Der Haushaltsstreit der Ampel lässt auch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs nicht kalt: Kay Scheller fordert eine radikale Ausgabenkritik statt weiter auf zusätzliche Schulden zu setzen.
Die Haushaltspolitik läuft in eine völlig falsche Richtung, davon ist Rechnungshof-Präsident Kay Scheller überzeugt. Die Bundesregierung versuche nur noch, Haushaltslöcher mit Maßnahmen zu stopfen, die hart am Rand der Verfassungswidrigkeit seien, so Scheller im ARD Interview der Woche. Stattdessen sollten bisherige Ausgaben überprüft werden, inwieweit sie noch notwendig und sinnvoll seien. Nur mit einer radikalen Ausgabenkritik und Einsparungen könnten die Mittel für dringend notwendige Investitionen, den Klimaschutz und die Bundeswehr aufgebracht werden.
Deutschlands oberster Rechnungsprüfer besorgt, dass in der Politik vor allem über zusätzliche neue Schulden nachgedacht wird. Zu Abstrichen an den vorhandenen Ausgabenblöcken im Haushalt sei "anscheinend keiner der Koalitionspartner bereit und in der Lage." Scheller verweist auf Empfehlungen des Bundesrechnungshofs, Staatsausgaben neu zu bewerten, die Wirksamkeit von Programmen zu überprüfen und Aufgaben neu zu priorisieren.
"Politik wird immer sagen, dass sie mit dem Geld nicht auskommt"
Eine Reform der Schuldenbremse, wie sie von SPD, Grünen und Landespolitikern der CDU, aber auch von Wirtschaftswissenschaftlern ins Spiel gebracht wurde, lehnt Scheller ab: "Die Politik wird immer sagen, dass sie mit dem zur Verfügung stehenden Geld nicht auskommt." Die Begrenzung der staatlichen Kreditaufnahme hält er nicht nur aus Gründen der Generationengerechtigkeit für wichtig. Schon heute würden die Zinsausgaben den Spielraum der Politik einschränken. Dass andere Länder höhere Schuldenquoten haben, lässt Scheller als Argument für eine stärkere Kreditfinanzierung nicht gelten: Deutschland sei der Stabilitätsanker für Europa. Sollten Zweifel an der Bonität Deutschlands aufkommen, hätte das massive Folgen – "dann wird uns kein anderer europäischer Staat retten können", so Scheller.
Tragfähigkeit deutscher Staatsfinanzen gefährdet
Eine Kehrtwende in der Haushaltspolitik fordert Scheller auch mit Blick auf die langfristigen finanziellen Herausforderungen. Der Präsident des Bundesrechnungshofs verweist auf die steigenden Bundeszuschüsse für die Sozialversicherungskassen: "Wir sprechen hier mittlerweile von jährlichen Zuschüssen von mehr als 150 Milliarden Euro." Ohne Korrekturen sei die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen auf Dauer gefährdet.
Kritik an der Umsetzung der Energiewende
Für viel Aufmerksamkeit hat in der Ampel-Koalition ein Bericht von Schellers Behörde zur Umsetzung der Energiewende gesorgt – die sei "nicht auf Kurs", so die Feststellung eines im März vorgelegten Berichts. Darüber war im Bundestag erregt debattiert worden, die SPD-Politikerin Nina Scheer hatte dabei auf Schellers Mitgliedschaft in der CDU hingewiesen. Scheller sagt dazu, das Gutachten sei von 16 Mitgliedern seiner Behörde erarbeitet worden, die unabhängig agierten. Zudem habe es schon seit 2016, also in der Zeit der Großen Koalition, Berichte zur Energiewende gegeben, die ebenfalls kritisch ausgefallen seien.
Spahns Maskenbeschaffung: Völlig aus dem Ruder gelaufen
Angesprochen auf die Kritik des Rechnungshofes an der Maskenbeschaffung in Corona-Zeiten sagt Scheller, hier seien unterschiedliche Phasen zu berücksichtigen. Zu Beginn der Corona-Zeit sei die Politik sehr erfolgreich gewesen, Masken für Arztpraxen und Krankenhäuser zu besorgen. Danach aber sei die Maskenbeschaffung "aus dem Ruder geraten": Es sei ohne jegliche Steuerung bestellt worden, zum Teil bei Firmen mit sehr merkwürdigen Hintergründen. Die Kritik des Rechnungshofes könne man nicht so verstehen, dass man im Nachhinein immer schlauer sei.
Rechnungshofpräsident auch privat ein Sparfuchs
Auf sein eigenes Ausgabeverhalten angesprochen sagt Scheller, dass ihm Sparsamkeit auch persönlich wichtig sei. Er hole schon mal Wasser aus dem öffentlichen Brunnen in seinem Wohnort Rhöndorf, sagt er mit einem Augenzwinkern. Allerdings gebe er schon mal gerne Geld für Feste aus: "In die Gemeinschaft würde ich immer investieren."
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