Das Wartezimmer ist voll. Noch vor Ende der Sprechstunde haben sich 120 Patienten am Empfang registriert. Das sei für einen Vormittag schon viel, meint Ulrich Euchner, aber zu Quartalsbeginn nicht unüblich.
Euchner ist Hausarzt, seit mehr als 30 Jahren, und hat eine Praxis in Albstadt-Laufen (Zollernalbkreis). Er liebe seinen Beruf, sagt er, seine Patienten und seine Praxis mit Blick auf die Alb. Aber genau diese Praxis raubt ihn in letzter Zeit immer öfter den Schlaf.
Praxis droht ohne Nachfolger das Aus
Mit seinen 65 Jahren könnte Euchner eigentlich bald in den Ruhestand gehen. Zwei bis vier Jahre mache er noch, sagt er, aber dann sei Schluss. Das Problem: Er hat bis heute keinen Nachfolger für die Praxis gefunden. Das heißt, wenn er in den Ruhestand geht, muss er sie schließen. Und das schmerzt. Denn: Wohin sollen die Patienten, wenn sie nicht mehr zum Hausarzt können? Euchner weiß es nicht.
Praxissterben in Baden-Württemberg: Ein reales Problem
Und so geht es nicht nur ihm: Fast 40 % der niedergelassenen Hausärzte in Baden-Württemberg sind über 60 Jahre alt und werden bald in den Ruestand gehen, so der Hausärzteverband BW auf Nachfrage des SWR. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden demnach viele Praxen wegfallen. Für Patienten wird es dann immer schwieriger werden, eine neue Praxis zu finden. Laut KVBW sind schon heute über 900 Hausarztpraxen nicht besetzt.
Hunderte Stellen unbesetzt Ambulante Versorgung gefährdet - verdienen Hausärzte in BW zu wenig?
Die Kassenärztliche Vereinigung BW beklagt einen dramatischen Ärztemangel - sogar in Städten. Schuld daran: Zu viel Bürokratie - zu geringe Bezahlung. Aber: Was verdienen Ärzte?
Doch eine Nachfolge zu finden, ist schwer. Ulrich Euchner beschäftigt zwar Swantje Harlan als festangestellte Ärztin. Aber für sie kommt eine Praxisübernahme nicht in Frage. Sie habe eine Familie und könne daher nicht wie ihr Chef bis zu 65 Stunden pro Woche in der Praxis verbringen. Außerdem mache ihr die Bürokratie zu schaffen.
Die Herausforderungen, eine eigene Praxis zu führen sind groß geworden. Behandlungskosten seien dabei ein großes Problem, so der Hausärzteverband BW. Die hausärztliche Versorgung sei unterfinanziert und nicht attraktiv genug für nachkommende Medizinerinnen und Mediziner. Auch die immer wieder auftretenden Probleme bei der Digitalisierung würden viele Ärzte abschrecken.