Keine Unterhaltung, kein Handy, nur der starre Blick nach vorne und stillsitzen. Und das für mehrere Stunden: Der Reisetrend "Rawdogging" (frei übersetzt: etwas konsequent durchziehen) schwappt gerade durch TikTok. Ziel der Challenge: Bewusst auf Komfort zu verzichten und sich mithilfe von Disziplin und Selbstbeherrschung während dem Flug auf eine einzige Sache zu konzentrieren: nach vorne zu schauen. SWR-Reporter Christoph Regli erzählt in diesem Artikel von seinen Erfahrungen beim Selbstversuch.
SWR-Reporter Christoph Regli im Gespräch mit SWR1 Baden-Württemberg über "Rawdogging" in einer Freiburger Straßenbahn:
Freiburger Straßenbahn statt Flugzeug
Für den Selbstversuch gab es in der Freiburger Straßenbahn ein schönes Plätzchen. Ein Doppelsitz im letzten Abteil, mit Blick auf eine Wand, etwas abgeschieden und ohne die Möglichkeit der Ablenkung. So ging es eine Stunde lang einmal quer durch Freiburg. Inklusive einigen verwirrten Blicken der Mitfahrer.
Wenn Dreck fast schon Begeisterung auslöst
Direkt in den ersten Minuten wird mir der erste taktische Fehler bewusst: Ich fahre rückwärts. Bei den doch hin und wieder kurvigen Teilen der Fahrt wird es im Magen etwas flau. Wer schonmal ein Buch gelesen hat, während man über eine Passstraße fährt, kennt das Gefühl. Besonders am Anfang merke ich, dass ich mich doch mehr konzentrieren muss, als ich dachte.
Immerhin hängt ein Schild an der Wand, darauf ein paar Dreckflecken. Meine erste "Beschäftigung" ist, mir zu überlegen, wie diese Flecken da wohl hingekommen sind. Damit waren aber auch nur die ersten paar Minuten erledigt. Dann geht das Kopfkino los: Habe ich den Herd ausgemacht, habe ich bei der Steuererklärung alles korrekt angegeben?
Der Impuls, aufs Handy zu schauen, ist stark
Immer wieder sind Fragen da, bei denen ich normalerweise das Handy kurz rausholen würde, um online nach der Antwort zu suchen. Zweimal erwische ich mich, wie ich kurz Richtung Hosentasche greife, kann mich aber noch kontrollieren. Die Fahrt kommt mir wie eine Ewigkeit vor, es überwiegt die Anstrengung, mich auf nichts anderes als das Schild und die Wand zu konzentrieren.
Ist "Rawdogging" zu empfehlen? Jein!
Lohnt es sich, den Trend auszuprobieren? Eine klare Empfehlung würde ich jetzt nicht geben, das hatte aber auch mit der Situation in der Straßenbahn zu tun. Irgendwann habe ich angefangen zu überlegen: Was denken jetzt die Menschen um mich herum von mir? Ich sitze nur da, schaue die Wand an. Das war zum Teil schon auch mit einem unangenehmen Gefühl verbunden.
Meditative Entspannung kommt erstmal nicht auf
Einen Zustand der Entspannung, den man vielleicht von der Meditation oder dem bewussten Atmen kennt, hatte ich bei meiner Zeit in der Straßenbahn kaum. Das kann natürlich auch mit der relativ kurzen Dauer des Selbstversuchs zusammenhängen. In den sozialen Medien nehmen sich die Menschen auf, wie sie das zum Teil acht bis neun Stunden machen. Eventuell kommt die Phase der Entspannung dort eher auf. Zu empfehlen ist die Challenge, wenn man sich aber in dem Bereich Selbstbeherrschung und Durchhaltevermögen austesten möchte. Dann, denke ich, lohnt es sich durchaus, den Trend "Rawdogging" selbst auszuprobieren.