"Ich war überrascht": Warum Scholz in der Vertrauensfrage seine Meinung ändert

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Autor/in
Bernhard Seiler
Bernhard Seiler steht im Gang eines SWR-Gebäudes.
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Andreas Böhnisch

Jetzt also doch: Bundeskanzler Olaf Scholz kann sich vorstellen, die Vertrauensfrage vor Weihnachten zu stellen. Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch ist davon überrascht.

Aus dem kategorischen "Nein" des Bundeskanzlers ist ein "vielleicht" geworden. Olaf Scholz (SPD) kann sich vorstellen, die Vertrauensfrage im Bundestag noch vor Weihnachten zu stellen, wenn sich die Fraktionsvorsitzenden darauf einigen.

Scholz geht auf Bevölkerung zu

"Ich war davon überrascht", sagt die Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Bernhard Seiler. "Wenn sich der Bundeskanzler mal auf etwas festgelegt hat, ist er selten wieder davon abzubringen." Doch Scholz habe wohl verstanden, dass die Menschen seine Entscheidung nicht verstanden hätten, die Vertrauensfrage erst am 15. Januar 2025 zu stellen.

Es ist ein sinnvolles Entgegenkommen.

Frühere Vertrauensfrage als Reaktion auf Sieg von Trump

Für Münch ist der Handlungsdruck vor allem in Zusammenhang mit dem Ausgang der US-Präsidentschaftswahl zu sehen. Wenn Donald Trump am 20. Januar sein Amt antritt, gehe es um die Frage, "wer repräsentiert die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und den stärksten Staat innerhalb der Europäischen Union". Möglicherweise habe auch der EU-Gipfel in Budapest die Haltung des Bundeskanzlers geändert. Es sei gut möglich, dass der eine oder andere der Staats- und Regierungschef dort die Bemerkung gemacht habe: "So lange lasst ihr euch Zeit in Deutschland."

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Wie schnell kann eine Bundestagswahl organisiert werden?

Für Aufregung hatten Äußerungen der Bundeswahlleiterin Ruth Brand gesorgt, die eine Neuwahl des Bundestags aus organisatorischen Gründen im Januar oder Februar für riskant hält. "Die muss man ernst nehmen", erläutert die Politikwissenschaftlerin. Dabei gehe es nicht nur um genügend Papier. In Deutschland existierten sehr viel Wahlämter, die Personal finden müssten. Außerdem würden Freiwillige in ausreichender Anzahl benötigt und die Kommunen müssten Hallen zum Auszählen der Briefwahlstimmen anmieten. "Das kann man nicht im Rathaus machen."

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Eine weitere Hürde stelle das politische System der Parteiendemokratie in Deutschland dar. "Wir haben ganz genaue Vorschriften sowohl im Bundesparteiengesetz als auch im Bundeswahlgesetz, welche Schritte die Parteien zu gehen haben, um die Direkt- und Listenkandidaten aufzustellen."

Entscheidung über Vertrauensfrage bis Ende der Woche?

Zum weiteren Vorgehen trifft sich die Bundeswahlleiterin am heutigen Montag mit den Landeswahlleitern. Am Mittwoch wird der Bundeskanzler im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben. Sollte Scholz die Vertrauensfrage damit verknüpfen, könne er sie frühestens am Freitag stellen, da zwei Tage zwischen der Ankündigung und der Abstimmung liegen müssten, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. "Ich schätze, dass wir am Ende dieser Woche deutlich mehr wissen als heute."