Vor genau 80 Jahren, am 14. Oktober 1944, wurde Erwin Rommel in seinem letzten Wohnsitz Blaustein-Herrlingen im heutigen Alb-Donau-Kreis von den Nationalsozialisten zum Suizid gezwungen. In einem Steinbruch bei Herrlingen musste der Generalfeldmarschall in Anwesenheit mehrerer Wehrmachtsgeneräle Zyankali einnehmen. Lange galt Rommel als strahlender Held. Heute ist dieses Bild nahezu verblasst.
Das Rommel-Denkmal in Heidenheim. Auf einer Wiese unterhalb des Waldfriedhofs wurde der bogenförmige Gedenkstein aus Muschelkalk 1961 von Kriegsveteranen geschaffen - in Verehrung Rommels, der selbst in Heidenheim geboren wurde. Jahrelang wurde in der Stadt darüber diskutiert, ob das Denkmal für "Hitlers Lieblingsgeneral" entfernt werden soll. Stattdessen wurde es 2020 umgestaltet: Der Heidenheimer Künstler Rainer Jooß setzte dem Gedenkstein die Figur eines aus Stahl gefertigten Landminen-Opfers entgegen, platziert direkt neben dem Denkmal.
Das sagen Historiker und Künstler zur Figur Erwin Rommels:
Rainer Jooß: Früher selbst Fan von Erwin Rommel
Die Silhouette eines einbeinigen Menschen mit Krücken soll daran erinnern, dass während des Afrikafeldzugs Teile von Ägypten, Libyen und Tunesien mit Minen verseucht wurden. Dort ließ Generalfeldmarschall Rommel als Kommandeur des deutschen Afrikakorps Labyrinthe aus Minen anlegen. Als er 1942 die zweite Schlacht um El Alamein an der Nordküste Ägyptens verlor, ließ seine Panzerarmee die Minenfelder zurück. Bis heute fordern sie Opfer - aufgegriffen in der Silhouette des Künstlers Jooß, die einen Schatten auf den zwei mal vier Meter großen Rommel-Gedenkstein wirft.
Der 60-Jährige war früher selbst Rommel-Fan. Als Kind war ihm der "Wüstenfuchs" regelmäßig als Held beschrieben worden: "Als kleiner Bub fand ich das unheimlich faszinierend, wie der in Afrika mit seinen Panzern angeblich ganz tolle Erfolge hatte." Mehrere Mitglieder aus Jooß‘ Familie waren Mitglieder bei SS und Wehrmacht, ihre Sichtweise von Krieg und Nationalsozialismus prägten den Jungen. Mit zunehmendem Alter und Wissen entwickelte er eine kritische Haltung, auch zu Erwin Rommel.
An Rommels Todestag oft Blumen am Heidenheimer Denkmal
Eine Sichtweise, die längst nicht alle teilen: In den vier Jahren seit Errichtung des Gegendenkmals hat Rainer Jooß neben dem ursprünglichen Denkmal immer wieder Blumengebinde oder Grableuchten entdeckt, in der Regel in der Zeit um Rommels Todestag. Immer wieder würden die E-Mail-Fächer der Heidenheimer Stadtverwaltung und des Gemeinderats durch Aktionen von zwei bis drei Personen lahmgelegt, weiß der Künstler. "Da bleibt diese Meinung bestehen, dass Rommel doch eigentlich ein ehrenwerter Mann war."
Von vielen wird Rommel den Widerstandskämpfern des Stauffenberg-Attentats auf Hitler zugerechnet. Andere wiederum halten ihm zugute, dass er das Afrikakorps gegen den Willen Hitlers aus Nordafrika zurückgezogen und damit sowohl vielen eigenen, als auch gegnerischen Soldaten das Leben gerettet hat.
Kontroverse auch am Sterbeort Erwin Rommels in Blaustein
Heidenheim ist nicht die einzige Stadt, die mit der Figur Rommel ringt. Auch Blaustein, in dessen Teilort Herrlingen Rommel zuletzt gelebt hatte. In der Villa Lindenhof beschäftigt sich dort neben anderen historischen Persönlichkeiten eine Dauerausstellung mit Rommel. Regelmäßig führt Karlo Hafner Interessierte durch das Kulturzentrum. Die meisten: Militärs aus England, Amerika oder China, sagt er. Zu Rommels Todestag habe ihm sogar ein US-amerikanischer Soldat Geld überwiesen, um ein Bouquet auf dessen Grab zu platzieren.
Junge Menschen würden sich hingegen wenig für Rommel interessieren. Ein Fehler, meint Hafner: "Es gibt kaum eine Gestalt, in der man so gut feststellen kann, wie zwiespältig damals die Menschen waren. Auf der einen Seite die Begeisterung für die Diktatur. Auf der anderen Seite Menschen, die zum Nachdenken gekommen sind, die sich distanziert haben."
Schriftsteller Proske: "Rommel verschwindet im Bewusstsein"
Anders blickt der Schriftsteller und Historiker Wolfgang Proske darauf. "Mit der NS-Generation, die langsam weggestorben ist, verdunstet nicht nur sein Ansehen, sondern überhaupt seine Bekanntheit." Für Proske kein Verlust: "Es ist ja nichts Positives, was wir von diesem Menschen lernen können."
Straßen und Kasernen sind nach wie vor nach Rommel benannt. Seit jeher gilt seine Rolle in der NS-Zeit als zwiespältig: Er war nie Mitglied der NSDAP, galt jedoch als glühender Verehrer Hitlers und verdankte ihm seine militärische Karriere. Am Ende waren es die Nationalsozialisten, die ihn zur Selbsttötung durch Gift zwangen. Auch 80 Jahre nach seinem Tod geht die Auseinandersetzung um Erwin Rommel weiter.