Weitgehend nicht digitalisiert, in jedem Ministerium unterschiedlich, komplex und dysfunktional sind die Förderprogramme der baden-württembergischen Landesregierung. Das ist das Fazit von Dieter Salomon, Vorsitzender des Normenkontrollrats.
Das unabhängige Gremium hat am Freitag seinen Bericht vorgestellt und soll dem Land beim Bürokratieabbau helfen. Es gebe bei den Förderprogrammen der Landesregierung hohen Handlungsbedarf. "Das wird im nächsten Jahr auch einer der Schwerpunkte sein, um die wir uns kümmern werden", sagt Salomon.
Komplizierte Anträge und zu wenig Personal
Konkret soll laut Normenkontrollrat unter anderem Bürokratie beim Förderprogramm für die Sprachförderung in Kitas abgebaut werden. So sollen unnötige Nachweise vermieden werden, die bei Kita-Trägern als Misstrauen wahrgenommen werden. Auch beim Programm für Fuß und Radwege, sowie Infrastruktur für Bus und Bahn sollen die Städte und Gemeinden mehr Freiräume bekommen.
Generell gebe es laut Salomon zwei Probleme. Zum einen würden Menschen, die Anspruch auf Förderung hätten, diese nicht mehr beantragen, weil es ihnen zu kompliziert sei und zu lange dauere. "Das Ziel der Förderung kann gar nicht mehr erreicht werden, weil es gar nicht mehr abgerufen wird", sagt Salomon.
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Unklarheit über Anzahl der Förderprogramme
Ein weiteres Problem: Wer vom Land eine Förderung möchte, muss Berichte und Nachweise bringen. Diese werden vom Land geprüft. "Das kann von niemandem mehr kontrolliert werden, weil die Landesregierung gar nicht die Leute hat", sagt Salomon.
Schon vor anderthalb Jahren habe der Kontrollrat vorgehabt die Förderprogramme zu durchleuchten. "Mich hat schon schockiert, dass das Land gar nicht wusste, wie viele Förderprogramme es landesseitig gibt", sagt Salomon. Da das Ergebnis nicht auf Knopfdruck verfügbar gewesen sei, habe der Normenkontrollrat mithilfe von Künstlicher Intelligenz den Haushalt durchsucht. Das Ergebnis: Es gibt insgesamt 414 Förderprogramme.
SPD: Mehr Vorschriften erlassen als abgebaut
Laut SPD sind in der grün-schwarzen Regierungszeit seit März 2021 immer mehr Verordnungen, Vorschriften und Gesetze entstanden, als abgebaut wurden. Das zeigen eigene Berechnungen der Oppositionspartei im Landtag auf Basis einer Anfrage an das Staatsministerium.
Laut SPD sind in dem Zeitraum fast 150 Regularien dazugekommen. Den Berechnungen liegt das "one in, one out"- Prinzip zu Grunde. Konkret heißt das: Erzeugt eine neue Regelung zusätzliche bürokratische Belastung, soll es an anderer Stelle Entlastung geben.
"Der Abbau überflüssiger bürokratischer Hürden ist essenziell, um Innovation und wirtschaftliches Wachstum zu fördern. Unnötiger Verwaltungsaufwand ohne Mehrwert lähmt Unternehmen, erschwert Investitionen und behindert damit Fortschritt", sagt Boris Weirauch rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
200 Gesetze, Vorschriften und Vorschläge geprüft
Die Landesregierung schreibt in der Anfrage der SPD, sie unterstütze die zugrundeliegende Haltung der "one in, one out"-Regelung. Ob diese Regelung angewendet werden sollte, sei jedoch vom Einzelfall abhängig. 2016 hatte die Landesregierung die Vorgabe "one in, one out" noch im Koalitionsvertrag stehen. Im aktuellen Vertrag der grün-schwarzen Landesregierung ist dazu nichts mehr zu finden.
"Mit dieser Landesregierung werde es keinen echten Bürokratieabbau geben", sagt Erik Schweickert von der FDP-Fraktion. Das zeige sich daran, dass die Landesregierung nicht die Zahl der eigenen Förderprogramme kenne. Es sei ernüchternd, dass es die umfassende Arbeit des Normenkontrollrates überhaupt brauche, so Schweikert.
In den vergangenen 15 Monaten hat sich das Gremium mit insgesamt 200 Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Verordnungen im Land beschäftigt und Vorschläge für weniger Bürokratie gemacht.