Expertinnen und Experten aus Recht, Medizin und Psychosomatik haben der Bundesregierung ihre Untersuchungsergebnisse sowohl zum Thema Schwangerschaftsabbrüche als auch Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft vorgelegt. Die drei Bundesministerien für Gesundheit, Justiz und Familie hatten sie beauftragt, die bislang geltenden Verbote in Deutschland zu überprüfen. Am Montag, 15. April, haben sie in Berlin ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Ihre zentrale Aussage: Verfassungsrechtlich und ethisch spricht nichts gegen eine Erlaubnis der Eizellspende in Deutschland.
Die Erwartungen an ihre Empfehlungen für eine Legalisierung der Eizellspende sind hoch - besonders bei Ärztinnen und Ärzten, die Frauen und Männern dabei helfen wollen, ein Kind zu bekommen. Für Paare, die eine Eizelle einer fremden Frau brauchen, um mit den Spermien des Mannes ein Kind zeugen zu können, hängt viel daran, ob künftig die Eizellspende in Deutschland erlaubt wird. Das Embryonenschutzgesetz von 1990 verbietet sie bisher strikt. Im Jahr sind laut dem Deutschen IVF-Register bundesweit über 70.000 Paare in Kinderwunschzentren in Behandlung. Jedes sechste Paar braucht medizinische Hilfe, um ein Kind zu bekommen.
Reproduktionsmedizin Wie funktionieren Eizellspende und Leihmutterschaft?
Eizellspende und Leihmutterschaft sind in Deutschland bisher verboten, könnten aber unter bestimmten Bedingungen erlaubt werden, sagt eine Expertenkommission. Wie laufen sie ab?
Eizellspende - in vielen Ländern erlaubt
Immer mehr Paare suchen sich wegen des Eizellspende-Verbots Hilfe im Ausland - zum Beispiel in Tschechien, Spanien, Polen oder Dänemark. Denn dort ist die Eizellspende bereits seit Jahren legal. Sie kaufen sich dort für mehrere tausend Euro Eizellen, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen und Eltern zu werden.
Mit der Geburt des Kindes wird die Frau, die das Kind geboren hat - egal wie und wo es entstanden ist - auch rechtlich zur Mutter und im Fall einer Ehe der Mann auch rechtlich zum Vater. Luisa Kraus aus Bad Liebenzell (Kreis Calw) hatte mit ihrem Mann über die Auslandsoption nachgedacht, sich aber dagegen entschieden. Sie haben sich um eine Embryonenspende bemüht. Die ist in Deutschland noch kaum bekannt, aber aufgrund von Gerichtsurteilen erlaubt.
Jahrelanger unerfüllter Kinderwunsch kostet viel Kraft
Luisa Kraus ist 41 Jahre alt und versucht seit sechs Jahren mit ihrem Mann, ein Kind zu bekommen. Seit drei Jahren sind sie in einer Tübinger Kinderwunschpraxis in Behandlung. Bislang hat keine Therapie zum Kind verholfen: keine Insemination, keine In-Vitro-Fertilisation (IVF), also künstliche Befruchtung im Reagenzglas, und auch keine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), bei der ein einzelnes Spermium im Labor direkt in eine Eizelle gespritzt wird.
Es gibt keine medizinische Diagnose für ihren unerfüllten Kinderwunsch. Inzwischen ist aber klar, dass Luisas Eizellqualität vermutlich aufgrund ihres Alters nicht mehr so gut ist, dass sie weiter auf eine Schwangerschaft mit einer ihrer Eizellen hoffen kann. Zyklus für Zyklus, Behandlung für Behandlung hat sie gehofft, dass es doch noch klappt mit dem eigenen Kind.
Eine Eizellspende im Ausland kam für sie und ihren Mann nicht in Frage: "Für mich war schon der ganze Prozess hier in Deutschland mit den ganzen Behandlungen psychisch sehr belastend - das ständige Hoffen und die Ängste, wenn es wieder nicht klappt. Dann auch noch ins Ausland zu fahren, alles genau am Zyklus zu timen und zum richtigen Zeitpunkt dann in Tschechien oder Spanien zu sein, für mich war der Gedanke einfach zu viel", sagte Luisa im Gespräch mit dem SWR. Wobei sie gleich nachschiebt, dass sie es auch nicht garantieren kann, sollte das der einzige Weg zu ihrem Wunschkind sein.
