ihre Stimme abgegeben. Ich denke, die Wahlbeteiligung wird sehr hoch werden, wahrscheinlich sogar ein neues Rekordhoch erreichen. Und das liegt natürlich daran, dass es jetzt um jede Stimme geht.

SWR Aktuell: Es geht um jede Stimme. Aber worum geht es inhaltlich? Was denken Sie, was motiviert die Wähler, diesmal so zahlreich an die Wahlurne zu  gehen?

Waldschmidt-Nelson: Es geht halt schon um vieles, weil die beiden Kandidaten von nur von einigen politischen Punkten, sondern von ihrer gesamten Weltanschauung her, vollkommen unterschiedliche Lager und Positionen vertreten. Bei den Demokraten ist es so, dass sie in Kamala Harris jemanden sehen, der für eine positive Zukunft steht, der die Diversität von Amerika, die Inklusion von Minderheiten, von Frauen, auch von Transgender-Personen zum Beispiel hoch schätzt, die für das Recht auf Abtreibung eintritt, und Ähnliches. Von außenpolitischen Prioritäten mal abgesehen, dass sie zum Beispiel jemand ist, die Joe Biden folgend zur NATO steht und weiterhin die Ukraine unterstützen wird. Und all dies ist ja genau andersherum bei Donald Trump.

Donald Trump: Demokraten sind „durchgeknallte Kommunisten“

Donald Trump ist jemand, der ein sehr negatives Weltbild zeichnet, der behauptet, dass die Demokraten wirklich alle durchgedrehte Kommunisten sind, die Amerika völlig kaputt machen. Er behauptet, die Biden-Regierung habe das Land in den Abgrund gewirtschaftet, was überhaupt nicht stimmt. Es ist zwar wahr, es gibt eine hohe Inflation, die dazu geführt hat, dass die Preise für die Alltagsgüter enorm gestiegen sind. Aber diese Inflation ist ja jetzt wieder runter gegangen und die Makrowirtschaftsdaten, da ist die Bilanz der Biden-Administration ziemlich gut. Donald Trump ist auch jemand, der zum Beispiel klar sagt: Er mag Putin, er will die Ukraine nicht weiter unterstützen, er will Zölle erheben, er legt es auf neuen Handelskrieg an, und er hat auch mehrfach angekündigt, dass er seine Macht als Präsident dazu nutzen will, auch innenpolitisch politische Gegner zu verfolgen. Da sind wirklich ganz, ganz große Unterschiede bei diesen beiden Kandidaten. Und das motiviert natürlich die Leute, die jeweils das unterschiedliche Lager unterstützen.

SWR Aktuell: Wie bewerten Sie denn den bisherigen Wahlkampf? Er ist doch in mehrfacher Hinsicht sehr ungewöhnlich gewesen. Sie haben diese extreme Polarität angesprochen, aber auch allein das Zustandekommen des Personaltableaus war ja schon ungewöhnlich…

Waldschmidt-Nelson: Ja sicher. Die Tatsache, dass Biden sich zurückgezogen hat, hat den Demokraten überhaupt noch mal eine Chance eingeräumt - nach diesem katastrophalen Rededuell mit Donald Trump, wo er wirklich schon geradezu dement wirkte. Danach hatten die Demokraten keine Chance. Und wenn man sich die Ausnahmen anschaut von der Republican National Convention: Das war wirklich schon eine Krönungszeremonie, die Republikaner dachten, sie haben die Wahl schon vollkommen sicher gewonnen. Und es war für die Republikaner eigentlich ein Schock, dass Kamala Harris übernommen hat, die ja vorher eine, sage ich mal, nicht so auffallende Vizepräsidentin war. Das hat das Amt des Vizepräsidenten auch an sich.

Harris hat schnell viele Spenden gesammelt

Ihr es ja in relativ kurzer Zeit gelungen, die Demokraten, die Demokratische Partei hinter sich zu vereinigen, wahnsinnig viele Spendengelder zu bekommen und in den Polls doch deutlich bessere Werte zu erzielen als Joe Biden sie vorher hatte. Und das hat Donald Trump Zeitlang richtig aus dem Tritt gebracht. Er war entsetzt. Die Republikaner haben ja sogar Entschädigung dafür gefordert, dass die Demokraten jetzt auf jemand anders gesetzt haben. Aber nachdem dieser erste Schock überwunden war, hat Donald Trump halt jetzt - nicht ohne Erfolg bei seinen Anhängern - Kamala Harris als eine durchgeknallte Kommunistin dargestellt, die zum Beispiel für irgendwelche illegalen Einwanderer Transgender-Operationen finanzieren will, und so weiter. Er behauptet ja oft Dinge, die einfach nicht stimmen. Aber seine Anhänger glauben das.

Auch Harris zielt manchmal unter die Gürtellinie

SWR Aktuell: Sie haben angesprochen, dass Donald Trump sozusagen keine Beleidigung, keine mögliche Beleidigung seiner Kontrahentin ausgelassen hat. War das noch heftiger als in den vergangenen Runden?

