14 neue Stolpersteine werden in der Tübinger Innenstadt am Montag gegen das Vergessen der NS-Opfer verlegt. Eine Initiative hat Gunter Demnig wieder dafür eingeladen.

Auch Gedenken an die Opfer der Hamas

Gegen das Vergessen: In Tübingen werden heute 14 neue Stolpersteine verlegt

Stand
Autor/in
Gerd Hagge

In Tübingen werden am Montag neue Stolpersteine verlegt. Sie sollen an die Opfer des NS-Regimes erinnern. Ist der 7. Oktober - ein Jahr nach dem Hamas-Überfall auf Israel - Zufall oder Absicht?

Ab neun Uhr sollen in der Tübinger Innenstadt mehrere neue Stolpersteine gegen das Vergessen der Opfer des Nationalsozialismus verlegt werden. Insgesamt wurden bereits 122 Stolpersteine in Tübingen gesetzt. Der Erfinder der Stolpersteine, Gunter Demnig, setzt gemeinsam mit der Stolpersteine-Initiative Tübingen nun in der Innenstadt 14 weitere seiner kleinen, bekannten goldenen Kunstwerke in den Boden.

Diese Gedenksteine stehen für Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus ausgegrenzt, verschleppt und getötet wurden. Im Zentrum der Initiative steht das Ziel, diesen Menschen ihre Namen zurückzugeben, die ihnen damals durch die Vergabe einer Nummer genommen wurden.

Menschen sollen im Kopf und mit dem Herzen stolpern.

Ein Jahr nach Überfall der Hamas auf Israel

Dass genau vor einem Jahr der Überfall der Hamas auf Israel stattfand, ist Zufall, sagt Gertrud Sänger von der Initiative. Der Termin für die Stolperstein-Verlegung wurde unabhängig davon auf den 7. Oktober gelegt. Die Tübinger Stolperstein-Initiative will aber bei dieser Veranstaltung neben den Opfern des NS-Regimes auch den Hamas-Opfern gedenken.

Stolpersteine: Eine besondere Art des Gedenkens

Die Steine selbst werden von dem Künstler und seinen Mitarbeitern gefertigt. Die Inschriften werden von Historikern überprüft und von Hand in Messing gearbeitet. Die Verlegung der Stolpersteine ist ein feierlicher Akt, der oft mit Musik und Reden von Angehörigen der Opfer begleitet wird.

Eine gute Arbeit, die ein gutes Gefühl macht.

Laut Sänger sind die Stolpersteine eine dezentrale Form des Gedenkens und sollen in den Alltag der Menschen integriert werden. Die Steine werden dort gesetzt, wo die Menschen ihren letzten freiwilligen Wohnort hatten, oder werden so ausgerichtet, dass sie in Richtung des Eingangs liegen.

Recherche beginnt mit den Namen der NS-Opfer

Die Tübinger Stolperstein-Initiative wurde 2016 gegründet, nachdem bereits einige Stolpersteine in der Stadt verlegt worden waren. Zunächst war die Zusammenarbeit mit der Stadt schwierig, so Sänger. Die Stadtverwaltung wollte zunächst keine weiteren Steine. Inzwischen sei das Verhältnis aber sehr gut.

Die Recherche nach den Namen der Opfer beginnt im Stadtarchiv. Mitglieder der Initiative haben Listen in der Gedenkstätte und damaligen Tötungsanstalt Grafeneck bei Gomaringen durchforstet, um Tübinger zu finden.

Grafeneck-Opfer stammten aus Tübingen

Dieses Mal werden Steine für folgende Opfer verlegt: drei Steine für eine jüdisch-christliche Familie, die ermordet wurde, vier Steine für Menschen, die aufgrund einer Behinderung ermordet wurden, und sieben Steine für Menschen, die politischer Verfolgung ausgesetzt waren.

Stolpersteine wurden von Gunter Demnig in der Tübinger Innenstadt verlegt: Am Montag folgen 14 weitere Steine gegen das Vergessen der NS-Opfer.
Der Künstler Gunter Demnig hat bereits in der Vergangenheit in Tübingen Stolpersteine verlegt. An diesem Montag folgen weitere.

Sänger: Kritik an den Stolpersteinen ist unbegründet

Laut Sänger gibt es häufig Kritik an der Arbeit der Initiative. Diese beziehe sich auf die Lage der Stolpersteine - auf dem Boden, wo sie mit Füßen betreten werden können. Sänger weist jedoch darauf hin, dass die meisten Menschen dies wohl eher aus Unachtsamkeit tun und oft sogar innehalten, wenn sie es bemerken.

Der Künstler Gunter Demnig sieht es ähnlich und findet, dass man sich durch die Bodenlage des Steins sogar verbeugen müsse, um die Inschrift des Steins lesen zu können.

Stolpersteine werden in ganz Tübingen verlegt

Die Gedenkveranstaltung beginnt heute um 9 Uhr. Der erste Stolperstein wird in der Gartenstraße verlegt. Dann geht es durch die Tübinger Kernstadt über die Wilhelmstraße bis zur Kronenstraße.

Mit der Verlegung der Stolpersteine soll nicht nur der Vergangenheit gedacht, sondern auch ein Zeichen für eine bewusste und verantwortungsvolle Zukunft gesetzt werden: Erinnern als wichtiger Teil der deutschen Gesellschaft.

Mehr zu Stolpersteinen

Singen

Kaspar und Alois Hartmann von den Nazis ermordet Erstmals Stolpersteine für Jenische in Singen

In Singen sind am Donnerstag zehn Stolpersteine verlegt worden, darunter zwei Stolpersteine für Angehörige der Minderheit der Jenischen. Die Stadt Singen zählt zu den größten Gemeinschaften der Jenischen in Baden-Württemberg.

SWR4 BW am Morgen SWR4 Baden-Württemberg

Wörrstadt

Erinnerung an getötete Jüdinnen und Juden Jugendliche organisieren Stolpersteine für Wörrstadt

Schülerinnen und Schüler haben die Geschichten von Menschen recherchiert, die im NS-Regime ermordet wurden. Am Freitag wurden die von ihnen vorbereiteten Stolpersteine in Wörrstadt verlegt.

SWR4 am Nachmittag SWR4

Zeitgenossen Gunter Demnig: „Stolpersteine sind eine Verneigung vor den Opfern“

Gunter Demnig arbeitet seit etwa einem halben Jahrhundert als Künstler, doch bekannt ist er nur für ein einziges Werk: Die „Stolpersteine“ zur Erinnerung an NS-Opfer in Europa, das wohl größte dezentrale Mahnmal der Welt.

SWR2 Zeitgenossen SWR2

Stand
Autor/in
Gerd Hagge

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.