Der Tübinger Gemeinderat hat am Donnerstagabend entschieden, dass künftig in mehr Straßen Tempo 30 oder 40 gelten soll - damit es nicht mehr so laut ist. Lärm stresst und kann krank machen. Das ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) längst erwiesen. Die Kommunen sind deshalb verpflichtet, zu prüfen, wie laut es auf ihren Straßen ist. Sie sollen gegensteuern, wenn der Lärm für die Anwohner unerträglich wird. Jetzt will auch Tübingen Lärm reduzieren. Damit es an besonders stark befahrenen Straßen künftig nicht mehr so laut ist, soll es mehr Tempolimits geben.
Tempolimits auch auf B27 und B28
Der Gemeinderat hat am Donnerstagabend beschlossen, dass künftig in der kompletten Innenstadt Tempo 30 gelten soll. Damit ist das Gremium über den Vorschlag der Verwaltung hinausgegangen, der Tempo 40 vorsah. Aber nicht nur in der Tübinger Innenstadt, sondern auch auf den viel befahrenen Durchgangsstraßen B27 und B28 wird es Geschwindigkeitsbegrenzungen geben. Dort soll auf weiten Abschnitten künftig Tempo 40 gelten.
Lärmaktionsplan nun auch in Tübingen
Jahrelang hat die Stadt Tübingen dem Thema Lärm keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl die EU die Kommunen längst verpflichtet hat, das Thema anzugehen. Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) machte in der Sitzung noch einmal klar: Er hält den Lärmaktionsplan für ein Bürokratiemonster. Wenn er künftig alle fünf Jahre überarbeitet werden solle, wie es die EU-Regelung vorsieht, dann habe die Stadtverwaltung nichts anderes mehr zu tun. Statt einer EU-Regelung fände es Palmer besser, wenn die Kommunen nach eigenem Ermessen Tempolimits und Lärmschutz verfügen dürften.
Tempolimits auch in Reutlingen
Auch für andere Kommunen bedeutet ein Lärmaktionsplan jahrelangen Aufwand - unter anderem mit Lärmmessungen, Kartierungen und Bürgerbefragung. Dazu kommt: Die Handlungsmöglichkeiten sind begrenzt: Denn wenn Straßenbeläge zu laut sind oder Gullydeckel klappern, wenn Laster und Busse darüber fahren, sind das Probleme, die die Kommunen meist nur längerfristig beheben können. Man wartet in der Regel, bis ohnehin eine Fahrbahnsanierung ansteht. Um den Anwohnern möglichst schnell eine bessere Lebensqualität zu verschaffen, greifen die meisten Kommunen daher auf Tempolimits zurück.
Das hat auch Reutlingen in der Vergangenheit bereits getan. Dort gilt in vielen Bereichen der Innenstadt Tempo 40, in einigen Ortsteilen auch Tempo 30. Bei der Verabschiedung des letzten Lärmaktionsplans in Reutlingen im Jahr 2020 hätte sich die Stadtverwaltung aber nach eigener Aussage teils noch schärfere Tempolimits gewünscht. Der Gemeinderat trug das aber nicht mit. Aktuell laufen in Reutlingen die Vorbereitungen für den nächsten Lärmaktionsplan.
Bundesstraßen in Schömberg und Eutingen
Wenn mitten durch einen Ort eine Bundesstraße führt, leiden die Anwohner in der Regel besonders stark unter Verkehrslärm - sowohl bei Tag als auch bei Nacht. Dieses Problem haben zum Beispiel Eutingen im Gäu (Kreis Freudenstadt), Schömberg (Zollernalbkreis) oder Ofterdingen (Kreis Tübingen). Schömberg hat kürzlich eine durchgehende Tempo 30-Zone an der durch den Ort führenden B27 eingeführt. Das Regierungspräsidium hatte bereits vor Jahren grünes Licht dafür gegeben. Doch kürzlich erst hat der Gemeinderat zugestimmt.
Die lärmgeplagten Anwohner der Bundesstraßen in Eutingen im Gäu und in Ofterdingen würden über Tempo 30 jubeln. Doch der Weg dorthin ist lang. Eutingen will schon seit der Lärmaktionsplanung 2015 durchgängig Tempo 30 auf der durch den Ort führenden B28 haben. Doch das Regierungspräsidium Karlsruhe genehmigte das nur für die Nacht. Bei Tag gebe es zu wenig Betroffene für eine durchgehend Geschwindigkeitsbegrenzung. Das ganztägige Tempolimit wurde nur in bestimmten Abschnitten genehmigt, so der stellvertretende Hauptamtsleiter Daniel Beilharz.
Dass seit September 2020 in ganz Eutingen tagsüber trotzdem nur 30 gefahren werden darf, hängt mit dem Umleitungsverkehr zusammen, der durch den Bau der Horber Hochbrücke entstanden ist. Der belastet den Ort so stark, dass das Regierungspräsidium das durchgehende Tempolimit vorübergehend genehmigt hat.
Durch Tempo 30 und andere Maßnahmen BW und andere Länder fordern strengere Gesetze gegen Lärm
Röhrende Motorräder, startende Flugzeuge und quietschende Güterzüge - sie machen Lärm. Da der viele Menschen stört und krank machen kann, haben nun mehrere Länder reagiert.
Ofterdingen in der Tempo 30-Warteschleife
Auch in Ofterdingen warten viele Anwohner seit Jahren auf Tempo 30. Die stark befahrene B27 führt mitten durch den Ort. Doch die Entscheidung zieht sich. Die Stadt Mössingen hat trotz der gesundheitsgefährdenden Lärmbelastung bislang kein grünes Licht geben. Sie hat ein Gutachten nachgefordert, das zeigen soll, wie sich die Verkehrsströme verlagern, falls die Ofterdinger Tempo 30 bekommen. Sollte es Ausweichverkehr geben, der zulasten anderer Menschen führt - etwa in Nehren oder Mössingen -, käme die 30er-Zone in Ofterdingen eventuell nicht. Man müsste dann über andere Lärmschutzmaßnahmen nachdenken. Das angeforderte Gutachten sollte nach Angaben der Gemeinde längst vorliegen, das beauftragte Büro habe aber noch nicht geliefert, so der Ofterdinger Hauptamtsleiter Alexander Schwarz auf SWR-Nachfrage.
Generell gelten nach Angaben des Mössinger Fachbereichsleiters Ordnung und Verkehr, Klaus Preisendanz, zwei Grundregeln, wenn zum Schutz von Anwohnern vor Lärm ein Tempolimit erlassen werden soll: Es müsse immer sicher gestellt sein, dass die Straßen in ihrer Leistungsfähigkeit erhalten bleiben. Und: Das Tempolimit dürfe nicht zulasten anderer gehen, die dann den Verkehr abbekommen.