Nach dem Ampel-Aus

FDP-Fraktionschef Dürr: Mehr Menschlichkeit in der Politik

Stand
Autor/in
Lissy Kaufmann

Wie wohl die meisten Politiker in der Hauptstadt, dürfte auch er in den vergangenen Nächten nicht viel geschlafen haben: FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Er war dabei, bei jenem Koalitionsausschuss, der in die Geschichtsbücher eingehen wird. Wie lief der Abend im Kanzleramt ab? Welche Schuld hat auch die FDP an der zunehmenden Politikverdrossenheit der Menschen? Und würde der Ökonom Dürr Wirtschaftsminister unter einem grünen Kanzler Habeck werden wollen?

Mit Emotionen und Nebensächlichkeiten der Politik hat es Christian Dürr nicht so. Fragt man ihn, wie das denn so war, am Abend des Koalitionsausschusses im Kanzleramt, bleibt er sachlich. Will seine politischen Ideen verkaufen: Mehr tun für die Wirtschaft. Waffen für die Ukraine. Schuldenbremse beibehalten. Und sonst so? Gab es Emotionen? Keine Tränen, kein Lachen, sagt er. Und seine eigenen Gedanken, wenn er mal zur Ruhe kommt, vor dem Einschlafen, unter der Dusche? "Es kommen natürlich die Gedanken, wie geht es weiter? Wie kann man die Dinge so strukturieren, damit wir vernünftig vorankommen?", sagt der FDP-Fraktionschef. Politiker-Sprech.

Reaktionen des Kanzlers haben Dürr überrascht

Christian Dürr ist geübt. Der 47-jährige Familienvater aus Niedersachsen sitzt seit 2017 im Bundestag. Seit drei Jahren ist er Fraktionschef. Davor war er mehrere Jahre im Präsidium seiner Partei. Er versteht es, mit einem Lächeln den eigentlichen Fragen auszuweichen, seine politischen Ideen und den Spin seiner Partei zu verkaufen. Zum Beispiel den, dass die Reaktionen des Kanzlers nach dem Koalitionsausschuss am Mittwochabend unfein waren: "Das hat mich teilweise überrascht", sagt Dürr. "Ich weiß nicht, ob so scharfe Äußerungen des Nachtretens klug waren für die politische Kultur. Ich würde mich freuen, wenn wir da wieder zu mehr Menschlichkeit kommen."

Lissy Kaufmann, Hauptstadtkorrespondentin und Christian Dürr, FDP-Fraktionschef
Lissy Kaufmann, Hauptstadtkorrespondentin und Christian Dürr, FDP-Fraktionschef

"Ich bin ein offener Typ"

Er selbst sei ohne Groll, sagt Dürr, tritt aber auch selbst ein bisschen nach – geschickt und indirekt. Er zitiert einfach andere: "Ich habe gestern einen Journalisten gehört, der hat formuliert, dass ihm Politiker suspekt sind, die Wutausbrüche vom Monitor ablesen müssen. Aber ich glaube, das muss Olaf Scholz mit sich selbst ausmachen." Den Parlamentariern der anderen Parteien will er weiter offen begegnen. Zu manchen habe man ein engeres freundschaftliches Verhältnis, zu anderen weniger. "Ich bin ein offener Typ und bin immer bereit, mit Demokraten zu reden. Freundschaftlich." Dürr kann sich auch vorstellen, wieder mit Volker Wissing zu sprechen, der aus der FDP ausgetreten und in der rot-grünen Minderheitsregierung geblieben ist.

"Brauchen keine Regeneration in der Opposition"

Trotz der anstrengenden Ereignisse der vergangenen Tage bleibt Dürr dabei: Er sei gerne Fraktionsvorsitzender seiner Partei. Und überhaupt, sei er gerne Parlamentarier. An eine Zukunft seiner Partei im Bundestag glaubt er fest. "Wir brauchen keine Phase der Regenerierung in der Opposition, sondern wir sind mit Tatendrang unterwegs", sagt Dürr. Und fordert schnelle Neuwahlen.

Danach will FDP-Chef Lindner sogar wieder Finanzminister werden. Wäre Dürr, studierter Ökonom, da nicht auch für das Amt des Wirtschaftsministers zu haben? Vielleicht ja sogar unter einem grünen Kanzler Habeck? Der hat seine Ambitionen jetzt öffentlich gemacht. Beim Grünen Parteitag kommende Woche soll er als Kandidat gekürt werden. Dürr lächelt. "Ich kann mir Vieles vorstellen, aber die Tatsache, dass Robert Habeck jetzt Bundeskanzler wird, sehe ich offen gestanden nicht."

Stand
Autor/in
Lissy Kaufmann