Wenn Andreas Quint über seine Schafe spricht, hat er für einige eine eigene Geschichte parat. Da gibt es die besonders alten Schafe, die Frechen, die Jungen mit der feinen Wolle. Seine rund 200 Muttertiere kennt er gut. Im Sommer grasen die Schafe auf dem Österberg. "Das ist ein bisschen mehr wie ein Hobby, aber es geht schon fast in die Richtung“, erzählt er. Denn: Für die 600 Kilogramm Wolle, die er jeden Sommer von seinen Schafen gewinnt, bekommt er momentan kein Geld mehr.
Lange hatte der Händler, dem er die Wolle verkauft, keinen Bedarf. Vor kurzem hat er seine Wolle vom vergangenen Jahr losbekommen, allerdings ohne Bezahlung. Anfang Juni musste Quint seine Schafe wieder scheren lassen. Jetzt weiß er nicht, was er damit machen soll. "Ich hoffe, dass mein Händler sie abnimmt. Wenn er sie nicht abnimmt, dann muss ich versuchen sie irgendwie anders an den Mann zu bringen", sagt er.
Merinowolle: Konkurrenz aus Australien ist groß
Andreas Quint ist nicht allein mit seinem Problem. Viele deutsche Schäferinnen und Schäfer bekommen ihre Wolle nicht los. Die Gründe sind vielschichtig. Zum einen ist die Konkurrenz groß. Die meisten Produzenten für Merinoschafwolle sind in Australien und Neuseeland. Ihre Wolle ist oft beliebter.
Zum anderen sind die Transportkosten, um das Schaffell verarbeiten zu lassen, sehr hoch. Meistens wird die Wolle in China gewaschen, gesponnen und gewebt. Das Problem: Schafwolle wird in der EU als sogenanntes K3-Material eingestuft - der Kategorie für Schlachtabfälle. Das bedeutet, dass Rohwolle nur in Spezialfahrzeugen transportiert werden darf, besonders gekennzeichnet wird und Zollkontrollen unterliegt. Das ist teuer. Viele Schäferinnen und Schäfer fordern, die Einstufung zu ändern.
Das sieht auch Andreas Quint so. Für ihn ist Wolle ein Wertstoff, der anders deklariert werden müsste. "Dieser Wertstoff muss einfach wieder wertgeschätzt werden", sagt er. Er wünsche sich weniger Bürokratie - vor allem in der Landwirtschaft. Wer Tiere in Europa halte, habe nicht "das einfachste Los".
Der Beruf des Schäfers ist vom Aussterben bedroht - viele verdienen nur wenig Geld damit. Mehr dazu in der SWR-Reportage aus dem Jahr 2019:
Schäfer aus Tübingen überlegt Alternativen wie Dämmmaterial
Der Schäfer lässt sich aber nicht demotivieren und versucht jetzt, Alternativen zu finden, um seine Wolle zu vermarkten. "Vielleicht lasse ich Dünger-Pellets daraus machen und versuche die irgendwie zu verkaufen." Bisher ist der Markt für solche Pellets aber überschaubar.
Eine andere Möglichkeit: Die Schafwolle als Dämmmaterial verkaufen. Der Vorteil: Merinowolle ist schwer entflammbar. Auch als Trittschalldämmung kommt sie zum Einsatz. Sie sind allerdings deutlich teurer wie Styropor oder Mineralwolle - der Markt ist also auch hier klein.
"Es gibt natürlich auch verarbeitende Betriebe in Deutschland. Auch auf der Schwäbischen Alb gibt es tolle Firmen, die Wolle verarbeiten", sagt Quint. Er sei in Kontakt mit einem Händler, dem er eventuell seine weiße Merinowolle verkaufen könne. Schwarzes Fell sei allerdings nicht vermarktbar. "Wenn irgendwo ein bisschen schwarz mit drin ist, ist das mehr oder weniger Müll", sagt er.
Schafe aus Überzeugung
Trotz der schwierigen Umstände will Andreas Quint seine Schafe nicht aufgeben. Das mit den Schafen sei für ihn eine Berufung. "Ich glaube wir haben als Menschen Verantwortung gegenüber der Natur", sagt er. Schäfer würden einen großen Beitrag dafür leisten, die Kulturlandschaft zu pflegen und sie zu erhalten. Außerdem seien die Schafe der perfekte Ausgleich für seinen Job. "Ich liebe es, ich liebe die Schafe", sagt Andreas Quint.