Was hinter den Produkten steckt und woher dieser Trend kommt, weiß Dominik Bartoschek aus der SWR Ernährungsredaktion.
Das steckt hinter alkoholfreiem Wein
SWR1: Was bedeutet "alkoholfrei" bei Wein und Sekt?
Dominik Bartoschek: Theoretisch kann aus jedem Wein und Sekt eine alkoholfreie Variante werden. Denn der Alkohol wird den Produkten erst im Nachhinein entzogen, sie werden "entalkoholisiert". Deswegen heißen sie rein rechtlich auch "entalkoholisierte Weine" bzw. "schäumendes Getränk aus entalkoholisiertem Wein". Beiden ist gemeinsam, dass sie einen Rest von maximal 0,5 Volumenprozent Alkohol enthalten dürfen.
SWR1: Wie kommt der Alkohol aus dem Wein raus?
Bartoschek: Da gibt es verschiedene Methoden. Eine davon ist es, den Alkohol verdampfen zu lassen. Vereinfacht gesagt reicht es, den Wein dafür zu erhitzen. Das Problem daran: Mit dem Alkohol verdampfen auch viele Aromen.
Deswegen setzt man heute auf die Vakuumdestillation: Bei diesem Verfahren verdampft der Alkohol schon bei unter 30 Grad – der Unterdruck macht das möglich. Diese Temperatur ist gleichzeitig äußerst schonend für die empfindlichen Aromen im Wein. Deshalb gilt diese Methode als Erfolgsrezept dafür, dass entalkoholisierte Weine eine immer bessere Geschmacksqualität erreichen.
Wein ohne Alkohol schmeckt anders
SWR1: Warum der ganze Aufwand – kann ich da nicht gleich Traubensaft trinken?
Bartoschek: Nein. Denn Wein ist viel mehr als nur "Traubensaft plus Alkohol". Er hat eine Gärung und eine gewisse Reifezeit durchlaufen. Und dabei sind ganz neue und eigene Geschmacksnoten entstanden. Die bleiben, auch wenn der Alkohol wieder entzogen wird. Deswegen schmeckt ein entalkoholisierter Wein anders als ein Traubensaft.
SWR1: Alkohol ist ein Geschmacksträger – wie wird sein Fehlen ausgeglichen?
Bartoschek: In der Tat ist das die größte Herausforderung bei der Herstellung entalkoholisierter Weine. Den Eins-zu-Eins Vergleich wird ein alkoholfreier Wein gegen einen "normalen" Wein wohl nie gewinnen. Dennoch lässt sich auch aus entalkoholisierten Produkten geschmacklich viel herausholen. Vor allem, wenn der Grundwein eine hohe Qualität hat.
Von Vorteil ist es außerdem, Bukettsorten wie Sauvignon Blanc oder Muskateller zu verwenden. Denn die bringen von vornherein viele und intensive Fruchtaromen mit. Auch eine gewisse Restsüße kann für Geschmack sorgen. Leichter geht es übrigens beim Sekt: Hier kann die Kohlensäure den fehlenden Alkohol geschmacklich kompensieren.
Die gesündere Alternative
SWR1: Woher kommt der Trend zu alkoholfreien Weinen?
Bartoschek: Die Hochschule Heilbronn hat in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet geforscht und typische Motive ausgemacht, warum Menschen sich für alkoholfreie Alternativen entscheiden. Dazu gehört die Situation "Muss noch Autofahren!", Experimentierfreude und Neugierde, genauso wie religiöse Motive.
Eine große Rolle spielt aber auch der Gesundheits- und Lifestyle-Gedanke. Eine aktuelle Umfrage hat ergeben, dass viele Weintrinkerinnen und -trinker bewusst ihren Alkoholkonsum mäßigen, und stattdessen zu alkoholreduzierten oder -freien Produkten greifen.
Dem Wein geht es da übrigens nicht anders als dem Bier. Hier gilt die alkoholfreie Variante schon seit Jahren als ernstzunehmende Alternative und gesündere Variante. Mittlerweile liegt der Marktanteil von alkoholfreiem Bier bei acht Prozent am gesamten deutschen Biermarkt, und wird nach Einschätzung des Deutschen Brauerbundes bald auf zehn Prozent anwachsen.
SWR1: Wie steht es um die Kalorien in alkoholfreiem Wein?
Bartoschek: Natürlich hat der alkoholfreie Wein viel weniger Kalorien, denn die Kalorien im Wein ergeben sich zum einen aus dem Fruchtzucker der Trauben, zum anderen aber auch aus dem Alkohol. Da sagen eben viele Leute, dass das vielleicht doch eine Alternative ist. Denn wenn ich weniger Kalorien zu mir nehmen möchte, liegt der Griff zum alkoholfreien Wein näher.
Alkoholfreier Sekt beliebter
SWR1: Jedes zehnte Bier ist schon bald alkoholfrei – wie sieht das bei Wein und Sekt aus?
Bartoschek: Von solchen Zahlen ist der alkoholfreie Wein derzeit noch weit entfernt. Laut Deutschem Weininstitut (DWI) bewegt sich sein Anteil am gesamtdeutschen Weinmarkt bei gut einem Prozent. Allerdings ist die Tendenz stark wachsend, im Handel lag der Absatzzuwachs im Jahr 2023 bei etwa 27 Prozent.
Deutlich häufiger wird bereits zu entalkoholisiertem Sekt gegriffen, hier liegt der Anteil am Gesamt-Sektmarkt laut DWI bei sieben bis acht Prozent.
SWR1: Wie viel kostet alkoholfreier Wein im Vergleich zu normalem Wein?
Bartoschek: Viele Leute denken, dass alkoholfreier Wein billiger sein müsste, weil kein Alkohol enthalten ist. Aber das Gegenteil ist richtig: Er ist teurer als der normale Wein. Das hat zwei Gründe. Erstens ist es ein weiterer Produktionsschritt, den Alkohol herauszuholen. Und zweitens geht Flüssigkeit verloren, wenn man den Alkohol aus dem Wein herausnimmt. Wir sprechen nicht ohne Grund von Volumenprozent, die ein Wein hat.
Wenn ein Wein 15 Volumenprozent Alkohol hat, und die sind plötzlich weg, kommt hinten weniger heraus, als man vorne in die Entalkoholisierungsmaschine hereingegeben hat. Die Menge wird also kleiner. Deswegen müssen die Winzer und Kellereien die alkoholfreien Weine letztlich teurer verkaufen als die mit Alkohol.