Im Prozess um ein mutmaßliches Netzwerk von "Reichsbürgern" am Oberlandesgericht Stuttgart hat am Mittwoch ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) als Zeuge ausgesagt. Er leitete im März 2023 eine Durchsuchung der Wohnung von Markus L. in Reutlingen. Dabei war es zu einem Schusswechsel zwischen dem Angeklagten und Beamten des Sondereinsatzkommandos (SEK) gekommen. Ein Polizist wurde schwer verletzt, ein weiterer erlitt eine leichte Verletzung. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Reutlinger deshalb versuchten Mord vor und geht davon aus, dass er Mitglied in einer terroristischen Vereinigung war. Die Verteidigung von Markus L. kritisierte den SEK-Einsatz.
Details zum Tag der Durchsuchung in Reutlingen
Vor Gericht schilderte der Zeuge vom BKA, wie er den Einsatz in Reutlingen erlebt hat: Er habe in einem Auto etwa einen Kilometer entfernt auf die Freigabe des SEK, das Haus zu betreten, gewartet. Dann habe er am Telefon erfahren, dass es einen Schusswechsel in der Wohnung des Angeklagten gegeben habe. Als er am Tatort ankam, habe das SEK Markus L. komplett entkleidet abgeführt, so der BKA-Beamte. Fotos, die bei Gericht gezeigt wurden, zeigen den Angeklagten nach seiner Festnahme mit blauen Flecken und Schürfwunden am Kopf und dem Oberarm.
Der BKA-Beamte sagte weiter aus, Markus L. habe auf ihn entspannt und abgeklärt gewirkt. Im Gerichtssaal verfolgte der Angeklagte die Aussage des Zeugen regungslos. Nach der Festnahme, so der Zeuge, seien die übrigen Hausbewohner in Reutlingen-Ringelbach von der Polizei wach geklingelt und mit einem Reisebus weggebracht worden.
Polizei findet Militärnahrung, Waffen und Munition
Nach der Spurensicherung durch die Kriminaltechnik habe die Durchsuchung der Wohnung begonnen. Auch ein Kellerabteil und eine Garage sowie das Auto des Angeklagten seien durchsucht worden. Dabei hätten die Beamten mehrere Schränke voller Schusswaffen und Munition gefunden. Im Auto habe der Angeklagte zudem eine geladene Waffe hinter dem Sitz transportiert.
Auch einen Karton mit Militärverpflegung, einer abgepackten Fertignahrung, habe das BKA entdeckt. Er habe die Kiste beschlagnahmen lassen, so der Zeuge. Sie sei ihm vor dem Hintergrund des Terrorismus-Vorwurfs verdächtig erschienen.
Verteidiger kritisieren SEK-Einsatz
Am Nachmittag des Sitzungstages stellten die Verteidiger des Angeklagten Markus L. einen Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung. Ihrer Meinung nach können große Teile der Beweisaufnahme nicht gewertet werden.
Immer wieder haben die Rechtsanwälte das Vorgehen des SEK bei der Wohnungsdurchsuchung kritisiert. Ihr Mandant sei zum Zeitpunkt der Durchsuchung nur Zeuge und kein Tatverdächtiger gewesen. Das SEK hatte die Tür zur Wohnung von Markus L. aufgesprengt. Außerdem kritisieren die Anwälte, ihrem Mandanten sei nicht direkt mitgeteilt worden, dass er die Durchsuchung verhindern könnte, indem er gesuchte Dokumente oder Gegenstände herausgibt. Das Gericht habe eine Unterbrechung der Verhandlung aber zurückgewiesen.
Rechtsmedizinerin: Polizist kann Beruf nicht mehr nachgehen
Eine rechtsmedizinische Sachverständige aus Tübingen hat ebenfalls ausgesagt. Sie hat den Polizisten nochmal untersucht, der bei dem SEK-Einsatz angeschossen wurde. Ihr Gutachten bekräftigt, dass der Polizist einen deutlichen Kraftverlust und eine erhöhte Instabilität in seinem Arm hat. Beides sei eindeutig auf die Schussverletzung zurückzuführen.
Sportliche Hobbys, wie Klettern oder Kampfsport, könne er nicht mehr ausüben, so die Rechtsmedizinerin. Auch beruflichen Aufgaben beim SEK, wie zum Beispiel Schießen oder ein Schild halten, werde er nicht mehr nachgehen können.