Schauspieler Walter Schultheiß ist eine lebende Legende. Ein vielschichtiger Künstler, der vor allem bekannt ist für seine hintersinnigen Sprüche und seine Liebe für Pointen. Seit Samstag (25.5.2024) kann er auf ein ganzes Jahrhundert bewegtes Leben zurückblicken, das in Tübingen begann. Dort wurde er am 25. Mai 1924 geboren und wuchs auch in der Unistadt auf. Schauspieler, das wollte er schon als kleiner Junge werden.
Das bewegte Leben des Urschwaben zeichnet auch die Dokumentation "Ein Jahrhundert Leben!" des SWR nach.
Schultheiß' Vater arbeitete im Zeitungshaus "Neckar Chronik". Im Altpapier entdeckte der kleine Walter immer wieder Filmplakate, die ihn offenbar inspirierten. Als 12-Jähriger bastelt er sich eine Schattentheater-Bühne und spielt die Rolle des Mephisto in Goethes Faust nach.
Direkt nach dem Krieg: Schultheiß wird Schauspieler
Zum ersten Mal auf der Bühne stand Walter Schultheiß gegen Ende des zweiten Weltkrieges. 1945 spielte er in Tübingen "Die kluge Närrin" von Lope de Vega. In Stuttgart nimmt er Schauspielunterricht, lässt Stimme und Sprachtechnik schulen. Sein erstes festes Engagement bekommt er am Stuttgarter Volkstheater. Dort lernt Schultheiß auch seine spätere Frau und Bühnenpartnerin Trudel Wulle kennen. Dazu kommen immer öfter auch Hörspielrollen für den Rundfunk. Zunächst noch auf Hochdeutsch.
"Können Sie auch schwäbisch?"
Dass Walter Schultheiß viel im Dialekt macht und nicht auf hochdeutsch spielt- daran ist der heutige SWR nicht ganz unschuldig. Als der Spielleiter beim damaligen SDR mitbekommt, dass Schultheiß aus Tübingen stammt, fragte er ihn direkt: "Können Sie auch Dialekt sprechen?" Zu viele Schauspieler, die den Dialekt gut konnten, seien damals noch in Gefangenschaft gewesen, sagte Schultheiß. Und schon sei er in der Mundart-Schublade drin gewesen. Am Anfang hatte ihn das noch geärgert. Er hat dann aber schnell gemerkt, dass er auf schwäbisch viel plastischer sein und mehr ausdrücken kann als auf hochdeutsch.
"Karle und Gottlob": Riesen Erfolg mit Straßenkehrer-Serie
Der große Durchbruch gelingt Schultheiß in den 1960er Jahren zusammen mit Werner Veith im Straßenkehrer-Duo "Karle und Gottlob“. Die Übertragungen wurden jeden Samstag live im Radioprogramm des Süddeutschen Rundfunks ausgestrahlt - aus dem großen Sendesaal in der Villa Berg in Stuttgart. Die Sketche waren Kult. Die Figur des "kleinen Mannes" Gottlob, der die große Welt mit seinem Kumpel Karle bespricht, hält sich ganze 20 Jahre lang im Programm.
Die populäre Rolle hatte auch ihre Schattenseiten: Er sei zwei Jahrzehnte lang weg vom Fenster gewesen, sagte Schultheiß wörtlich. Andere größere Projekte an Theatern oder beim Film fielen damals flach.
Felix Huby: Treuer Weggefährte von Schultheiß
Anfang der 1980er Jahre wird ein künftiger Wegbegleiter auf Walter Schultheiß aufmerksam: Drehbuchautor Felix Huby aus Dettenhausen. Huby war durch den Fernsehfilm "Pannenhilfe" auf Schultheiß aufmerksam geworden. Hauptdarsteller Walter Schultheiß spielte darin einen geschäftstüchtigen Abschleppunternehmer, der auch Taxi fuhr, ein Bestattungsinstitut leitete und ein Hotel für Unfallopfer plante.
Drehbuchautor Felix Huby schrieb Walter Schultheiß viele Rollen auf den Leib. Zum Beispiel den pietistischen Pfarrer Merkle in "Oh Gott, Herr Pfarrer", "Köberle kommt", "Der König von Bärenbach", "Der Eugen" und "Pfarrerin Lenau". Felix Huby, der mit Schultheiß befreundet war, bezeichnete ihn einmal als "Star der stillen Art".
Im ARD-Tatort aus Stuttgart mit Bienzle spielte Walter Schultheiß die Nebenrolle des typisch-schwäbischen Vermieters Rominger. Auch seine Ende 2021 verstorbene Frau, die Schauspielerin Trudel Wulle, war in vielen Stuttgarter Tatort - Folgen zu sehen. Mit ihr stand Schultheiß regelmäßig auf der Bühne oder vor der Kamera. Die beiden waren über Jahrzehnte zu Gast im SWR Studio Tübingen auf dem Österberg, wo sie in etlichen schwäbischen Hörspielen und Sketchen mitspielten. Regelmässig war das Schauspieler-Paar im dritten Fernsehprogramm des damaligen SDR (heute SWR Fernsehen) zu sehen.
Schlitzohrig, die schwäbische Seele aufs Korn nehmend
In seinen vielen Fernsehrollen und auch auf der Bühne spielte sich Schultheiß gerne selbst: Den humorigen, hintersinnigen, aber auch bruddligen Musterschwaben. Obwohl er sich nicht gerne als schwäbischen Schauspieler bezeichnet. Sondern nur als "einen, der auch schwäbisch sprechen kann". Schon als junger Schauspieler verkörperte Schultheiß auf der Bühne meist ältere Typen.
Schultheiß' erste Kino-Hauptrolle: mit 89 Jahren
Ein Höhepunkt seiner Filmkarriere: die erste Hauptrolle in einem Kinofilm 2013. In der Tragikomödie "Global Player-Wo wir sind isch vorne" des in Hechingen (Zollernalbkreis) verwurzelten Regisseurs Hannes Stöhr spielte er einen 90-jährigen Senior-Firmenpatriarchen.
Die Rolle des Firmenpatriarchen in "Global Player" sollte nicht Schultheiß' letzte große Kinorolle bleiben. Aus der 12-teiligen Bäckerkomödie "Laible und Frisch" des Produzenten Frieder Scheiffele wurde ein Kinofilm. In der Komödie „Laible und Frisch - Do ghot dr Doig" stand Walter Schultheiß mit seiner ebenso hochbetagten Frau Trudel Wulle noch als 93-Jähriger vor der Kamera.
Neben seinem zweiten Standbein, dem Hörspiel, widmete sich Schultheiß gerne dem Verfassen von Gedichten. Zu seinen Hobbies zählt auch die Malerei. Nach dem Tod seiner Frau Trudel Wulle Ende 2021 zog sich Walter Schultheiß zurück. Er lebt weiterhin zu Hause in Wildberg (Kreis Calw), gemeinsam mit seinem Sohn Götz, dessen Ehefrau und seinen beiden fünf Jahre alten Enkelinnen (*Ende Sept. 2019).