Waldschmidt-Nelson:Sagen wir so: Von Seiten der Republikaner her sehe ich da jetzt keinen großen Unterschied zwischen dem Wahlkampf jetzt und dem Wahlkampf, den Donald Trump damals gegen Hillary Clinton geführt hat. Da waren ja auch schon sehr viele sexistische Töne, die da anklangen- das hat sich jetzt nicht geändert. Was sich ein bisschen geändert hat, ist, glaube ich, der Ton, den Kamala Harris angeschlagen hat. Sie hat in einigen Reden Donald Trump persönlich ziemlich scharf angegriffen. Und das war etwas, das die Demokraten vorher nicht gemacht haben. Aber die haben sich jetzt wahrscheinlich gedacht. Es geht nicht mehr ohne. Man erinnert sich an den berühmten Spruch von Michelle Obama, die damals gesagt hat immer gesagt hat, „when they go low, we go high“, man soll nicht verbal unter Gürtellinie schlagen. Aber inzwischen hat sich das Debattenklima nochmal mehr verhärtet in den USA.

SWR Aktuell: Die Gesellschaft ist ohnehin schon tief gespalten. Die beiden Lager können sich kaum noch auf die Gültigkeit der Schwerkraft einigen. Die meisten scheinen ja auch schon zu wissen, wen sie wählen wollen. Ist damit alles schon gelaufen, oder lassen sich noch Wählergruppen umstimmen?

Waldschmidt-Nelson: Ich glaube, es ist noch nicht alles gelaufen. Es gibt einige Gruppen, um die sich Kamala Harris jetzt auch sehr intensiv bemüht. Das sind zum Beispiel die Arab Americans. Die Arab Americans haben eigentlich spätestens, nachdem Donald Trump damals den „Muslim Travel Ban“ durchsetzen wollte, was die Demokraten verhindert haben, bei den letzten Wahlen mit sehr hohen Prozentzahlen demokratisch gestimmt. Jetzt ist das Problem, dass der Nahost-Konflikt, für den viele der Muslim und Arab Americans der Biden-Administration Mitschuld geben, dass da Waffen an Israel geliefert werden, die dann im Gazastreifen gegen die palästinensische Bevölkerung eingesetzt werden. Diese Arab Americans machen einen ziemlich hohen Bevölkerungsanteil im Staat Michigan aus. Michigan ist ein ganz, ganz wichtiger Staat. Wenn es also Kamala Harris gelingen würde, Wisconsin, Michigan und Pennsylvania zu gewinnen, dann würde sie die Wahl gewinnen. Und das wird wahrscheinlich auf wenige Stimmen hinauslaufen.

Womöglich entscheidend: Die Kandidaten anderer Parteien

Ein Punkt, den ich noch erwähnen will - denn der wird nie ins Feld geführt und ist sehr entscheidend - sind die „Dritt-Kandidaten“. Gerade in Michigan und anderen Nordoststaaten ist Jill Stein, die Kandidatin der Grünen Partei, sehr populär, eben gerade auch bei den Arab Americans, die dann als Alternative sagen, okay, wir wählen Kamala Harris nicht, Trump wollen wir auch nicht wählen, wählen wir halt Jill Stein. Sie wird wahrscheinlich fast ein Prozent der Wählerstimmen bekommen. Das ist natürlich nicht genug, um zu gewinnen - aber es könnte dazu beitragen, dass Kamala Harris die Wahl verliert. Genau wie es zum Beispiel damals Ralph Nader war, der dafür gesorgt hat - durch seine Kandidatur im Jahr 2000-, dass Al Gore die Wahl verloren hat. Es gab auch Wahlschiebung in Florida damals - aber abgesehen davon ist es ganz entscheidend, wenn solche Dritt-Kandidaten Stimmen abziehen. Und es geht ja oft nur ein paar tausend Stimmen in manchen Wahlbezirken. Das kann gefährlich werden. Also da muss sich Kamala Harris jetzt noch sehr bemühen. Die Wahlgruppen, die sie versucht, jetzt noch umzustimmen, Arab Americans, indem sie auch immer mehr versucht, in ihren Reden auch das Leid der palästinensischen Bevölkerung in den Vordergrund zu stellen. Sie bemüht sich auch darum, die Stimmen von Latinos zu bekommen, und auch von schwarzen Männern. Da ist es auch so, dass einige jetzt doch deutlich mehr als bei der Wahl von Joe Biden dazu tendieren, ins Trump-Lager überzukippen, weil manche Männer sich einfach von dieser Macho-Gestik eines Donald Trump anziehen lassen.

SWR Aktuell: Und wie sieht Trumps Wahlkampfendspurt aus?

Waldschmidt-Nelson:Ich glaube, er versucht halt auch in diesen Lagern, also vor allem bei den Männern, noch mehr Stimmen hereinzubekommen, und seine Leute aufzustacheln, dass sie zur Wahl gehen sollen. Er malt ja dieses Szenario, dass, wenn die Demokraten gewinnen, das Land absolut in den Abgrund gestürzt wird. Donald Trump appelliert sehr viel an Angst, an negative Emotionen, um die Leute zu motivieren. Kamala Harris tut es in manchen Fällen auch, indem sie natürlich auf die Gefahren für die Demokratie hinweist, die sich ergeben würden, wenn Trump diese Wahl gewinnt. Aber insgesamt führt sie doch einen etwas optimistischeren Wahlkampf, malt auch ein Bild von Amerika und von Amerikas Zukunft, das längst nicht in so dunklen Tönen gehalten ist wie das von Donald Trump.

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Pascal Fournier