Böser Wille oder gute Absicht?

"Sie können die Maschinen abstellen": Prozess um mutmaßlichen Totschlag in Hechingen

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Julia Klebitz
Julia Klebitz Reporterin SWR Aktuell Studio Tübingen Regionalbüro Albstadt

Eine Frau aus dem Kreis Sigmaringen soll versucht haben, die Beatmungsmaschine ihres Ex-Mannes abstellen zu lassen. War es böser Wille? Das klärt nun das Landgericht in Hechingen.

Nach einem Unfall in seinem Haus ist der Ex-Mann der Angeklagten vergangenes Jahr in der Tübinger Uniklinik im Koma gelegen. In einem Telefonat mit einem Arzt soll die Frau laut Staatsanwaltschaft Hechingen wörtlich gesagt haben: "Sie können ihn abstellen". Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das nicht dem Wunsch des Mannes aus dem Zollernalbkreis entsprach. Die 49-Jährige ist deshalb wegen Anstiftung zum versuchten Totschlag angeklagt.

Ex-Frau macht im Prozess keine Angaben zu Vorwürfen

Am ersten Verhandlungstag am Donnerstag machte die Frau keine Angaben zu den Vorwürfen. Die beiden Kinder sagten jedoch aus. Sie haben erzählt, seit der Scheidung der Eltern vor drei Jahren keinen oder kaum noch Kontakt zum Vater gehabt zu haben. Beide haben vor Gericht einen sehr gefassten und unemotionalen Eindruck gemacht. Die Tochter bezeichnete das Verhältnis zum Vater als schlecht. Als sie vom Unfall des Vaters und seinem gesundheitlichen Zustand erfahren habe, habe sie gefürchtet, der Vater könne lebenslang ein Pflegefall bleiben. Sie erinnere sich daran, dass er mehrfach, wenn er in der Vergangenheit Menschen im Rollstuhl gesehen habe, gesagt habe, dass er so nicht leben wolle.

50-Jähriger nach Unfall querschnittsgelähmt

Dass der 50-Jährige nach seinem Unfall von einem Rollstuhl abhängig sein würde, das war sehr wahrscheinlich.

Die Prognose war denkbar finster.

Der Bruder des Mannes wurde als Betreuer bestimmt, während der querschnittsgelähmte Mann noch im Krankenhaus war. Er sollte laut dem Mediziner über die weitere Beatmung des Mannes und damit lebensverlängernde Maßnahmen entscheiden. Dazu gehört zum Beispiel ein dafür notwendiger Luftröhrenschnitt. Eine laut Arzt für die Angehörigen schwere Entscheidung.

Patientenverfügung uneindeutig und nicht unterschrieben

Die Betreuung ging später allerdings auf die Ex-Frau über, weil sie eine Generalvollmacht hatte. Die Kinder hatten sich laut ihrer Aussage nämlich an eine Patientenverfügung des Vaters erinnert und diese zusammen mit der Generalvollmacht aus seinem Wohnhaus geholt. Auch die Schlösser ließ die Ex-Frau austauschen, während der Mann noch in der Klinik lag. Man habe das Eigentum des Mannes vor der Verwandtschaft schützen wollen, so die Tochter.

Maschinen abstellen? Arzt beruft Ethikkommission ein

Nachdem die 49-Jährige den Arzt gebeten hatte, die Maschinen ihres Ex-Mannes abzustellen, berief dieser eine Ethikkommission ein, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Am selben Tag sei es jedoch gelungen, mit dem schwerverletzten Mann zu kommunizieren, so der Arzt vor Gericht. Man habe ihm seine Situation erklärt und er habe der weiteren Behandlung zugestimmt.

Alles böser Wille?

Am Donnerstag sagte der 50-Jährige selbst vor Gericht aus. Für ihn stand außer Frage, dass seine Ex-Frau lediglich seinen Kindern zum Erbe habe verhelfen wollen. Sie habe vom guten Verhältnis zu seinen Geschwistern gewusst.

Sie hat eine Chance gesehen, den Kindern zum Erbe zu verhelfen.

Schon in der Beziehung sei es immer um Geld gegangen, so der Mann. Er sei zudem fest davon ausgegangen, dass die Generalvollmacht mit der Scheidung ihre Gültigkeit verloren habe. Ein Irrglaube.

Der Prozess am Landgericht Hechingen wird kommende Woche fortgesetzt.

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