Gold und Silber, dafür ist Schwäbisch Gmünd bekannt. Aber Glas? Das verbinden die wenigsten mit der Stadt auf der Ostalb. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stauferstadt jedoch zur Hochburg der Glasmacherkunst. Heimatvertriebene hatten die Glashütten auf der Ostalb aufgebaut, viele fanden dort Arbeit. In Schwäbisch Gmünd selbst ist von dieser Zeit gar nichts mehr zu sehen. Eine neue Ausstellung im Prediger zeigt nun die Glaskunst. Und die Erinnerungen der Zeitzeugen, die sind auch noch da.
Alfred Brandner sitzt auf seinem orangenen Sofa und beugt sich über Ausdrucke aus alten Filmen des Süddeutschen Rundfunks (SDR). Er erkennt seinen alten Meister auf den Aufnahmen wieder, seine ehemaligen Kollegen aus den alten Gablonzer Glashütten von Schwäbisch Gmünd. Alfred Brandner ist einer der letzten Glasmacher, die noch in den Hütten gelernt hatten. Er lächelt: "Da haben Sie mir aber schöne Erinnerungen mitgebracht."
Arbeiten im Akkord und im Team
"Die Gebrauchsglasproduktion ist damals schon im Akkord gelaufen. Das war Teamwork. Und wenn einer nicht funktionierte, dann verdienten alle kein Geld", erinnert sich der heute 72-Jährige an eine schweißtreibende, aber auch schöne Zeit.
Wenn er als 17-Jähriger nachts von der Disco heimkam und sich nicht mehr nach Hause traute: "Da hab ich dann an die Glashütte geklopft und der Nachtheizer hat mich reingelassen, bis es um 5 Uhr mit der Arbeit losging. Das war eine verrückte Zeit."
Heimatvertriebene bauen Glashütten in Gmünd wieder auf
Wie für Alfred Brandner prägten die Glashütten damals den Alltag von vielen Menschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Heimatvertriebene aus dem Sudetenland nach Gmünd, die meisten aus dem nordböhmischen Gablonz. Eine Region, die bekannt für seine Glas- und Modeschmuckindustrie war.
Innerhalb weniger Jahre gelang es den Gablonzern, ihre Glasindustrie in Schwäbisch Gmünd wieder aufzubauen und viele neue Arbeitsplätze zu schaffen. Laut Gmünds jetzigem Oberbürgermeister wuchs die Bevölkerung damals um 30 Prozent. Bis in die achtziger Jahre wurde in Gmünd Stangenglas für Modeschmuck produziert. Aber auch stilvolle Trinkgläser und Vasen kamen aus den Hütten der Stauferstadt.
Heute ist in Gmünd davon nichts mehr zu sehen. An dem Ort, an dem Alfred Brandner seine Lehre begonnen hatte, die Wiesenthal-Hütte, steht heute ein riesiger Baumarkt. Einzig das Gebäude der alten Glasveredelungshütte, die Cäcilienhütte, erkennt der Rentner wieder. In dem Gebäude ist jetzt ein Kindergarten.
Neue Abteilung im Prediger
Dass Gmünd nur als Gold- und Silberstadt bekannt ist, missfällt dem ehemaligen Glasmacher. "Nichts ist mehr davon geblieben." Außer der Handwerkskunst. Das Museum im Prediger hat sie zusammengetragen: Modeschmuck aus Glas, feine, bunte Trinkgläser mit hohen Stilen, große, runde Vasen - damals voll in Mode. Die neue Abteilung Glas & Schmuck widmet sich nun diesem Teil der Gmünder Stadtgeschichte.
"Die Geschichte der Glasmacherkunst ist ja noch gar nicht so lange her, und dennoch ist das Material schon fast wieder vergessen", sagt Max Tillmann, Leiter des Museums im Prediger. Dieses Vakuum, wie er es nennt, möchte die neuen Ausstellung füllen.
97-jährige Besucherin bei Ausstellungseröffnung
Zur Ausstellungseröffnung ist Marianne Döbbelin gekommen. Mit 19 Jahren kam sie aus Gablonz nach Gmünd. Bis in die neunziger Jahre hatte sie mit ihrer Schwester die Werkstatt für Modeschmuck ihres Vaters, Richard Prade, weitergeführt. Prade war damals der Name, wenn es um Modeschmuck ging. Heute ist Marianne Döbbelin 97 Jahre alt, die Werkstatt ist geschlossen, aber einige der Schmuckstücke sind nun Teil der neuen Ausstellung: "Das finde ich wunderschön, auch das die Erinnerung daran erhalten bleibt."
Auch der Glasmacher Alfred Brandner scheint versöhnt zu sein: "Das ist eine wirkliche Bereicherung, das muss ich ganz ehrlich sagen." Der Glasmacher selbst bewahrt seine Erinnerungen an die Zeit in einem Schrank in seinem Wohnzimmer auf – fünf Original Wiesenthal-Sektflöten, die er selbst in seiner Jugend mit produziert hat.