Das Landgericht Tübingen hat einen ehemaligen Reutlinger Jugendfußballtrainer zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Es hat zudem angeordnet, dass der Verurteilte nach seiner Haftstrafe möglicherweise in Sicherungsverwahrung bleiben muss, also nicht frei kommt. Der 55-jährige Mann hat insgesamt sechs Kinder - fünf Jungen und ein Mädchen - zwischen neun und 13 Jahren hundertfach sexuell missbraucht und kinderpornografisches Material hergestellt und verbreitet.
Verteidiger liest Geständnis vor
Schon am ersten Verhandlungstag hatte der Verteidiger des Mannes dessen Geständnis vorgelesen. Dadurch habe der Täter sein Strafmaß abgemildert und seinen Opfern eine Aussage erspart. Andernfalls hätten die teilweise schon erwachsenen Kinder vor Gericht über den Missbrauch sprechen müssen. Zudem ließ der Mann seinen Verteidiger mitteilen, dass es ihm leid tue. Mit dem Geständnis konnte auch das Urteil schon nach zwei Verhandlungstagen - statt der angesetzten fünf - fallen.
Mann sucht Nähe zu Kindern
Der Mann, der zuletzt in einem Reutlinger Stadtteil lebte, war Fußballtrainer, Hilfslehrer, engagierte sich im Knabenchor. Dort knüpfte er Kontakte mit Kindern und Eltern. Laut Staatsanwaltschaft muss der Mann gewusst haben, welche Gefahr von ihm in der Nähe von Kindern ausging. Trotzdem suchte er sie - vorsichtig, ohne Gewalt oder Zwang bei seinen Taten.
Missbrauch seit über 25 Jahren
Der Mann hatte über einen Zeitraum von rund 25 Jahren insgesamt sechs Kinder sexuell missbraucht. Dabei ist die Dunkelziffer der Missbrauchsfälle noch höher. Einige Taten waren allerdings verjährt und somit nicht verwertbar. Der älteste Anklagepunkt reicht ins Jahr 1997 zurück. Damals lebte er im Kreis Coesfeld nahe Münster in Nordrhein-Westfalen. Zwischen den Missbrauchsfällen an einzelnen Kindern lagen laut Gericht immer wieder jahrelange Pausen. Im Sommer 2022 wurde er schließlich festgenommen. Seine letzten beiden Opfer hatte er über gemeinsame Hunderunden beim Spaziergang kennengelernt. Die vorherigen über das Fußballtraining.
Angeklagter erstellte kinderpornografisches Material
In der Wohnung des Angeklagten fand die Polizei mehr als 10.000 Dateien mit jugend- und kinderpornografischen Inhalten. Darunter waren Bilder und Videos. Teilweise hatte er diese Inhalte laut Gericht selbst hergestellt. Andere Bilder und Videos soll er ausgetauscht haben. Das Gesicht eines weiteren Opfers hatte der Mann mit Bildbearbeitungssoftware auf Nacktfotos von Jungen montiert. Diesen Jungen hat er jedoch nicht missbraucht. Selbst nach einer ersten Durchsuchung der Polizei, die elektronische Datenträger und Geräte beschlagnahmt hatte, sammelte er weiter. Bei einer zweiten Durchsuchung fanden die Ermittler erneut mehr als 1.200 kinder- und jugendpornografische Dateien.
Hinweise von amerikanischer Plattform
Dem Täter auf die Schliche gekommen war die Polizei durch die amerikanische Organisation "National Center For Missing & Exploited Children" (NCMEC). Sie gab Hinweise an das Bundeskriminalamt, die über das Landeskriminalamt zu den Ermittlerinnen und Ermittlern nach Reutlingen kamen. Doch der anfängliche Verdacht, es drehe sich rein um Besitz und Tausch kinderpornografischen Materials wuchs sich nach einer Durchsuchung aus - zusätzlich hin zum schweren sexuellen Missbrauch. In seinem Urteilsspruch sagte der Richter, dass der Fall nur dank der Hinweise aus den USA gelöst werden konnte. In Deutschland sei die Nachverfolgung wegen des Datenschutzes unmöglich.
Therapie wegen pädophiler Neigungen
Schon in seinem Geständnis am ersten Verhandlungstag drückte der Mann seinen Wunsch nach einer Therapie aus. Als Zwölfjähriger wurde er selbst missbraucht. Ein psychiatrischer Gutachter sprach von einer Störung der sexuellen Präferenz. Denn obwohl der Täter auch schon Beziehungen mit Frauen geführt hatte, spürte er eine Neigung zu Jungen zwischen sieben und 15 Jahren. Diese pädophile Störung kann man laut Gutachter nicht "wegtherapieren". Doch der Täter könne den Umgang damit lernen, was bis zu vier Jahre dauern könne. Der Wille dazu sei bei dem Mann vorhanden.