Selbstständige aus Mannheim klagen

Tausende sollen Corona-Soforthilfe zurückzahlen: "Das kann ich nicht"

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Autor/in
Tim Kukral
Hannah Vogel
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Jakob Fandrey
SWR-Redakteur Jakob Fandrey

Bis Ende Juni mussten viele Kleinunternehmer und Solo-Selbstständige ihre Corona-Soforthilfen zurückzahlen - zumindest zum Teil. Das bringt viele an ihre Grenzen.

Um die in der Corona-Pandemie ausbezahlen Corona-Soforthilfen gibt es in Baden-Württemberg Ärger. Nach Angaben des Landeswirtschaftsministeriums wurden Corona-Soforthilfen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro ausbezahlt. 572 Millionen Euro fordert die L-Bank nun seit knapp einem Jahr zurück: Davon betroffen sind 84.700 Unternehmer und Selbstständige. Bisher hätten erst 36.000 die komplette von ihnen geforderte Summe zurückgezahlt. In 9.000 Fällen hätten Betroffene Stundung oder Ratenzahlung beantragt; in 11.000 Fällen hätten sie den Zahlungen widersprochen; und in 30.000 Fällen hätten sich die Betroffenen auf die Zahlungsaufforderung der L-Bank noch gar nicht zurückgemeldet.

Dass sich viele Betroffene rund um das Thema ungerecht behandelt fühlen, zeigt ein Beispiel einer Buchhändlerin aus Mannheim. "Im Endeffekt werde ich vielleicht zumachen müssen", sagt Barbara Waldkirch in der SWR-Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg" über ihr Geschäft. Der Grund ist die von ihr geforderte Rückzahlung von Corona-Hilfen. "Das ist eine richtige Bedrohung", so Waldkirch.

Dabei dachte sie, dass sie die schlimmste Bedrohung für ihren Laden schon überwunden hatte. Gemeint ist der erste Corona-Lockdown im Frühjahr 2020, als das öffentliche Leben komplett stillstand und auch Buchhandlungen schließen mussten. Es ist eine bittere Ironie für Barbara Waldkirch, dass ihr nun ausgerechnet das zum Verhängnis werden könnte, was sie damals als rettende Hilfe in der Not empfand: staatliche Corona-Hilfen, die sie jetzt zu großen Teilen wieder zurückzahlen soll.

Wie es Waldkirch und anderen Selbstständigen aus Baden-Württemberg ergeht, können Sie hier im Beitrag von "Zur Sache Baden-Württemberg" ansehen:

Politik versprach: Corona-Hilfen müssen nicht zurückgezahlt werden

Dabei steht noch heute auf der offiziellen Internetseite der Bundesregierung ein Zitat des damaligen Bundesfinanzministers und jetzigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) aus dem März 2020: "Es muss nichts zurückgezahlt werden", heißt es da. Scholz betonte, dass es sich um einen Zuschuss handle und eben nicht um einen Kredit: Schließlich bräuchten Kleinstunternehmen und Solo-Selbständige in dieser Krise besondere Unterstützung.

Waldkirch bemühte sich schnell um die Hilfen, direkt, nachdem ihr Laden im März schließen musste. Allerdings sei in den ersten Tagen der Server der Seite, über die man die Hilfen beantragen musste, wegen Überlastung ständig zusammengebrochen. Beantragen konnte sie die Hilfen daher erst Ende März. "Das ist jetzt mein Verhängnis", sagt sie: Der verlustreiche März wurde nicht mitgerechnet. Bezahlt wird die Corona-Soforthilfe für die drei Monate nach Stellung des Antrags - nicht nach Lockdown-Beginn. Barbara Waldkirch findet, es werde die falsche Zeit betrachtet. In ihrem Fall: Monate, in denen sie mit aller Kraft versuchte, ihre wirtschaftliche Situation auch aus eigener Kraft zu verbessern.

Im April war zumindest ein Kioskverkauf am Fenster ihres Ladens möglich. Stammkunden kamen und holten Bücher ab, um sie zu unterstützen. Es folgte der Mai, als sie den Laden wieder öffnen durfte - und der Juni, als es voll war im Laden: "Da sind die Leute gekommen", sagt sie: "Der Juni war ein guter Monat." Was ihr damals nicht bewusst war: Die Einnahmen aus dieser Zeit wurden später gegengerechnet. Deshalb soll sie nun mehr als die Hälfte der Soforthilfe wieder zurückzahlen.

Corona-Hilfen zurückzahlen? Das finanzielle Polster ist nicht da

9.000 Euro hatte sie im Frühjahr 2020 erhalten: "Die waren sofort weg", sagt sie heute. Sie habe damit Rechnungen bezahlt, die wegen der fehlenden Einnahmen im März zunächst offengeblieben waren. Übrig geblieben sei davon nichts. Jetzt sollte Waldkirch bis Ende Juni 2023 mehr als die Hälfte der Summe wieder zurückzahlen. "Das kann ich nicht", betonte die Buchhändlerin. Schließlich folgte gut ein halbes Jahr später ein weiterer Lockdown. Auch nach der Corona-Zeit lebe sie mit ihrer Buchhandlung "von der Hand in den Mund". Ein finanzielles Polster habe sie seitdem nicht mehr aufbauen können.

Die 9.000 Euro, die Waldkirch 2020 erhalten hat, waren der Maximalbetrag für Solo-Selbstständige und Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten. Firmen mit bis zu zehn Beschäftigten erhielten maximal 15.000 Euro, Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten bis zu 30.000 Euro. Für die größeren Betriebe stellte das Land die Gelder, für die kleineren war es der Bund. Ausgezahlt wurden die Hilfen in Baden-Württemberg von der L-Bank, der staatlichen Förderbank. "Eine Insolvenzwelle konnte verhindert, die Arbeitsplätze gehalten, der Wohlstand gesichert werden“, erklärt Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) auf Anfrage von "Zur Sache Baden-Württemberg" schriftlich: "Gleichwohl war den politischen Entscheidungsträgern bewusst, dass die Programme weder geeignet waren, die durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen vollständig abzufedern, noch die entstandenen persönlichen oder auch unternehmerischen Herausforderungen vollständig aufzuwiegen."

Wirtschaftsministerium betont: Corona-Soforthilfe muss zurückgezahlt werden

Eine Sprecherin des Ministeriums der CDU-Politikerin betont, dass die Gelder ausschließlich für "akute krisenbedingte Liquiditätsengpässe" vorgesehen waren. Wenn solche Engpässe später nicht in der beantragten Höhe eingetreten seien, "muss die Soforthilfe anteilig oder in voller Höhe zurückgezahlt werden". Weiter schreibt die Sprecherin: "Damit die Unternehmen möglichst rasch die notwendige Unterstützung erhielten, wurde die Soforthilfe Corona bewusst als 'Vorschuss' gewährt." Man habe "alles dafür getan", um es den Empfängern der Hilfen zu ermöglichen, dass Gelder auch bis zu einen Monat vor Antragstellung gewährt werden: "Das in dieser Sache eingeholte Gutachten kam jedoch zu dem Ergebnis, dass eine solche nachträgliche Flexibilisierung des Betrachtungszeitraums rechtlich nicht möglich ist."

Barbara Waldkirch hat gegen die von ihr geforderten Rückzahlung Widerspruch eingelegt. Sie hofft, dass sie damit Erfolg hat. Wenn nicht, weiß sie nicht, woher sie das Geld für die Rückzahlung nehmen soll.

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