Patientin: "Eizellspende als Option hätte mir geholfen"
Wenn die Eizellspende in Deutschland dagegen schon erlaubt wäre, hätte sie das während der ganzen Behandlungen entspannt, vermutet sie. Das hätte ihr so manche Gedanken leichter gemacht, wenn sie gewusst hätte, da ist nochmal eine Möglichkeit, ohne dass sie ins Ausland müsste - noch dazu, um dort etwas zu tun, was hier verboten ist.
Deshalb haben sich Luisa und ihr Mann für ihre womöglich letzte Chance auf eine Schwangerschaft und Geburt eines eigenen Kindes entschieden: eine Embryonenspende. Dabei wird Luisa ein wenige Tage alter Embryo eingesetzt, der von einem fremden Paar stammt und in einem Kinderwunschzentrum im Labor gezeugt wurde. Auch wenn sie dann beide nicht genetisch Eltern des Kindes wären, hoffen sie sehr darauf, dass dieser Weg klappt.
Samenspende erlaubt, Eizellspende verboten
Bei Kinderwunschbehandlungen ist die Samenspende von Männern schon seit Jahren übliche Praxis, die Eizellspende von Frauen dagegen ist in Deutschland strikt verboten. Das sieht das über 30 Jahre alte Embryonenschutzgesetz so vor. Das Verbot ist unter anderem mit dem Verdacht einer "gespaltenen Mutterschaft" begründet worden. Es wachse ein Kind auf, das eine genetische Mutter (die Spenderin der Eizelle) und eine soziale Mutter (die das Kind austrägt, gebärt und großzieht) hat. Gegen die Samenspende wurde nie mit einer "gespaltenen Vaterschaft" argumentiert. Psychologische Studien der vergangenen Jahre bestätigen, dass die Sorge vor einer "gespaltenen Mutterschaft" unberechtigt ist - die Qualität der Bindung ist entscheidend, unabhängig davon, ob Eltern und Kind dieselben Gene haben.
Tübinger Ärzte hoffen auf Legalisierung der Eizellspende
Die beiden Leiter der Tübinger Kinderwunschpraxis, Inés und Ulrich Göhring, hoffen darauf, dass die Eizellspende in Deutschland so schnell wie möglich legalisiert wird. Derzeit dürfen sie noch nicht einmal darüber aufklären, dass eine Eizellspende im Ausland möglich ist. Dabei informieren sich die betroffenen Paare im Internet und es gibt in Deutschland sogar Messen für Kinderwunsch. Dort werben ausländische Zentren für ihre Behandlungen mit Eizellen fremder Frauen.
Sollte sich die Bundesregierung zu einer Legalisierung der Eizellspende durchringen und ein Gesetz dafür auf den Weg bringen, seien die Kinderwunschzentren startklar, so Ulrich Göhring. Denn der Ablauf und die Verfahren seien dieselben wie bei anderen künstlichen Befruchtungen: Hormonstimulation der Frau, damit nicht nur eine, sondern mehrere Eizellen im Eierstock heranreifen und dann die Entnahme der Eizellen mit anschließender Befruchtung durch männlichen Samen.
Es müssten lediglich Strukturen geschaffen werden, wie Frauen gefunden, informiert und entschädigt werden, die bereit sind, Eizellen - und damit auch ihre Gene - an andere weiterzugeben. Und eine geregelte Dokumentation der Spenderinnen sei wichtig, damit das gezeugte Kind später die Möglichkeit hat, seine genetische Mutter ausfindig zu machen - also auf die Daten zugreifen kann, sagt Göhring - wie beim Samenspenderregistergesetz.
Wieviele sind von Eizellspende-Verbot betroffen?
