Auch Gedenken an die Opfer der Hamas

In Tübingen erinnern neue Stolpersteine an jüdische Schicksale

Stand
Autor/in
Stefanie Assenheimer
Stefanie Assenheimer
Gerd Hagge

Stolpersteine sollen an die Opfer des NS-Regimes erinnern. In Tübingen sind am Montag 14 neue Stolpersteine hinzugekommen. Dabei wurde auch der Hamas-Opfern gedacht.

In Tübingen sind mehrere neue Stolpersteine gegen das Vergessen der Opfer des Nationalsozialismus verlegt worden. Der Erfinder der Stolpersteine, Gunter Demnig, hat am Montagmorgen die ersten drei neuen Steine in den Asphalt gesetzt; vor einem Haus, in dem einst die Familie Löwenstein lebte. Hugo, Ruth und Tochter Pauline Löwenstein wurden von den Nationalsozialisten vertrieben, das Haus beschlagnahmt. Mitglieder der Stolperstein-Initiative Tübingen haben vom Leben der Löwensteins berichtet. Zum feierlichen Akt kamen unter anderem Schüler und Schülerinnen, Gemeinderatsmitglieder und Landrat Joachim Walter.

Walter sagte dem SWR: "Nur durch Erinnerung können wir uns wappnen gegen Gefahren, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus. Und darum finde ich es wichtig, dass die Initiative hier in Tübingen auch wirklich so viele Stolpersteine verlegt hat." Nur einzelne Schicksale würden klar machen, was Schreckliches passiert sei. Daher seien solche Aktionen wichtig, so der Tübinger Landrat.

Rund 120 Stolpersteine auf Tübinger Straßen

Insgesamt wurden in Tübingen bislang rund 120 Stolpersteine verlegt. Diese Gedenksteine stehen für Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus ausgegrenzt, verschleppt und getötet wurden. Im Zentrum der Initiative steht das Ziel, diesen Menschen ihre Namen zurückzugeben, die ihnen damals durch die Vergabe einer Nummer genommen wurden.

Menschen sollen im Kopf und mit dem Herzen stolpern.

Ein Jahr nach Überfall der Hamas auf Israel

Dass genau vor einem Jahr der Überfall der Hamas auf Israel stattfand, ist Zufall, sagt Gertrud Sänger von der Initiative. Der Termin für die Stolperstein-Verlegung wurde unabhängig davon auf den 7. Oktober gelegt. Die Tübinger Stolperstein-Initiative gedachte aber bei der Veranstaltung neben den Opfern des NS-Regimes auch den Hamas-Opfern.

Der Künstler Gunter Demnig verlegt neue Stolpersteine in den Boden einer Tübinger Straße. Im Hintergrund stehen Menschen und schauen zu.
Gunter Demnig bei der Arbeit. In Tübingen hat der Künstler neue Stolpersteine verlegt.

Stolpersteine: Eine besondere Art des Gedenkens

Die Steine selbst werden von Künstler Gunter Demnig und seinen Mitarbeitern gefertigt. Die Inschriften werden von Historikern überprüft und von Hand in Messing gearbeitet. Die Verlegung der Stolpersteine ist ein feierlicher Akt, der oft mit Musik und Reden von Angehörigen der Opfer begleitet wird.

Eine gute Arbeit, die ein gutes Gefühl macht.

Laut Sänger sind die Stolpersteine eine dezentrale Form des Gedenkens und sollen in den Alltag der Menschen integriert werden. Die Steine werden dort gesetzt, wo die Menschen ihren letzten freiwilligen Wohnort hatten, oder werden so ausgerichtet, dass sie in Richtung des Eingangs liegen.

Recherche beginnt mit den Namen der NS-Opfer

Die Tübinger Stolperstein-Initiative wurde 2016 gegründet, nachdem bereits einige Stolpersteine in der Stadt verlegt worden waren. Zunächst war die Zusammenarbeit mit der Stadt schwierig, so Sänger. Die Stadtverwaltung wollte zunächst keine weiteren Steine. Inzwischen sei das Verhältnis aber sehr gut.

Die Recherche nach den Namen der Opfer beginnt im Stadtarchiv. Mitglieder der Initiative haben Listen in der Gedenkstätte und damaligen Tötungsanstalt Grafeneck bei Gomadingen durchforstet, um Tübinger zu finden.

Stolpersteine wurden von Gunter Demnig in der Tübinger Innenstadt verlegt: Am Montag folgen 14 weitere Steine gegen das Vergessen der NS-Opfer.
Der Künstler Gunter Demnig hat bereits in der Vergangenheit in Tübingen Stolpersteine verlegt.

Sänger: Kritik an den Stolpersteinen ist unbegründet

Laut Sänger gibt es häufig Kritik an der Arbeit der Initiative. Diese beziehe sich auf die Lage der Stolpersteine - auf dem Boden, wo sie mit Füßen betreten werden können. Sänger weist jedoch darauf hin, dass die meisten Menschen dies wohl eher aus Unachtsamkeit tun und oft sogar innehalten, wenn sie es bemerken.

Der Künstler Gunter Demnig sieht es ähnlich und findet, dass man sich durch die Bodenlage des Steins sogar verbeugen müsse, um die Inschrift des Steins lesen zu können.

Mit der Verlegung der Stolpersteine soll nicht nur der Vergangenheit gedacht, sondern auch ein Zeichen für eine bewusste und verantwortungsvolle Zukunft gesetzt werden: Erinnern als wichtiger Teil der deutschen Gesellschaft.

Mehr zu Stolpersteinen

Singen

Kaspar und Alois Hartmann von den Nazis ermordet Erstmals Stolpersteine für Jenische in Singen

In Singen sind am Donnerstag zehn Stolpersteine verlegt worden, darunter zwei Stolpersteine für Angehörige der Minderheit der Jenischen. Die Stadt Singen zählt zu den größten Gemeinschaften der Jenischen in Baden-Württemberg.

SWR4 BW am Morgen SWR4 Baden-Württemberg

Wörrstadt

Erinnerung an getötete Jüdinnen und Juden Jugendliche organisieren Stolpersteine für Wörrstadt

Schülerinnen und Schüler haben die Geschichten von Menschen recherchiert, die im NS-Regime ermordet wurden. Am Freitag wurden die von ihnen vorbereiteten Stolpersteine in Wörrstadt verlegt.

SWR4 am Nachmittag SWR4

Zeitgenossen Gunter Demnig: „Stolpersteine sind eine Verneigung vor den Opfern“

Gunter Demnig arbeitet seit etwa einem halben Jahrhundert als Künstler, doch bekannt ist er nur für ein einziges Werk: Die „Stolpersteine“ zur Erinnerung an NS-Opfer in Europa, das wohl größte dezentrale Mahnmal der Welt.

SWR2 Zeitgenossen SWR2

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.