Gute drei Monate wieder im Rathaus

Nach Auszeit von Tübingens OB: Der neue Boris Palmer

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Stefanie Assenheimer
Stefanie Assenheimer

Nach verbalen Entgleisungen und einem Eklat um einen Judenstern-Vergleich nahm sich Boris Palmer eine Auszeit. Er kam zurück mit dem Vorsatz, sich besser im Griff zu haben.

Im Fall Boris Palmer (parteilos) scheint es ein Davor und ein Danach zu geben. Vor der Auszeit gab es immer wieder deutschlandweit Schlagzeilen über den Tübinger Oberbürgermeister. Palmer provozierte mit Äußerungen über Ausländer, er vergriff sich immer wieder im Ton, regte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf und sorgte für Ärger bei seiner damaligen Partei, den Grünen.

Das bedeutete auch für Palmer selbst viel Stress und Unruhe. Nach einer entgleisten Debatte im Frühjahr über das N-Wort kündigt er eine Auszeit an und trat nach jahrelanger Mitgliedschaft bei den Grünen aus.

Wie läuft es seit der Auszeit?

Vier Wochen hat sich der Oberbürgermeister im Rathaus vertreten lassen, sich professionelle Hilfe geholt. Im Juli kam er mit dem Vorsatz zurück, sich künftig besser im Griff zu haben. Das ist jetzt gute drei Monate her. Palmer geht es nach eigener Aussage deutlich besser: "Ja, es ist ruhiger. Vor allem merke ich, dass ich viel weniger Ärger in den sogenannten sozialen Medien habe."

Das tut tatsächlich gut. Weniger Stress für mich selber, weniger Theater, weniger dummes Zeug, das macht auch gar keinen Spaß, sich mit Blödsinn zu befassen.

Debatten bei Facebook gesitteter

Seine neue Gelassenheit kommt laut Palmer vor allem daher, dass seine Beiträge bei Facebook von nur noch 5.000 ausgewählten Personen kommentiert werden können. Darunter sind auch Palmer-Kritiker.

Der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Schweiger von der Uni Hohenheim beobachtet Palmers Debatten auf Facebook und gibt dem OB recht. Die Entscheidung, die Kommentarfunktion auf einen bestimmten Kreis zu beschränken, sei richtig gewesen. Die Diskussionen seien nun deutlich konstruktiver und gesitteter, sagte Schweiger dem SWR.

Palmer nicht mehr so oft in Talkshows

Palmer sagt auch, dass er versucht, sich nicht mehr über alles zu ärgern und alles zu kommentieren. Das zahlt sich anscheinend auch in Tübingen aus. Bürger und Bürgerinnen erleben ihren Oberbürgermeister nach der Auszeit als wesentlich entspannter. Er sei gelassener, die Kommunikation verlaufe ruhiger, und er äußere sich nicht mehr ganz so ausfallend. Palmer handle überlegter und bemühe sich moderater aufzutreten, so der Eindruck einiger Tübinger und Tübingerinnen. Auch, dass er nicht mehr so oft in Talkshows sei, tue der Stadt gut.

Arbeit mit dem Coach tut Palmer gut

Keine großen Aufreger, keine verbalen Entgleisungen und aggressiven Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Palmer lässt sich seit der Auszeit professionell beraten. Die Arbeit mit dem Coach scheint dem OB gut zu tun.

Auch die Atmosphäre bei Gemeinderatssitzungen hat sich wohl verbessert. Gemeinderat Gerhard Kehrer von der CDU erlebt Palmer als ruhiger. Früher konnte er zu manchen Gemeinderäten und Gemeinderätinnen schon mal unwirsch und ein bisschen gehässig sein, so Kehrer. Jetzt sei Palmer gerade sehr freundlich.

Ich erlebe ihn schon ein bisschen anders. Ausgeglichener und sehr freundlich.

Palmer: "Suche mir aus, worüber ich streite"

Doch gibt es etwas, für das es sich aus Palmers Sicht zu kämpfen lohnt, bleibt er ganz der Alte. Nach einem brutalen Angriff auf zwei Polizisten in Tübingen kam der Täter schnell wieder auf freien Fuß. Palmer schrieb ans Innen- und Justizministerium nach Stuttgart und forderte Erklärungen. Er wollte wissen, warum der Mann nicht in U-Haft musste.

Er habe sich vorgenommen, auszusuchen, worüber er streite, sagte der Tübinger Oberbürgermeister. Und dies sei so ein Fall. Er verstehe nicht, warum man in unserem Land Polizisten krankenhausreif schlagen und beißen und dann am nächsten Tag wieder frei herumlaufen dürfe.

Kriminologe kritisiert OB Palmer

Der öffentliche Brief wurde von vielen Medien abgedruckt und löste eine Debatte aus. Der Brief zeige, dass sich Palmer bei rechtlichen Themen nicht auskenne, schrieb der Direktor des Tübinger Instituts für Kriminologie Jörg Kinzig. Durch Palmers Schreiben würde zudem eine Gruppe von Ausländern unter Generalverdacht gestellt werden, so Kinzig.

Bei Themen, die aus seiner Sicht längst von der Politik angegangen werden müssten, bleibt Palmer laut. Eben erst hat er mit den Oberbürgermeistern von Schwäbisch Gmünd und Esslingen Bundeskanzler Scholz geschrieben. Sie fordern gemeinsam einen schnellen Bürokratieabbau.

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