Inés und Ulrich Göhring schätzen, dass die Eizellspende rund fünf Prozent ihrer Patientinnen und Patienten zum Kind verhelfen könnte. Zum einen seien das Paare, bei denen die Frau 40 Jahre oder älter ist. Dann nehme die Reserve und die Qualität der Eizellen deutlich ab, sodass die Schwangerschafts- und Geburtenrate niedrig ist.
Zum anderen würden Eizellen von fremden Frauen auch den Frauen helfen, die aufgrund von früheren Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs mit Chemotherapie behandelt wurden, sodass die Eizellqualität niedrig ist. Genaue Zahlen, wie viele deutsche Paare derzeit ins Ausland gehen, um dort Eizellen zu kaufen, gibt es Göhrings zufolge nicht.
Wissenschaftler: Embryonenschutzgesetz veraltet
Reproduktionsmedizinerinnen und -mediziner sagen schon seit Jahren: Das deutsche Embryonenschutzgesetz gehört dringend überarbeitet und den aktuellen Forschungen, medizinischen Möglichkeiten und den gesellschaftlichen Entwicklungen entsprechend angepasst. Es sei veraltetet. Auch Wissenschaftler der Leopoldina hatten bereits 2019 eine Legalisierung der Eizellspende gefordert, die Bundesärztekammer 2020 auf ähnliche Weise. Und nun auch die disziplinübergreifende "Kommission zur Reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin".
Verfassungsrechtlich und ethisch spreche nichts gegen eine Erlaubnis der Eizellspende. Und die medizinischen Risiken der Eizellspende für die Spenderinnen - körperlich wie psychisch - schätzen sie als relativ gering ein. Die Frauen müssten allerdings vorab "umfassend und neutral" aufgeklärt, mit den "gesundheitsschonendsten Verfahren" behandelt und angemessen entschädigt werden, heißt es in dem Abschlussbericht der Expertenkommission. Das Kind müsse "durch Dokumentationspflichten und Auskunftsrechte" das Recht auf Kenntnis seiner Abstammung haben - analog zur Samenspende, so die Expertinnen und Experten. Damit liegen Inés und Ulrich Göhring mit ihren Bitten und Forderungen an die Bundesregierung auf der Linie der Empfehlungen der Expertenkommission.
Bundesregierung wird Bericht prüfen
Am Montagnachmittag überreichten die 18 Expertinnen und Experten ihren rund 600-seitigen Abschlussbericht mit Empfehlungen der Bundesregierung. Laut Deutscher Presseagentur betonten die zuständigen Bundesminister, Karl Lauterbach (Gesundheit/SPD), Lisa Paus (Familie/Grüne) und Marco Buschmann (Justiz/FDP) bei der Übergabe der Studie, die Regierung werde sich Zeit nehmen, den Bericht zu prüfen.
Wie geht es jetzt weiter? Abtreibung, Leihmutterschaft, Eizellspende: Diese Änderungen empfiehlt eine Expertenkommission
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission empfiehlt, die Regeln für Schwangerschaftsabbrüche zu lockern. Es geht auch um Leihmutterschaft und Eizellspende.
Das kosten Eizellen im Ausland
Wegen des bislang gültigen Verbots kommen zahlreiche Paare mit Kinderwunsch nicht weiter. Sie müssen dann den Traum vom eigenen Kind aufgeben oder wählen den Weg ins Ausland, um sich dort Eizellen einer fremden Frau für 4.000 bis 10.000 Euro zu kaufen. In Spanien, Tschechien, Polen und auch in den skandinavischen Ländern wie zum Beispiel Dänemark ist die Eizellspende gegen Geld erlaubt; in Österreich altruistisch, also ohne Geld.
Frauenärztinnen und -ärzte sowie Kinderwunschzentren in Deutschland dürfen die Paare zu den ausländischen Verfahren nicht beraten und sie auch medizinisch mit Medikamenten und Ultraschalluntersuchungen nicht darauf vorbereiten. Das ist ihnen laut Embryonenschutzgesetz verboten und kann strafrechtliche Folgen für die Ärzte haben. Noch sind das die geltenden Regeln.